"Katastrophaler" Zustand: Fast jeder Baum des Sandhäuser Waldes braucht Pflege
Von Lukas Werthenbach
Sandhausen. Die Beschreibung "Intensivpatient" trifft den Gesundheitszustand des Sandhäuser Waldes wohl recht gut. Und zwar nicht nur wegen der rapide ansteigenden Zahl an absterbenden Bäumen, sondern auch wegen des hohen Personalaufwands, der mit seiner Pflege verbunden ist. Das lässt sich aus der Präsentation von Forstbezirksleiter Philipp Schweigler in der Festhalle schließen, in der er den Gemeinderäten den aktuellen Zustand des Gemeindewaldes erläuterte. "Den Kiefern und weiteren Baumarten geht es schlecht", so Schweigler. "Das sind nicht nur einzelne, sondern es tritt wirklich flächig auf."
Bei seinem Besuch zeigte er den Räten – die allesamt die Gesundheit des Sandhäuser Waldes spürbar umtreibt – auch einen Zehnjahresplan auf, anhand dessen die "Nachhaltigkeit sichergestellt" werden soll. Dazu merkte er angesichts des "katastrophalen" Forst-Zustands gleich an, dass diese Planung mit "zwei bis drei Fragezeichen" zu verstehen sei.
"Von normalen Zeiten sind wir in der Rheinebene weit entfernt", fand Schweigler drastische Worte. Analog zum Klimawandel befinde sich insbesondere auch der Wald der Hopfengemeinde "in einem dramatisch sich verändernden Prozess". Mit Blick auf eine längerfristige Planung zur nachhaltigen Bewirtschaftung – durch die "nicht mehr Holz aus dem Wald genommen werden soll als nachwächst" – gestand der Fachmann, dass "das Ziel leider nicht klar ist". Zu dynamisch sei die Klimaveränderung der vergangenen Jahre und daraus resultierend auch jener Wandel im Forst. Eine entsprechend "große Herausforderung" sei zurzeit diese Planung.
Beispiele für ebenjene Dynamik hatte Schweigler auch parat: Eine Grafik zeigte die Anteile der verschiedenen Baumarten im Gemeindewald, wonach nur 13 Prozent aus Buchen bestehen. "Vor fünf Jahren hätte ich noch gesagt, die Buche ist ein Hoffnungsträger", so Schweigler über die Baumart, die "nicht nur hier leidet, sondern zum Beispiel auch im Kraichgau". Oder die Kiefer, deren Anteil 2009 noch 80 Prozent ausgemacht hatte – jetzt sind es 58 Prozent: "So einen schnellen Rückgang habe ich noch nie erlebt." Die Hoffnungen bremsen musste er auch bezüglich der immer stärker nachgefragten Robinie, die "eigentlich eine der wärme- und trockenresistenten Arten" sei: "Aber hier auf den Sandböden ist sie auch nicht wirklich stabil. Auch dahinter müssen wir also leider ein Fragezeichen setzen."
Ebenso eindrucksvoll belegen die Zahlen des Holzeinschlags seit 2010 die Probleme: 7700 Erntefestmeter in zehn Jahren waren geplant, tatsächlich wurden über 9000 Erntefestmeter gefällt. "Der Schadholzanteil betrug die letzten vier Jahre 100 Prozent", erklärte Schweigler, "kein gesunder Baum wurde umgesägt". In Sandhausen wirke sich besonders "die enge Verzahnung von Wald und Bebauung" aus, sodass durch die sogenannte Verkehrssicherungspflicht ständig beschädigte Bäume in der Nähe von Straßen und Gebäuden gefällt werden müssten. "Der Wald wird eigentlich betreut wie ein Park, da wird sich fast um jeden Baum gekümmert."
Dabei ließ Schweigler auch durchblicken, dass dies für eine "extreme Arbeitsbelastung" sorge, die "kaum zu schaffen" sei. Entsprechend "hohe Kosten" werde künftig allein die Verkehrssicherung verursachen. Probleme bereiteten auch die sich stark ausbreitende und junge Bäume überschattende Kermesbeere, ebenso wie Maikäfer beziehungsweise deren Larven – beides könne nur mit hohem Aufwand beseitigt werden.
Im Zuge der "Verjüngungsplanung" sollen 22,6 Hektar "junger Wald den alten ablösen", wie es der Bezirksleiter ausdrückte. Die zunächst im Plan vorgesehenen 3,3 Hektar an neu anzubauendem Wald würden aber nicht ausreichen, meint er. Allein im nächsten Jahr sollen auf einem Hektar 5200 Bäume gepflanzt werden: Traubeneiche, Roteiche, Hainbuche, Winterlinde und Feldahorn gehören zu den Arten, denen die Experten unter Berücksichtigung eines immer wärmeren und trockeneren Klimas eine besonders hohe Stabilität zutrauen.
Ebenfalls im nächsten Jahr soll auf 7,1 Hektar "Kultursicherung" stattfinden: Dazu gehöre etwa die händische Beseitigung der Kermesbeere. Unterm Strich steht im Forsthaushalt 2021 ein Minus von 170.000 Euro. Der Gemeinderat stimmte der Zehnjahresplanung für den Wald ebenso wie dem Forsthaushalt einstimmig zu.