Weinheim: Zahl der "Freudenberger" sank um vier Prozent (Update)
Weinheim. (keke) Trotz Corona und Pandemie-bedingter Unwägbarkeiten: "Der Technologiekonzern Freudenberg als Weinheims größter Arbeitgeber ist bisher gut durch die Krise gekommen", heißt es aus dem Munde des Vorstandsvorsitzenden Mohsen Sohi. Die Unternehmensgruppe veröffentlichte Anfang der Woche ihre Bilanz des Jahres 2020. Wie bereits im Vorjahr konnte die Konzernspitze das Zahlenwerk nicht im Verlauf eines großen Pressetermins im Hermannshof vorstellen (siehe unten). Trotzdem hat sich viel getan am Stammsitz.
> Die Zahl der Mitarbeiter in Weinheim: Freudenberg beschäftigte zum Stichtag, 31. Dezember 2020, am Standort Weinheim 4145 Menschen. Gegenüber dem Vorjahr (4329 Mitarbeiter) sind dies 184 Mitarbeiter weniger. Das entspricht einem Rückgang von vier Prozent. Das Minus lasse sich primär durch Personalmaßnahmen in der Dichtungssparte "Freudenberg Sealing Technologies" erklären, so ein Firmensprecher: In der Simmerring-Produktion in der Zweiburgenstadt wurden knapp 100 Stellen abgebaut. Betriebsbedingte Kündigungen schlugen dabei jedoch nicht zu Buche.
> Investitionen in Weinheim: Innerhalb von Deutschland wurden im vergangenen Jahr rund 85 Millionen Euro (2019: 110 Millionen Euro) investiert. Im laufenden Geschäftsjahr sind Investitionen von 100 Millionen Euro vorgesehen. 40 Millionen Euro entfallen dabei auf den Stammsitz, 60 Millionen auf Standorte außerhalb. Im Vorjahr waren in Weinheim rund 20 Millionen Euro unter anderem in "Freudenberg Performance Materials" (Einlagen und Segmente für die Textilindustrie) und "Freudenberg Filtration Technologies" (Luft- und Flüssigkeitsfiltration) investiert worden.
Bei "Freudenberg Filtration Technologies" soll im Laufe des Jahres ein umfangreiches Investitionsprogramm aufgelegt werden, zur Prozessoptimierung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. In der Produktion ersetzt eine neue automatisierte Fertigungslinie für Taschen bisherige Anlagen. Für die interne Logistik ist der Einsatz von fahrerlosen Transportfahrzeugen geplant.
Die Investition in die Sparte "Freudenberg Performance Materials" trägt dazu bei, Gasdiffusionsanlagen auf industriellem Niveau vollständig im eigenen Haus zu produzieren. Einlagen für den europäischen Massenmarkt stellt das Unternehmen bisher in Weinheim her. Hochwertige Plackeinlagen für den europäischen Luxusmarkt produziert der Hersteller an seinem Standort im süditalienischen Sant’Omero.
> Die Verlagerung von Arbeitsplätzen: Der Bedarf für die hochwertigen Einlagestoffe in Europas Textilbranche geht zurück. Die Corona-Krise hat diesen Trend verstärkt. Der Massenmarkt im mittleren Preissegment ist rückläufig. Die Einlagenproduktion in Weinheim sei daher seit mehreren Jahren nicht ausgelastet, so der Konzern. Er plant nun, sich in Weinheim auf die Herstellung von Basismaterial zu konzentrieren. Die Veredelung und Beschichtung soll bis Ende 2022 in Sant’Omero gebündelt werden. Bis dahin wären in Weinheim die Jobs von voraussichtlich 176 Menschen betroffen.
Sant’Omero soll zum Kompetenzzentrum für Veredelung und Beschichtung ausgebaut werden. Kunden profitierten dann zum Beispiel von maßgeschneiderten Lösungen, schnelleren Durchlaufzeiten und zeitnäheren Lieferungen, so die Arbeitgeberseite. Bis zum Start der Anlagenverlagerung würde in Weinheim weiterproduziert, mindestens das gesamte Jahr 2021. Die Leitung des betroffenen Firmenszweigs habe Gespräche mit dem Betriebsrat aufgenommen, um sozial verträgliche Lösungen zu finden, heißt es.
> Entwicklungen im Industriepark: Mit den 1949 (Vorjahr: 1979) Mitarbeitern von 30 Fremdfirmen waren im Weinheimer Industrie- und Technologiepark 6094 (Vorjahr: 6308) Menschen beschäftigt. Insgesamt sind hier 33 "Fremdfirmen" ansässig. Im März 2020 war mit der Firma "Edag" eine neue Mieterin eingezogen. Das Unternehmen ist als Vorreiter auf den Zukunftsfeldern der Mobilität unterwegs. Stichworte: autonomes Fahren, Elektromobilität, Batterie- und Brennstoffzellen-Technologie. Damit liefert die Firma die ideale Ergänzung zu den Entwicklungen und Innovationen der Brennstoffzellen-Technologie, die die Freudenberg-Gruppe seit 20 Jahren voranbringt.
Auf ein weiteres, rund 2000 Quadratmeter großes Grundstück zieht aller Voraussicht nach ein Hochtechnologieunternehmen aus dem Bereich der optischen Technologien. Entsprechende Verhandlungen seien im vierten Quartal abgeschlossen worden, so die Konzernkommunikation. Die Firma plant hier unter anderem die Errichtung der Unternehmenszentrale. Aktuell ist im Industrie- und Technologiepark nur noch ein Grundstück mit circa 1300 Quadratmetern Fläche verfügbar.
> Die Ausbildung: Im Jahr 2020 hatten bei der Freudenberg-Gruppe in Deutschland 120 junge Menschen (Vorjahr: 124) ihre Ausbildung begonnen. Zum Stichtag, 31. Dezember 2020, bildete Freudenberg 508 (Vorjahr: 510) Frauen und Männer aus. Davon waren 402 bei der Freudenberg-Gruppe in Deutschland sowie 106 bei Verbundunternehmen in Weinheim beschäftigt. 62 (Vorjahr: 88) Jugendliche starteten am 1. September 2020 bei den Gesellschaften der Freudenberg-Gruppe und bei Verbundpartnern ihre Ausbildung.
Zusätzlich begannen sechs (Vorjahr: drei) Geflüchtete – finanziert über das Freudenberg-Spendenprojekt – eine Ausbildung zum Maschinen- und Anlagenführer sowie Elektroniker für Betriebstechnik. Jeweils 31 Jugendliche werden für die Freudenberg-Gruppe und 31 für Verbundpartner im Weinheimer Bildungszentrum ausgebildet. Zum Stichtag waren 239 (Vorjahr: 238) Auszubildende bei Freudenberg in Weinheim in Ausbildung, Verbundunternehmen eingeschlossen. Das moderne Bildungszentrum ermöglicht 21 Berufsausbildungen oder Studiengänge.
Gemischte Bilanz
Manche Sparten der Weinheimer Freudenberg Gruppe litten 2020 unter Corona, andere legten zu
Weinheim. (RNZ) Die Bilanz des Weinheimer Mischkonzerns Freudenberg für das vergangenen Jahr fällt gemischt aus: Während die Autosparte des Unternehmens in der Corona-Pandemie zu kämpfen hatte, legte das Unternehmen bei Reinigungsprodukten ("Vileda") zu. Das teilte Freudenberg am Dienstag in Weinheim mit.
Demnach war das wirtschaftliche Umfeld Anfang des vergangenen Jahres vor allem in den Sparten Auto, Maschinenbau und Textil "mehr als herausfordernd". Vor allem machte dem Konzern die schwächere Nachfrage der Autoindustrie zu schaffen. Dagegen überschritt die Sparte Reinigungsprodukte erstmals die Marke von einer Milliarde Euro Umsatz. Den Anstieg um mehr als elf Prozent erklärte der Konzern mit einer wachsenden Nachfrage nach Bodenreinigungstüchern, Handschuhen und anderen Tüchern in der Corona-Krise – auch, weil die Menschen wegen Homeoffice und Homeschooling deutlich mehr Zeit zu Hause verbrachten. Zudem legte das Geschäft mit medizinischem Zubehör zu. Dort waren Produkte wie diagnostische Verbrauchsmaterialien oder Katheter für Diagnostik und Bildgebung coronabedingt sehr gefragt.
"Diese unterschiedlichen, oft gegenläufigen Entwicklungen zeigen, wie wichtig die breite Aufstellung von Freudenberg ist", erklärte Konzern-Chef Mohsen Sohi und fügte hinzu: "Wir haben die Krise bisher vergleichsweise gut gemeistert."
Die Corona-Pandemie machte sich für den Mischkonzern noch in einer weiteren Hinsicht bemerkbar: Im März, als die Nachfrage nach OP- und FFP2-Masken anzog, fällte Freudenberg die Entscheidung, in die Produktion einzusteigen. Mehrere Geschäftsgruppen begannen mit der Entwicklung verschiedener Materialien für Schutzmasken. Innerhalb weniger Wochen baute der Technologiekonzern eine Produktion am Standort in Kaiserslautern auf und stieg eigenen Angaben nach schlagartig zu einem der größten Hersteller weltweit auf.
Trotz der besonderen Herausforderungen im zurückliegenden Jahr ist Freudenberg eigenen Angaben zufolge auch bei seinen "strategischen Schwerpunktthemen" E-Mobilität, Digitalisierung und Nachhaltigkeit "gut vorangekommen". So will der Konzern den CO2-Ausstoß bis 2025 um 25 Prozent reduzieren. Zudem setzt man sich mit Möglichkeiten und Kosten der Klimaneutralität auseinander: Ziel ist es den Angaben zufolge, den Energieverbrauch zu reduzieren, den verbleibenden Energiebedarf zu elektrifizieren, Ökostrom einzukaufen und CO2-Emissionen zu kompensieren.
Außerdem biete der Konzern Produkte und Lösungen an, die seinen Kunden helfen sollen, effizienter und nachhaltiger zu werden. Dazu zählen Freudenberg zufolge unter anderem Materialien für umweltfreundliche Kleidung – etwa Wattierung aus nachhaltig produzierter Zellulosefaser für Sport-und Outdoor-Kleidung, die sich schnell zersetzt.
Für das laufende Jahr erwartet der Vorstandsvorsitzende – nach der weltweiten Konjunkturabschwächung 2020 – eine Erholung. Das Vorkrisenniveau aber wird der Konzern seiner Einschätzung nach erst in einigen Jahren wieder erreichen. "Die wirtschaftlichen und geopolitischen Unsicherheiten für das Jahr 2021 sind besonders groß", erklärte Sohi am Dienstag. Größter Unsicherheitsfaktor blieben die Covid-19-Pandemie und deren Auswirkungen auf die Märkte der Gruppe – vor allem mit Blick auf die Autoindustrie.
"Vor diesem Hintergrund planen wir für das kommende Jahr vorsichtig und gehen von einer verhaltenen Erholung der Geschäftsentwicklung in den für die Unternehmensgruppe relevanten Märkten aus", sagte Sohi. Dabei will er weiterhin in langfristige Projekte investieren – vor allem in strategische Themen wie den Wandel in der Mobilität, Digitalisierung und Nachhaltigkeit.
Update: Dienstag, 30. März 2021, 20 Uhr