Eiserne Jungfrau, Mundbirne & Co. : Weniger grausam als angenommen: Historiker entlarvt die Wahrheit hinter Folterinstrumenten aus dem Mittelalter
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Folter war im Mittelalter eine gängige Praxis der Bestrafung und Befragung. Doch sie war längst nicht immer so grausam, wie ihr nachgesagt wird.
Museen, Filme und auch historische Bücher: Überall werden Folterinstrumente aus der dunklen Zeit des Mittelalters vorgestellt – eins grausamer als das andere. Damit ließ sich bisher gut Kasse machen, weshalb viele der Ammenmärchen noch heute weit verbreitet sind. In den vergangenen Jahren haben Forschende sich die vermeintlichen Instrumente einmal näher angeschaut und haben festgestellt, dass viele von ihnen entweder gar nicht existierten oder man deren eigentlichen Zweck nicht nachweisen konnte.
Dass Folter im Mittelalter eine gängige und erlaubte Praxis war, ist nicht umstritten. Sehr wohl aber die blutrünstigen und brutalen Methoden. Die Forschenden gehen heute davon aus, dass die mittelalterliche Bevölkerung längst nicht so kreativ war, wie man es ihr heute gerne nachsagt. Manche der Folterinstrumente tauchen erst in späteren Jahrhunderten auf, was zu der Meinung führte, dass es sie auch schon im Mittelalter gegeben haben muss. Andere gab es schon zur Antike und manche sind schlichtweg erfunden.
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Die Mundbirne, auch "Birne der Qual" genannt
Der australische Historiker Chris Bishop hat sich die sogenannte Mundbirne einmal näher angeschaut. Das metallene Gerät ist in mehreren Museen zu finden, die darauf hinweisen, dass sie aus dem Mittelalter stammt. Dieser birnenförmige Gegenstand hat in der Regel ein Gewinde an der Spitze, der die birnenförmigen Flügel öffnet, wenn man das Gewinde dreht. Die Idee hinter der Mundbirne war angeblich, dass sie in den Mund des Opfers (oder sogar in die Vagina oder den Anus) eingeführt und dann geöffnet wird. Angeblich soll das Gerät so immense Schmerzen und Risse im Gewebe verursachen, die nur durch das Zurückschrauben der Flügel gelindert werden könnten.
Bishops Nachforschungen haben jedoch ergeben, dass Objekte, die sich selbst als "Pear of Anguish" ("Birne der Qual") bezeichnen, erstmals Mitte des 19. Jahrhunderts auftauchten. Es gibt einen Hinweis auf ein birnenförmiges Objekt, das von einem bekannten Verbrecher in Paris um die Wende des 17. Jahrhunderts benutzt wurde: Er ließ offenbar ein Gerät für sich entwickeln, mit dem er seine Opfer knebeln konnte. Darüber hinaus gibt es jedoch keine Hinweise auf ein solches Foltergerät aus dem Mittelalter. In der Tat zeigte eine sorgfältige Untersuchung dieser Geräte sogar, dass sie niemals zur Folter von Menschen verwendet werden konnten. Nicht nur, dass die Federn zu schwach gewesen wären, um eine Körperöffnung zu öffnen, sondern die Art und Weise, wie der Verschluss konstruiert war, bedeutete, dass er überhaupt nicht geöffnet werden konnte, wenn er sich in einer Körperöffnung befand.
Bishop hat einige Vorschläge, was dieses Gerät gewesen sein könnte: Es könnte bei chirurgischen Eingriffen als eine Art Spekulum benutzt worden sein oder auch zum Spreizen des Mundes bei zahnärztlichen Behandlungen. In der Psychiatrie soll es später verwendet worden sein, um Patient:innen das Sprechen zu verhindern. Aber genauso gut könnte die Mundbirne laut Bishop auch Schuhstrecker, Sockenspanner oder Handschuhspreizer sein.
Folter im Mittelalter? Die Eiserne Jungfrau
Die Existenz der Eisernen Jungfrau als Folterinstrument ist längst widerlegt – und dennoch hält sich das Gerücht hartnäckig, man hätte Menschen in eine Art eisernen Sarkophag gesteckt, der innen mit Nägeln beschlagen war. Sie sollen die darin befindliche Person aufgespießt haben, aber nur so weit, dass sie nicht direkt starb, sondern elendig darin verblutete. Der Schriftsteller Johann Philipp Siebenkees beschrieb gegen Ende des 18. Jahrhunderts in einem Reiseführer für die Stadt Nürnberg eine solche Eiserne Jungfrau zum ersten Mal.
© Gerhard Trumler/
Es ist wahrscheinlich, dass Siebenkees diese Geschichte nur erfunden hat, um Besucher anzulocken. Doch zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde die Eiserne Jungfrau in Nürnberg und anderen Orten ausgestellt – eines der Exemplare wurde sogar auf der Weltausstellung in Chicago im Jahr 1893 gezeigt. Obwohl die Eiserne Jungfrau von Nürnberg als Fälschung eingestuft wird, wird ihr noch immer nachgesagt, ein echtes mittelalterliches Foltergerät zu sein, von dem in einigen Büchern sogar behauptet wird, es sei bereits im 12. Jahrhundert n. Chr. verwendet worden.
Auch mit dieser Gruselgeschichte ließ sich gutes Geld verdienen: Wolfgang Schild, Professor für Strafrecht, Strafrechtsgeschichte und Rechtsphilosophie an der Universität Bielefeld, hat argumentiert, dass die mutmaßlichen Eiserne Jungfrauen aus Artefakten zusammengesetzt wurden, die in Museen gefunden wurden. Das Ziel: Spektakuläre Objekte für kommerzielle Ausstellungen zu schaffen.
Manches stammt gar nicht aus dem Mittelalter
Wenn man sich mit der Geschichte einiger sogenannter Foltergeräte befasst, dann haben nur wenige etwas mit dem Mittelalter zu tun. In einigen Fällen handelt es sich um Erfindungen aus jüngerer Zeit, andere wiederum stammen aus der Antike. Der Sizilianische Bulle wird häufig in Listen mittelalterlicher Foltergeräte aufgeführt, obwohl er wohl vom antiken griechischen Erzgießer Perilaos schon im 6. Jahrhundert v. Chr. erfunden wurde.
Auch die Folterbank wurde bereits in der Antike benutzt, doch wird sie heute mit dem Mittelalter in Verbindung gebracht. Wider jeden Beweis denken viele, dass jede Burg ein solches Gerät in ihren Kerkern stehen hatte. Eines dieser Exemplare ist im Tower of London zu sehen, wo es zusammen mit anderen Foltergeräten ausgestellt ist und doch gibt es keinen Hinweis auf seine Verwendung im Mittelalter.
Menschen im Mittelalter waren längst nicht so kreativ
Wie eingangs erwähnt, gab es durchaus Folter im Mittelalter, doch nicht immer so grausam, wie es ihm nachgesagt wird. Das Wenige, was wir über Foltermethoden wissen, deutet darauf hin, dass eher einfache Methoden angewandt wurden, wie beispielsweise das enge Fesseln mit Seilen.
Auch der Pranger war ein sogenanntes Folterinstrument, doch hat er den Menschen kaum geschadet. Er wurde beispielsweise von den städtischen Behörden im mittelalterlichen London eingesetzt, um verschiedene Verbrecher zu bestrafen.
So wurden mehrere Bäcker, die falsches Brot verkauft hatten, dazu verurteilt, einige Stunden gefesselt am Pranger zu verbringen, wo sie ihr gefälschtes Brot unter sich verbrennen mussten. Diese Strafe sollte sie demütigen und bloßstellen – körperlich erlitten sie vielleicht einen Muskelkater und eine kleine Rauchvergiftung. Verurteilte Frauen durften sogar einen Schemel benutzen, wenn sie an den Pranger geschickt wurden.
Quellen: "Medievalists.net", Paper: "The 'Pear of Anguish': Truth, Torture and Dark Medievalism", Wikipedia: "Eiserne Jungfrau"