Jahresrückblick 2020: Schwetzinger Leben mit der Pandemie
Von Anna Manceron
Schwetzingen. Die Corona-Pandemie hat das Leben aller auf den Kopf gestellt. Trotzdem gab es es im Jahr 2020 noch ein paar andere Ereignisse, die in Schwetzingen wichtig waren. Eine Übersicht:
> A wie Ausbesserungswerk: Seit Jahren wird über die Zukunft des ehemaligen Ausbesserungswerks der Deutschen Bahn diskutiert. Im Norden des Geländes will die Firma Decathlon ihr Logistikzentrum erweitern. Der südliche Teil gehört überwiegend der Stadt, dort soll ein Gewerbegebiet entstehen. Im Juni beschließt der Gemeinderat, dem Gebiet drei Grundstücke zuzuschlagen. Der Bebauungsplan steht allerdings noch aus.
> B wie Baustelle: Anfang März beginnt die Stadt mit der Sanierung der Karlsruher Straße. Dabei werden unter anderem Gasleitungen und Abwasserkanal erneuert und Leerrohre für Glasfaserkabel verlegt. Auch Fuß- und Radwege werden neugestaltet. Bisher gingen die Arbeiten deutlich schneller voran als geplant. Zurzeit befindet sich die Baustelle im fünften von sechs Abschnitten.
> C wie Corona: Kein anderes Thema hat die Welt in den vergangenen Monaten so geprägt wie die Corona-Pandemie. Um sie zu bekämpfen, wird das öffentliche Leben in Schwetzingen stark eingeschränkt (siehe "L"). Neu ist unter anderem die Maskenpflicht im öffentlichen Raum, die seit Ende Oktober in bestimmten Bereichen der Innenstadt gilt.
> D wie Drive-In: Im März eröffnet der Rhein-Neckar-Kreis in Schwetzingen eine mobile Corona-Teststation nach dem "Drive In"-Prinzip. Potenziell Infizierte können dort mit dem Auto vorfahren und einen Abstrich abgeben, ohne ihren Wagen zu verlassen. Das medizinische Personal kommt von der GRN-Klinik und einer Leihfirma. Auch Medizinstudenten helfen mit. Ein paar Monate später zieht das Testzentrum um nach Reilingen.
> E wie Ernte: Als Deutschland im Frühjahr wegen der Pandemie seine Grenzen dicht macht, stehen die Spargelbauern vor einem Riesenproblem: Wer hilft ihnen nun bei der Ernte? Manche ließen ihre Helfer schon vorher einfliegen, andere wagen die Ernte mit Freiwilligen. Schließlich werden die Einreiseregeln doch gelockert. Aber durch die Schließung der Restaurants brechen den Landwirten wichtige Einnahmen weg. Viele retten sich mit dem Direktverkauf im eigenen Hofladen.
> F wie Fahrradfreundlich: Neue Wege und mehr Parkplätze für Radler sind ein Ziel des städtischen "Integrierten Klimaschutzkonzepts". Im Oktober erklärt Oberbürgermeister René Pöltl, man habe Experten damit beauftragt, ein Konzept für den Radverkehr in der Innenstadt zu erarbeiten. Die Planer sollen unter anderem nach neuen Parkmöglichkeiten für Drahtesel suchen.
> G wie Gedenken: Am 22. Oktober 1940 rissen die Nationalsozialisten mehrere jüdische Bürger aus Schwetzingen gewaltsam aus ihrem Leben. Genau 80 Jahre später erinnert der Oberbürgermeister gemeinsam mit Kirchenvertretern, Gemeinderäten, Bürgern und Ehrenamtlichen an die sogenannte Oktoberdeportation, bei der tausende badische Juden in das französische Internierungslager Gurs verschleppt wurden.
> H wie Hilfsbereitschaft: Im Lockdown im Frühjahr zeigen die Schwetzinger, dass sie in der Krise zusammenhalten. Während die einen für Risikogruppen einkaufen gehen, spenden andere Geld für den Tafelladen oder nähen Masken für den guten Zweck. Nach der Schließung ihrer Lokale verschenken einige Gastwirte ihre Speisen und Lebensmittel an die Tafeln oder kochen kostenlos für Bedürftige.
> I wie Isolation: Vor allem ältere Menschen leiden unter den Kontaktbeschränkungen zur Bekämpfung der Pandemie. In Alten- und Pflegeheimen sind Besuche wenn überhaupt nur noch unter strengen Auflagen möglich. Auch Zuhause leiden viele unter der sozialen Isolation. Trost kommt von der Nachbarschaftshilfe der evangelischen Kirchengemeinde. Deren Leiterin hält unter anderem per Brief Kontakt zu den Senioren.
> J wie Jubiläum: Die Rheinbahn feiert im Corona-Jahr 2020 ein stilles Jubiläum. Vor 150 Jahren, am 4. August 1870, hielt in der Spargelstadt der erste Zug der neuen Bahnlinie von Mannheim über Schwetzingen nach Karlsruhe. Die Rheinbahn machte die Spargelstadt zu einem wirtschaftlichen Mittelzentrum und wichtigen Knotenpunkt für den Eisenbahnverkehr in der Region.
> K wie Klimawandel: Weil sich die Innenstadt im Sommer immer mehr aufheizt, will die Kommune mehr Grünflächen schaffen. Der neue Teilrahmenplan "Grüne Lungen" sieht vor, im Zentrum weniger Flächen zu versiegeln. Außerdem will man die Bürger motivieren, wieder Flächen zu entsiegeln. Auch die Feuerwehr muss sich mit dem Thema auseinandersetzen: Das neue Löschgruppenfahrzeug verfügt über eine Spezialausrüstung zur Bekämpfung von Flächenbränden. Die hätten aufgrund des Klimawandels zugenommen, erklärt Kommandant Walter Leschinski.
> L wie Lockdown: Mitte März trifft die Corona-Pandemie das Land zum ersten Mal mit voller Wucht. Binnen weniger Tage wird das öffentliche Leben fast komplett heruntergefahren. Veranstaltungen werden abgesagt, Schulen, Kitas, Restaurants, Hotels und Geschäfte müssen schließen. Auch Sport- und Spielplätze sind tabu. Zwei Monate lang beschränken die Menschen ihre Kontakte auf ein Minimum. Im Sommer werden die Regeln gelockert – bis Bund und Länder im November einen "Lockdown light" ausrufen. Diesmal bleiben Geschäfte, Schulen und Kitas geöffnet. Doch weil die Infektionszahlen steigen, geht Deutschland am 16. Dezember wieder in einen "harten" Lockdown.
> M wie Miss Baden-Württemberg: Die ehemalige Stadträtin Weihua Wang hat viele Seiten: Unternehmensberaterin, Politikerin, Kulturvermittlerin, Podcasterin – und bald auch Miss Germany? Im Dezember wird die 26-Jährige zur Miss Baden-Württemberg gekürt. Als diese vertritt sie ihr Bundesland nun beim Finale der "Miss Germany"-Wahl am 27. Februar im Europa-Park in Rust.
> N wie neue Wege: Die Corona-Krise zwingt gesellschaftliche und kulturelle Einrichtungen zum Umdenken. Um die Menschen trotz Kontaktbeschränkungen zu erreichen, übertragen die Kirchengemeinden ihre Gottesdienste nun über das Internet. Auch das Theater am Puls muss umdisponieren: Im Sommer führt das Haus mehrere Stücke im Schwetzinger Schlossgarten auf – unter freiem Himmel und vor einzigartiger Kulisse.
> O wie Oase: In der Krise zeigt sich, wie wichtig den Schwetzingern ihr Schlossgarten ist. Als das historische Monument am 18. März geschlossen wird, ist die Enttäuschung unter Einheimischen wie Besuchern groß. Der Schlosspark ist ihre grüne Oase, wo sie die Seele baumeln lassen können. Umso größer ist die Freude, als der Garten Anfang Mai seine Tore wieder für Besucher öffnet. Seit dem 1. November ist der Schlossgarten allerdings wieder geschlossen – und zwar bis mindestens 10. Januar.
> P wie Personalwechsel: Der Stadtmarketing-Verein hat eine neue Geschäftsführerin. Beate Bodin-Tülin arbeitete früher für namhafte Unternehmen wie Südzucker, ABB oder SAP und bringt frischen Wind mit. Auch bei der Schwetzinger Carneval-Gesellschaft gibt es ein neues Gesicht: Beim 61. Herrenfrühstück tritt Stefan Rinklef zum ersten Mal als neuer Churfürst auf. Fast zeitgleich wird Anna Schuhmacher zur neuen Spargelkönigin gekürt. Sie löst im Februar ihre Vorgängerin Janine Renkert ab.
> Q wie Quittung: Die Corona-Pandemie wirkt sich massiv auf die Finanzen der Kommunen aus. In Schwetzingen kommt man 2020 mit einem blauen Auge davon. Dank einer Finanzspritze von Bund und Ländern fallen die Mehrkosten kaum ins Gewicht. Die Quittung kommt später. Viele Stadträte sorgen sich schon jetzt ums Ersparte und wollen Steuern und Gebühren erhöhen.
> R wie Radschnellweg: In 35 bis 45 Minuten im Neuenheimer Feld sein – das soll ein neuer Radschnellweg zwischen Schwetzingen und Heidelberg ermöglichen. Im September unterzeichnen Vertreter aus Schwetzingen, Heidelberg, Eppelheim und Plankstadt eine Planungsvereinbarung. Weil das zuständige Regierungspräsidium Karlsruhe mit anderen Projekten ausgelastet ist, nehmen die Kommunen das Vorhaben selbst in die Hand. Schwetzingen übernimmt die Federführung und tritt gemeinsam mit den anderen Kommunen in Vorkasse.
> S wie Spargelbäuerin: "Lebenswerk" heißt das riesige Porträt, das Street-Art-Künstler Hendrik Beikirch im Juni auf eine Hauswand zwischen Mühlenstraße und Heidelberger Straße malt. Das vom Leben gezeichnete Gesicht gehört Ilse Fackel-Kretz, einer alteingesessenen Spargelbäuerin. Es ist eine Hommage an das Lebenswerk der über 80-Jährigen und an Schwetzingen als Spargelstadt. Außerdem verschönert das Porträt eine Wand, die einigen als "Schmuddel-Ecke" ein Dorn im Auge war.
> T wie Tabak: Dass Schwetzingen einmal eine Hochburg des Tabakanbaus und der Zigarrenherstellung war, ist kaum noch sichtbar. An das historische Erbe erinnert eine Motiv-Bank, die im Sommer in der Nähe des Bahnhofs aufgestellt wird. Gemeinsam mit anderen Kommunen hat die Stadt bei der Unesco einen Antrag auf Aufnahme in die Liste der Kulturerbe-Stätten gestellt.
> U wie Unwetter: Am 12. August zieht ein Sturm über die Region hinweg, der ein Bild der Verwüstung hinterlässt: heruntergefallene Dachziegeln, umgestürzte Bäume, abgebrochene Äste, umgekippte Bauzäune und Schilder. Die Feuerwehr ist an diesem und am darauffolgenden Tag unermüdlich im Einsatz, um die Schäden des Unwetters zu beseitigen.
> V wie Vielfalt: Seit Ende November ist im Schlossgarten ein ungewöhnlicher Helfer im Einsatz: Der italienische Wasserhund "Snoopy" soll dort nach Trüffeln suchen und damit helfen, den Park zu retten. Der leidet nämlich stark unter der Trockenheit der vergangenen Sommer. Allein in diesem Jahr mussten 70 Bäume gefällt werden. Mithilfe des "Trüffelhunds" wollen Experten die Artenvielfalt dokumentieren und sehen, welche Pilze dort wachsen. Die spielen nämlich eine wichtige Rolle für die Ernährung von Pflanzen.
> W wie Wohnraum: Seit Januar hat die Stadt eine eigene Wohnbaugesellschaft, die mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen soll. Ziel des Unternehmens ist es, die Zahl der kommunalen Wohnungen von 350 auf etwa 500 zu erhöhen. Der offizielle Spatenstich für das erste Projekt fällt am 1. Dezember in der Lindenstraße 56. Dort entsteht ein Haus mit sechs Wohnungen. Ein Jahr später sollen die ersten Mieter einziehen.
> X wie Xylon: Auch das Xylon-Museum wird 2020 von der Pandemie ausgebremst. Seit dem Tod von Gründer Otto Mindhoff im November 2019 leitet dessen Frau Gudrun die Xylon-Werkstätten. Die künstlerische Leitung des Museums liegt nun in den Händen der Kunsthistorikerin und Galeristin Kristina Hoge. Um den organisatorischen Part kümmert sich Wolfgang Naumer, der auch Vorsitzender des Xylon-Vereins ist. Zwei Ausstellungen kann das Museum 2020 ausrichten, die dritte wird vom November-Lockdown gestoppt. Auch das Projekt eines Otto-Mindhoff-Preises für Druckgrafik mussten die Verantwortlichen vorerst auf Eis legen.
> Y wie Youtube: Kein Weihnachtsmarkt, keine Glühweinabende und keine großen Konzerte – die Pandemie macht Weihnachten zu einem sehr stillen Fest. Und weil auch der Neujahrsempfang ausfällt, richtet sich der OB mit einem digitalen Weihnachtsgruß an die Schwetzinger – abrufbar über Youtube.
> Z wie Zukunft: Um die Schimper-Gemeinschaftsschule fit für die Zukunft zu machen, geben Schwetzingen, Oftersheim und Plankstadt als Schulträger viel Geld aus. Derzeit summieren sich die Kosten für den Neubau auf rund 36 Millionen Euro. Eigentlich sollte das neue Gebäude im Herbst 2020 fertig sein – doch die Corona-Krise macht den Planern einen Strich durch die Rechnung. Neuer Termin ist nun das zweite Quartal 2021.