Gutshof, Gasthaus, Post, Praxis: Was die Alte Post in Sinsheim-Eschelbach alles war
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Von Leo Falkner
Sinsheim-Eschelbach. Viele sehen es. Viele fragen sich, was hier einmal war: Das unbewohnte Gebäude an der Eichtersheimer Straße 10, direkt gegenüber der heutigen Stadtbushaltestelle der Linie 761, ist eines der wenigen erhaltenen Zeitzeugen Alt-Eschelbachs. Man sollte es nicht für möglich halten, aber das Gebäude mit der bewegten Vergangenheit war nach einem Ortslageplan aus dem Jahr 1830 das letzte Haus an der Landstraße, die die Alten nur "Chaussee" nannten. Jahre des Leerstandes, Wind und Wetter und Umwelteinflüsse haben dem steinernen Zeitzeugen schwer zugesetzt.
Wie auch anderorts, haben Ortssanierungsmaßnahmen, starke Baumängel und Anforderungen des Denkmalschutzes einer Sanierung im Weg gestanden. Dem stattlichen Haus den Todesstoß versetzt haben zwei Sommerhochwasser 1968- und -69, die im ganzen Dorf Schäden anrichteten. Zuvor hatte sich in dem Haus durch dessen vielfältige Nutzung ein Stück Ortsgeschichte abgespielt.
"Alte Post" – so wird das Gebäude noch heute bei der älteren Generation genannt. Ein Erbauer ist nicht bekannt. Bei dem zweistöckigen Wohnhaus mit Krüppelwalmdach, dem prächtigen Hauseingang, der imposanten Hofeinfahrt, die über einen Pflasterhof zu umfangreichen Stallungen und Scheunen führte, ist darauf zu schließen, dass er vermögend war. Ein Baustein des Kellergeschosses trägt die Jahreszahl 1740. In diesen Jahren lebte in Eschelbach Justinus Ehrenfried Blaß ein "Capitaine der Holländischen Companie". Ob er den Bau errichten ließ, ist nicht gesichert. Allerdings war Blaß wohlhabend und er wird auch als einer der Eigentümer genannt. Zudem führt der "Erbbestandsbrief des Churfürsten zu Mainz" von 1769 Blaß an erster Stelle genannt, als die Wüstung "Gut Schlupferstatt" – zwischen Eschelbach und Hoffenheim gelegen und ebenfalls ein Ort Eschelbacher Mythen und Myterien – an sieben Eschelbacher Bauern verliehen wurde. Blaß starb 1790 ohne Nachkommen in Eschelbach und wurde dort mit allen militärischen Ehren beerdigt. Als neuer Besitzer des Guts wird 1816 der Rentmeister Johann Burkhard Arnold festgehalten.
Georg Friedrich Bender – Sohn des damaligen "Rösselwirts" – war ab 1823 neuer Eigentümer. 1849 baute Peter Wilhelm Bender das Gehöft zum Gasthaus "Zur Sonne" um; die Lage an der Landstraße war ideal. Dessen Sohn Wilhelm wanderte nach Amerika aus und es erlosch die Konzession der Wirtschaft. Auch der neue Besitzer Georg Friedrich Schüßler, der den Hof als Landwirt betrieb, wanderte nach Kanada aus – detaillierte Angaben, die unter anderem dem unerschöpflichen Fundus von Fridel Günther aus Eschelbach zu verdanken ist, die über Jahre die evangelischen Kirchenbücher auswertete und bis ins Jahr 2013 vieles nieder schrieb.
Vom damaligen Eschelbacher Bürgermeister Christoph Friedrich Edinger wurde das Anwesen 1890 erworben. Dessen Sohn Friedrich Jakob – ebenfalls Bürgermeister von 1918 bis 1933 – eröffnete im Erdgeschoss eine Postagentur. Die Post hatte zuvor im Haus Merx/Weinmann gegenüber dem späteren Gasthaus "Zur Post" ihren Sitz und wurde von Emil Falkner und dessen Sohn Erich betrieben. Die Postgeschäfte gingen auf die Dynastie Thurn und Taxis zurück, ehe in Eschelbach 1869 die Badische Landpost ihre Anfänge nahm. Alles begann mit einer fest eingemauerten Postablage – einer Art Briefkasten – am Gebäude von Heinrich Heller, dem Brauereibesitzer und Gastwirt im Wirtshaus "Zur Rose" auf der Straßenseite gegenüber. Die Post brachten "Expediteure" zu Pferd oder zu Fuß aus Michelfeld oder Sinsheim. Die Menge der Post stieg und rechtfertigte eine eigene Postagentur.
Eine mit Post mit Amtsstatus führte erst Bürgermeister Edinger von 1903 bis 1937. Dass auch die Fernlinie der Postkutsche Bruchsal-Sinsheim-Mosbach vor der Posthalterei in Eschelbach Station machte, ist nachgewiesen. Und auch die "Kraftpost" – ab 1920 auf der Linie Sinsheim-Mingolsheim mit Motorwagen unterwegs – hielt dort an. Eschelbacher Postagenturen der späteren Jahre wurden von der heutigen Bundestraße 292/39, in Richtung Ortskern abgezogen. Neuer Postagent in den Weltkriegsjahren 1938 bis -45 wurde Ludwig Kraus in der Balzfelderstraße 1; danach ging die Posthalterei ab 1946 bis -70 an Camill Bender in der Hirschhornstraße 8 – und wieder zurück an die Familie von Ludwig Kraus.
Die Eschelbacher Postgeschichte, die ein Stück weit auch Familiengeschichte ist, führten von 1971 bis 1993 Posthauptschaffner Fritz Kraus und dessen Tochter – Postobersekretärin Ines Kraus – am Standort "An der Röte 12" fort. Das Unternehmen Deutsche Post wurde 1995 privatisiert – die Postagentur sitzt seither im Lebensmittelgeschäft Wambsganß in der Hirschhornstraße 29.
Die Kapitel der historischen "Alten Post" in der jetzigen Eichtersheimer Straße wurden indessen weitergeschrieben: Ort und Wohnbebauung haben sich vergrößert. Das fast 300 Jahre alte Anwesen wird nach dem Zweiten Weltkrieg von der Familie Edinger bewohnt. Auch der in die Familie eingeheiratete spätere Ehrenbürger Eschelbachs – Oberlehrer Albert Münz – wohnte hier mit Familie. In die Räume der Post zogen Zahnarzt Dr. Neumaier, danach Zahnarzt Dr. Hildenbrand. Letzter blieb viele Jahre in Eschelbach. Generationen erinnern sich noch an die einfache Landpraxis.
Als Hildenbrand nach Sinsheim wechselte, fand sich kein Nachfolger. Im Hause selbst wohnten weiterhin die Familien Münz und Edinger – bis zum unglückseligen Hochwasser. Die Schäden hoch, das Haus nicht mehr zu retten. Waldemar Münz brach Stallungen, baute auf dem Gelände ein Wohnhaus, das heute noch von Nachfahren bewohnt wird. Die Zukunft des historischen Gebäudes ist ungewiss. Eine Erhaltung wäre angesichts der Historie wünschenswert. Ein Abbruch würde die Unwiederbringlichkeit besiegeln. Es wird ein Spagat zwischen Wunsch und Wirklichkeit bleiben.