Heidelberg: So ging das altehrwürdige Hotel "Zum Ritter" pleite
Von Sebastian Riemer
Heidelberg. Mehrere Bundespräsidenten haben hier übernachtet. Nelson Mandela war ebenso Gast wie Schauspieler Terence Hill, Nobelpreisträger Günter Grass und Barack Obamas Schwester Auma. Sogar Mitglieder der japanischen Kaiserfamilie schliefen hier. Und Victor Hugo war vom Ritter so verzaubert, dass er anno 1838 schrieb, nur dessen Fassade allein sei würdig, "mit dem Schloß in einem Atemzug genannt zu werden".
Das älteste Bürgerhaus der Altstadt wurde 1592 erbaut, die letzten gut 350 Jahren diente es als Gasthaus. Doch jetzt steht das historische Gebäude in der Hauptstraße mit seinen 37 Zimmern leer – und niemand weiß, wie es weitergeht. Der Abstieg des Traditionshotels ist eine Heidelberger Tragödie.
Die Insolvenz
Die "Hotel Zum Ritter St. Georg Hotelbetriebsgesellschaft Heidelberg GmbH", die das Hotel in den letzten Jahren gepachtet hatte, ist insolvent. Alle 33 Mitarbeiter wurden entlassen, das Haus vorletzte Woche offiziell den Eigentümern, der Familie Kuchelmeister, zurückgegeben. "Ich musste direkt nach der Insolvenzeröffnung Masseunzulänglichkeit anzeigen", sagt Insolvenzverwalter Martin Obermüller. Im Klartext: So wie es momentan aussieht, sind keinerlei Geld oder andere Werte mehr da. "Die Insolvenzmasse reicht aktuell nicht einmal aus, um Verfahrenskosten oder Gehälter der Mitarbeiter zu bezahlen", so Obermüller.
Da manche Mitarbeiter schon seit Jahrzehnten im Ritter arbeiteten, konnten ihre Verträge zum Teil erst zum 31. Juni 2021 gekündigt werden. Gehalt bekommen sie nun aber dennoch keines mehr. "Meine Aufgabe ist nun die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger", sagt Obermüller, der nun untersucht, ob nicht doch noch irgendwo etwas zu holen ist. Er verwaltet das Insolvenzverfahren seit 1. März, zuvor waren die Ritter-Betreiber mit einem Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung gescheitert.
Mit der Insolvenz endet ein sechs Jahre langes Intermezzo: 2015 war der Ritter Teil der damals neu gegründeten Schweizer "Castlewood Hotels and Resorts AG" von Martin Smura geworden. Der Mann ist kein Unbekannter: Nachdem er vor rund 30 Jahren im Europäischen Hof in Heidelberg Hotelkaufmann gelernt hatte, machte er eine atemberaubende Karriere. Zuletzt war Smura 18 Monate lang Vorstandschef der Luxushotelgruppe Kempinski. Seine Frau Kateryna Smura leitet die Castlewood AG – und von August 2019 bis Juni 2020 auch die für den Ritter gegründete, jetzt insolvente Betriebsgesellschaft.
Im Juni 2020 übernahm dann die US-Investorengruppe "Premier Finance" einen Teil der Castlewood Hotels – auch die Betriebsgesellschaft für den Ritter. Um das Management des Hotels kümmerte sich aber weiterhin die Castlewood AG, sozusagen als Dienstleister.
Die Sicht der Insider
Die große Frage: Ist (nur) Corona schuld an der Insolvenz? Zahlreiche ehemalige Mitarbeiter, Reiseveranstalter und Lieferanten des Hotels erzählen eine andere Geschichte. Demnach ging es seit 2015 stetig bergab. Im Jahr zuvor hatte Nicolaas Bootsma, der heute das Hotel Bergheim 41 betreibt, den "Ritter" nach fast 20 Jahren abgegeben. Mit dem Betreiberwechsel änderte sich dann offenbar vieles: "Die Wertschätzung für die Mitarbeiter fehlte", sagt einer, der schon unter Georg Kuchelmeister, der das Haus von 1971 bis 1996 selbst betrieben hatte, im Ritter angestellt war.
Andere Ritter-Veteranen berichten das Gleiche: Kollegen seien rausgeekelt, Personal abgebaut, viel zu viele Überstunden gemacht worden. Gehälter wurden manchmal nur in Raten überwiesen, auch mit der Einzahlung in die Betriebsrente gab es Probleme. Die Hotelchefs wechselten häufig, dem Personal fehlten oft die Ansprechpartner. "Es ging nicht selten chaotisch zu", so ein langjähriger Mitarbeiter.
Weil Rechnungen teilweise erst mit monatelanger Verspätung gezahlt wurden, sprangen immer wieder Lieferanten ab – oder lieferten nur noch gegen sofortige Barzahlung. "Man musste seinem Geld hinterherrennen", meint einer von ihnen. Ein anderer wartet bis heute auf einen fünfstelligen Betrag – und sagt: "Wir haben seit Jahrzehnten den Ritter beliefert. Diese Probleme gab es vor 2015 nie." Vielen Lieferanten taten die Ritter-Mitarbeiter leid. "Die haben engagiert gearbeitet – aber auf der Führungsebene lief da einfach zu viel schief", erklärt die Chefin eines Zulieferers.
Auch Reiseleiter, die regelmäßig Reisegruppen von bis zu 200 Leuten zum Essen in den Ritter brachten, berichteten der RNZ, dass Essen und Service nach 2015 schlechter wurden. "Da mussten teilweise Büroleute beim Servieren aushelfen", erzählt die Angestellte eines Reiseveranstalters.
Die Sicht der Ritter-Manager
"Die Situation ist allein der Pandemie geschuldet", sagt Castlewood-Geschäftsführerin Kateryna Smura. Bis Corona kam, sei man auf einem guten Weg gewesen, habe zu Beginn auch gut mit den Verpächtern zusammengearbeitet. "Es gelang seit 2015, das Haus zu modernisieren und auch, es von drei auf vier Sterne anzuheben", sagt Smura. Im wichtigen Reiseportal "Tripadvisor" habe sich der Ritter von Platz 57 unter die besten zehn Hotels in Heidelberg vorgearbeitet.
Es habe aber auch Probleme gegeben: Zwar hätten Kuchelmeisters 2015 über eine Million Euro in eine Sanierung gesteckt, dennoch habe man "von Beginn an mit der altersbedingt mangelhaften Bausubstanz gekämpft", sagt Smura. Wegen der maroden Elektrik habe es mehrfach gefährliche Schmorbrände gegeben. "Das Verhältnis zu den Verpächtern des Hauses kühlte sich infolge dieser Mängelrügen spürbar ab." Dennoch sei man Ende 2019 wieder auf einem guten Weg gewesen. "Wir haben ein neues Konzept gemacht, und die Eigentümer wollten die Elektrik erneuern", so Smura. "Ich bin sicher: Ohne Corona stünden wir heute sehr gut da." Der Plan sei gewesen, den Ritter langfristig erfolgreich und auch wieder zum "Wohnzimmer der Heidelberger" zu machen. Doch dann kam der Lockdown – und damit sei eine "Anpassung des Pachtvertrags unumgänglich" geworden. Dem wiederum hätten sich die Kuchelmeisters aber versperrt. "Sie machten keinerlei Zugeständnisse", sagt Smura.
Trotz Corona übernahm im Juni 2020 die Premiere-Finance-Gruppe das Hotel. Deren Manager Stewart Massey sagt gegenüber der RNZ: "Wir sahen durchaus eine positive Fortführungsperspektive unter der Prämisse, dass die Pandemie einigermaßen zügig abklingen würde und die Eigentümer wie auch die wichtigsten Lieferanten wieder zu Gesprächen und selbstverständlich auch finanziellen Zugeständnissen bereit sein würden." Doch es kam anders: Corona schlug im Herbst erneut zu, die Eigentümer kündigten im Dezember den Pachtvertrag – die Insolvenz war nicht mehr abzuwenden.
Viele der Vorwürfe von Mitarbeitern und Lieferanten kann Kateryna Smura nicht ganz nachvollziehen, sieht einiges anders. Sie sagt aber doch: "Unser größtes Versäumnis war: Wir hätten besser kommunizieren müssen. Das nehme ich mir wirklich zu Herzen."
Die Sicht der Eigentümer
Die Eigentümer, die Erben des 2010 verstorbenen Georg Kuchelmeister, stehen selbst auf der Gläubigerliste der insolventen Gesellschaft. "Als vor einem Jahr der erste Lockdown kam, wurden die Pachtzahlungen komplett gestoppt", sagt Martin Hess von der Odenwald Treuhand, der die Eigentümer vertritt. "Es fehlt ein mittlerer sechsstelliger Betrag", so Hess.
Doch schon zuvor habe es Probleme und aus Sicht der Kuchelmeisters immer wieder Vertragsverstöße gegeben: "Die Pachtzahlungen flossen schon vor Corona nicht in geordneter Form", so Hess. Gekündigt habe man den Pächtern dennoch erst im Dezember 2020, als endgültig klar war, dass die Betreiber nicht mehr auf die Beine kommen.
Die Zukunft des Ritter
"Es gibt bereits viele Interessenten für den Ritter", sagt Martin Hess. Ob zur Pacht oder zum Kauf, täglich klingele das Telefon bei den Eigentümern: "Das Haus bleibt aber auf jeden Fall in Familienbesitz, einen Verkauf des stadtbildprägenden Hauses schließen die Kuchelmeisters aus." Man werde nun eine Strategie erstellen und sich den Bestand ganz genau anschauen – um den Ritter sobald wie möglich wieder als Hotel eröffnen zu können. Man werde alles tun, um "einen Fehlgriff wie bei den letzten Pächtern zu verhindern".