Lebenshilfe Eberbach: Für Menschen mit Handicap war 2020 "sehr bedrückend"
Von Barbara Nolten-Casado
Eberbach. Kaum jemand konnte sich den Auswirkungen der Corona-Pandemie im zurückliegenden Jahr entziehen. Was die damit verbundenen Einschränkungen für Menschen mit Handicap bedeuteten, davon berichtet die Vorsitzende des Vereins Lebenshilfe Eberbach, Diana Majer-Morgenthaler. Die in der Stauferstadt lebende Rechtsanwältin ist selbst Mutter eines Sohnes mit Down-Syndrom. Für ihn und drei weitere junge Männer mit geistiger Behinderung gründete sie vor ein paar Jahren eine vom Landratsamt des Rhein-Neckar-Kreises "als selbstständig anerkannte Wohngruppe" in einem Fachwerkhaus in der Eberbacher Altstadt.
Frau Majer-Morgenthaler, wie haben Sie das Jahr 2020 erlebt?
Für mich persönlich hatte Corona nicht so viele Auswirkungen. Klar wurde durch den Lockdown im Frühjahr alles runtergefahren. Aber über Sommer bis zum Herbst kam dann die "Aufholjagd". Da wurde es beruflich so richtig turbulent.
Und in Ihrer Eigenschaft als Vorsitzende der Lebenshilfe?
Das war sehr bedrückend. Sowohl bei den Mitgliedern der Lebenshilfe als auch bei den Behinderten selbst nahm ein Teil es gelassen, andere dagegen reagierten sehr verängstigt. Natürlich war ich daran interessiert, Angebote soweit wie möglich aufrecht zu erhalten. Aber dann ist doch alles weggebrochen: Es gab keine Unterhaltung mehr für die Behinderten, keinen Sport, keine Freizeitangebote, keinen Jahresausflug, kein Herbstfest – alles war weg. Auch der MobilTON-Chor konnte nicht mehr in den Räumen der Johannes-Diakonie in der Alten Dielbacher Straße proben.
Als sich die Lage im Juni etwas entspannte, habe ich dann bei der Stadt angefragt, ob wir in der Au unter freiem Himmel proben dürften. Es wurde uns gestattet: für eine begrenzte Teilnehmerzahl und unter Einhaltung der Abstands- und Hygienevorgaben. Trotzdem hatten manche Chormitglieder Angst zu singen. So haben wir uns kurz entschlossen zu einer Rhythmikgruppe umstrukturiert und musizierten fortan nur noch mit Trommeln, Rasseln, "Boomwhackers" und ähnlichem.
An einem Chorwochenende in der Evangelischen Jugendbildungsstätte in Neckarzimmern konnten zehn Teilnehmer mit Handicap und fünf Betreuer teilnehmen. Doch dann kam der erneute Einbruch. Seit Mitte Oktober ist kein Angebot mehr möglich. Auch die Weihnachtsfeier musste ausfallen. Immerhin durften zwölf Teilnehmer unserer Rhythmikgruppe mit ihren Instrumenten am 13. Dezember im Gottesdienst in der Michaelskirche musizieren. Dekan Leytz hatte uns dazu eingeladen. Sowohl die Gottesdienstbesucher als auch die Behinderten hatten daran ihre Freude.
Wie nahmen die Menschen mit Handicap 2020 wahr?
Besonders für die, die im Heim leben, war es sehr bedrückend. Im März und April waren sie völlig isoliert. Nicht mal Eltern durften mehr ihre Kinder besuchen. Die Folge waren Depressionen und Aggressionen. Inzwischen gibt es immerhin eine Besuchsregelung. Die Behinderten verstehen die Situation ja nicht, das ist wie bei Menschen mit Demenz.
Wie lief es in der Wohngruppe der vier jungen Männer?
Auch für sie sind alle Freizeitangebote ausgefallen. Das Gefühl von Isolation und Langeweile sind die Folge. Und natürlich spüren die Jungs auch die Unsicherheiten und Ängste. Eine Betreuerin etwa kommt nun mit Mundschutz und hält Abstand zu ihnen. Sie schauen Fernsehen, gehen ins Internet und sind total verunsichert und besorgt von dem, was sie da wahrnehmen.
Wie sieht der Alltag derer aus, die arbeiten gehen?
Im Frühjahr waren die Werkstätten lange geschlossen. Zuletzt durften aber alle wieder arbeiten. Da waren sie froh, als es endlich wieder losging. Jeden Tag wird in der Werkstatt Fieber gemessen. Alle tragen einen Mund-Nasenschutz und werden angehalten, Abstand zu halten.
Was wünschen und erhoffen sich die Menschen mit Handicap für 2021?
So schnell wie möglich Lockerungen und Rückkehr zum normalen Leben und zu kleinen Ablenkungen im Alltag. Sie können die Angebote kaum erwarten und würden sich gern wieder zum Singen treffen, wenn auch in kleinen Gruppen.
Was wünschen Sie sich fürs neue Jahr?
Dass wir lernen, mit Corona zu leben – in einem vorsichtig gelassenen Umgang damit, denn ich glaube, dass das so bald nicht vorbei sein wird.
Gibt es schon Pläne für 2021 bei der Lebenshilfe?
Konkrete Pläne können wir noch nicht machen. Aber wir möchten gern die Rhythmikgruppe als festen Bestandteil des MobilTON-Chors erhalten. Dafür wollen wir weitere Instrumente anschaffen. Und natürlich wollen wir auch so bald wie möglich wieder singen und wieder Ausflüge machen und Feste feiern mit unseren behinderten Menschen.