Daudenzell: Nicht nur der Wetterhahn braucht eine Schönheits-OP
Von Noemi Girgla
Daudenzell. Über der kleinen evangelischen Kirchengemeinde in Daudenzell hängt das Damoklesschwert. Denn die aus lediglich rund 230 Gemeindegliedern bestehende Pfarrei muss etwa 200.000 Euro aus eigener Tasche aufbringen, um ihre Kirche zu erhalten.
Was von außen aussieht wie ein gewöhnlicher Kirchenbau, beherbergt in seinem Inneren einen historischen Schatz. Im frühgotischen Turm sind nämlich Wandmalereien aus dem 14. Jahrhundert erhalten, die bei einer Renovierung in den 1960er-Jahren freigelegt wurden. Auf leuchtend blauem Grund strahlen dem Betrachter Darstellungen der vier Evangelistensymbole entgegen. Lediglich das des Johannes weist keinen nächtlichen Sternenhimmel sondern Blumenranken im Hintergrund auf. Warum das so ist, hat sich Pfarrer Volker Wahlenmeier bislang noch nicht erschlossen. Für ihn ist jedoch klar: "Die Kirche ist ein Kleinod, das gerettet werden muss."
"Eigentlich wollten die Daudenzeller nur den Sockel ihrer Kirche neu streichen", berichtet Simone Heitz, Geschäftsführerin des evangelischen Verwaltungszweckverbands, wie alles anfing. Doch bei einer detaillierten Bestandsaufnahme seien immer mehr Mängel zum Vorschein gekommen. "Bei einer früheren Sanierung wurde der ,gute Portlandzement’ verwendet", erzählt Wahlenmeier. "Dieser macht es dem Sandstein, aus dem das Gebäude besteht, nun schier unmöglich zu atmen, was zu Wasserschäden innerhalb des Baus führt."
Doch damit nicht genug. "Bei einem Drohnenflug über die Kirche kam noch ganz anderes zum Vorschein", erläutert der Pfarrer. "Die Schiefereindeckung des Turms weist Schäden auf und muss erneuert werden, der Schaft des Kaiserstiels, auf dem der Wetterhahn sitzt, ist verrostet und muss ersetzt werden. Dafür werden wird großes Gerät brauchen. Und der Vogel selbst wurde wohl einmal als Zielscheibe missbraucht. Die Kugel unter ihm weist Einschusslöcher auf und der arme Hahn ist ,gerupft’ – er hat nur noch zwei Schwanzfedern." Von der notwendigen Elektrosanierung erzählt Wahlenmeier nur am Rande.
"Ursprünglich waren Gesamtkosten von 272.000 Euro veranschlagt, was die Gemeinde mit einem Eigenanteil von 40 Prozent schon an ihre Grenzen gebracht hätte – aber nun stehen wir Gesamtkosten von etwa einer halben Million Euro gegenüber. Und wir wissen nicht, wie wir den Eigenanteil aufbringen sollen."
Einen Teil der anfallenden Kosten trägt die evangelische Landeskirche in Baden. "Die Kirchengemeinde erhält eine Baubeihilfe in Höhe von 40 % der festgesetzten Förderhöhe. Die Beihilfe ist ein Zuschuss an die Kirchengemeinde, der nicht zurückgezahlt werden muss. Grundlage sind Kirchensteuermittel", heißt es von der evangelischen Landeskirche auf Anfrage der RNZ. Weitere 20 Prozent können über langfristige Kredite abgedeckt werden. "Die Kirchengemeinde kann bis Ende 2021 ein Darlehen der evangelischen Landeskirche in Baden erhalten. Die jährlichen Zins- und Tilgungsleistungen werden zu 70 % durch diese in Form einer Steuerzuweisung an die Kirchengemeinde mitfinanziert. Grundlage für die Steuerzuweisung sind Kirchensteuermittel", teilt die evangelische Landeskirche weiter mit.
Bleiben 40 Prozent Eigenanteil. Im Fall von Daudenzell rund 200.000 Euro. "Plus 100.000 Euro Darlehen, die über viele Jahre bedient werden müssen", gibt Wahlenmeier zu bedenken. "Das muss aus dem laufenden Haushalt kommen und ist derzeit auch noch nicht denkbar."
"Die 40 Prozent Eigenanteil müssen aus Rücklagen, eigenen Opfern und weiteren Spenden generiert werden", erklärt Heitz. Auch vom Landesdenkmalamt sei ein Zuschuss in Höhe von knapp 20.000 Euro in Aussicht gestellt worden. Hoffnung setzt Pfarrer Wahlenmeier in ein Fundraisingkonzept, das jedoch noch in den Kinderschuhen steckt. "Was wir wirklich bräuchten, wären ein oder mehrere Großspender", stellt er fest.
Wie prekär die Lage tatsächlich ist, erläutert Simone Heitz: "Das Vermögen der Kirchengemeinde steckt in Grund und Boden. Die kleinen Äckerchen werfen nicht viel Pacht ab, und sie zu veräußern, wäre auch nicht nachhaltig." Es bliebe lediglich das Pfarrhaus. Aber dieses zu veräußern, käme für die Kirchengemeinde einer Katastrophe gleich. "Die Daudenzeller hängen an ihrem Pfarrhaus. Daran zu gehen, wäre wirklich das allerletzte Mittel." Auch Heitz hofft auf Spenden, um die benötigte Summe aufbringen zu können. Sie geht davon aus, dass die Kirche in mehreren Bauabschnitten saniert werden muss. "Alles auf einmal ist nicht zu stemmen."
Monika Jüngert, Vorsitzende des Kirchengemeinderats Daudenzell, hofft ebenfalls, dass sich viele mit Spenden an dem Projekt beteiligen. "Wir wünschen uns, dass die Kirche mit all ihren schönen Details für die nächsten Generationen erhalten bleibt und eine Zukunft hat", so Jüngert. Und vielleicht findet sich ja tatsächlich auch ein Großspender, der nicht nur das Damoklesschwert "entschärft", sondern sogar dem gerupften Hahn eine kleine Schönheits-OP ermöglicht ...