Sinsheim: Diesmal traf das Unwetter Rohrbach (Update plus Fotogalerie)
Von Tim Kegel und Christian Beck
Sinsheim-Rohrbach. Erneut hat ein schweres Unwetter über Sinsheim gewütet: Extreme Donnerschläge, viele Blitze und Starkregen mit laut Wetterdiensten bis zu 70 Liter pro Quadratmeter versetzten am frühen Donnerstagnachmittag die Bevölkerung in Sorge und die Feuerwehren in Alarmbereitschaft. Am stärksten betroffen war Rohrbach.
Genährt vom Wasser der Felder rund um den Ort, trat das Bächlein im Bruchgraben im Bereich der Ortsmitte aus seinem Bett; phasenweise musste die Ortsdurchfahrt gesperrt werden. Die Kanalisation konnte die großen Wassermengen nicht bewältigen. Morast, Schlamm und Treibgut wurde auf Straßen und in Hofeinfahrten gedrückt, zahlreiche Keller und Einliegerwohnungen liefen voll. Häufig kam die Brühe von unten, beispielsweise über die Toilette. Bis zum Abend lagen das Geräusch von Martinshörnern der Einsatzfahrzeuge über der Stadt und der faulige Geruch von Morast, Algen und Brackwasser in der Luft.
Rund 20 Einsätze gab es nach Schätzungen der Feuerwehr vom Nachmittag allein in Rohrbach; einem Ort, der in Sachen Starkregen bislang glimpflich davongekommen war. Der mit Abstand größte Schaden war im städtischen Kindergarten entstanden; dort drangen Wasser- und Schlammmassen von drei Seiten in den ebenerdigen Neubau ein.
Was dann folgte, war allein aufgrund seiner Schnelligkeit beachtlich: Am Firmament hingen noch anthrazitgraue Wolken, zuckten letzte Blitze, grollte ferner Donner. Im noch laufenden Feuerwehreinsatz finden sich nahezu das komplette Kindergarten-Team, teils aus dem Feierabend, und zahlreiche Eltern auf dem Grundstück zum Aufräumen ein. Infrastrukturamtsleiter Bernd Kippenhan trifft mit zwei Ingenieuren der Stadtverwaltung ein, wenig später Oberbürgermeister Jörg Albrecht und Bildungsamtschefin Carmen-Eckert Leutz. In Gummistiefeln eilt Ortsvorsteher Friedhelm Zoller an den am Ortsrand gelegenen Kindergarten – er hatte nach dem Unwetter selbst gerade gegen Wasser im Keller gekämpft. Rund 20 Feuerwehrleute sind mit Aggregaten, Eimern, Schläuchen und Industrie-Wassersauggeräten zugange, unterstützt vom städtischen "Schwarztrupp", der schnellen Eingreiftruppe des Infrastrukturamts.
Umgeben von staunenden Kindern wird ein Krisenstab gebildet, Kontakt zu Versicherungen aufgenommen. Es galt, "den Kindergartenbetrieb für den kommenden Tag zu sichern", sagte Albrecht. Ob es gelungen ist, war bis zuletzt unklar; aller Voraussicht nach müsse die Kleinkindkrippe am Freitag geschlossen bleiben. Kontakt zu einer Spezial-Reinigungsfirma wurde aufgenommen.
Für die Belegschaft, die das Gewitter hautnah erlebt hat, wirkten die Vorgänge schockierend: "Es hat nicht aufgehört", sagt eine Erzieherin. Die Straße vor dem Haus sei "ein Fluss gewesen", schließlich seien Wassermassen wohin man auch blickte ins Gebäude eingedrungen, schildern die Frauen und stehen barfuß mit Eimern und Schrubbern in der braunen Brühe. "Wir könnten grad heulen." Böden und Pflastersteine überzieht zäher Lehmschlamm, Regale, Bücher und Spielgeräte sind durchweicht, stehen schmutzig im Garten aufgereiht.
Die Ursachenforschung wird noch eine Weile dauern. Doch die Konstellation erinnert an Dühren, den Stadtteil, der in jüngster Zeit besonders schwer von urbanen Gewitterzellen heimgesucht worden war: Auch in Rohrbach liegt das besonders betroffene Gebiet trichterförmig entlang eines begradigten Bachlaufs, auch in Rohrbach waren Durchläufe mit den Wasser- und Lehmmengen überfordert. Und auch der Anbau von Feldfrüchten könnte einen Einfluss haben: Direkt an den Kindergarten grenzt ein großer Maisacker.
Vergleichsweise harmlos gestalteten sich die Einsätze in anderen Stadtteilen: Dühren kam dieses Mal glimpflich davon. Einige Male sei die Feuerwehr in Hoffenheim ausgerückt, berichtet Feuerwehr-Gesamtkommandant Michael Hess. Auch Sinsheim-Ost sei betroffen gewesen. Ein Anrufer habe berichtet, dass ein Auto in der Steinsfurter Unterführung stecke, vor Ort hätten die Einsatzkräfte aber niemand vorgefunden. Vereinzelt liefen Keller voll, waren Abschnitte des Kanals überlastet, etwa in der Straße "In der Au". Dort suchten zahlreiche Autofahrer im Wasser nach verlorenen Kennzeichen. Ins Reich der Legenden und Mythen gehört der Blitzeinschlag in ein Schnellrestaurant in der Neulandstraße, von dem in Social Media-Kanälen gesprochen wurde. Laut Hess wurde beim Unwetter niemand verletzt.
Bis zum späten Abend band der Einsatz in Rohrbach die Ressourcen der örtlichen und benachbarten Feuerwehrleute. Zu denken gibt deshalb, was passieren würde, wenn ein Großteil der Sinsheimer Stadtteile zeitgleich von Starkregen in der momentanen Größenordnung getroffen werden würde.
Laut Hess kamen alle Einsätze auf einmal. Zu allem Überfluss habe noch die Brandmeldeanlage am Krankenhaus ausgelöst, so dass mehrere Feuerwehrleute dorthin ausgerückt seien. Es habe sich jedoch um einen Fehlalarm gehandelt. Im Einsatz waren laut Hess die Kräfte aus Rohrbach, Steinsfurt, Hoffenheim sowie der Kernstadt.
Update: Donnerstag, 24. Juni 2021, 18.56 Uhr