Infantino weist Kritik an WM in Katar als "Heuchelei" zurück
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Einen Tag vor Beginn der Fußball-WM in Katar hat der Präsident des Weltfußballverbands Fifa, Gianni Infantino, Kritik an der Veranstaltung als "Heuchelei" zurückgewiesen. "Für das, was wir Europäer in den vergangenen 3000 Jahren getan haben, sollten wir uns für die nächsten 3000 Jahre entschuldigen, bevor wir anderen Moralpredigten halten", sagte Infantino am Samstag auf der Eröffnungspressekonferenz zur WM in Doha. Das deutsche Team bekräftigte unterdessen seine Absicht, die Einhaltung der Menschenrechte auch während der WM einzufordern.
Angesichts der massiven Kritik, die die Fifa wegen der Arbeitsbedingungen der Arbeiter auf den WM-Baustellen einstecken musste, sagte Infantino, der Weltverband habe sich um das Schicksal der Arbeiter gekümmert. Mit Blick auf LGBTQ-Rechte hätten ihm die katarischen Behörden zudem versichert, dass "jeder" während der Weltmeisterschaft "willkommen" sei. Homosexualität ist in Katar per Gesetz verboten.
Infantino erklärte sich zudem solidarisch mit diskriminierten Gruppen. Er fühle sich heute "als Katarer", "als Araber", "als Homosexueller", "als Behinderter" und "als Arbeitsmigrant", sagte er. Als Sohn italienischer "Wanderarbeiter" in der Schweiz wisse er, was Diskriminierung bedeute, sagte Infantino und verwies dabei auf seine persönliche Geschichte. So sei er als Kind unter anderem wegen seiner roten Haare, seiner Sommersprossen und seiner schlechten Deutsch-Kenntnisse diskriminiert worden.
Auch für die Kritik am Bierverkaufsverbot an den acht WM-Stadien zeigte Infantino kein Verständnis. Er persönlich glaube, "dass man drei Stunden ohne Bier überleben" könne. Schließlich würden in Frankreich, Spanien und Schottland die gleichen Regeln gelten.
Die am Sonntag beginnende Fußball-Weltmeisterschaft ist die erste in einem arabischen Land. Katar als WM-Gastgeber steht seit Jahren wegen seines Umgangs mit ausländischen Arbeitskräften, mit Frauen und Vertretern der LGBTQ-Gemeinschaft in der Kritik. Die englische Abkürzung LGBTQ steht für lesbisch, schwul, bisexuell, transgender und queer.
"Was im Moment passiert, ist zutiefst, zutiefst ungerecht", sagte Infantino und verwies angesichts der Kritik an der WM auf deren sich abzeichnenden kommerziellen Erfolg. Insgesamt werde die Veranstaltung der Fifa etwa "600 bis 700 Millionen Dollar mehr einbringen als die letzte WM" im Jahr 2018 in Russland. Wenn so viele Menschen auf der ganzen Welt "so viel Geld in die WM in Katar" investierten, dann deshalb, "weil sie an die Fifa glauben" und Katar "vertrauen", sagte Infantino.
Mehrere westliche Nationalmannschaften bekräftigten derweil ihre Absicht, Menschenrechte während der WM zu thematisieren. So kündigten die Kapitäne mehrerer Nationalmannschaften, darunter Deutschland, England, Belgien und Dänemark an, eine "One-Love"-Armbinde zu tragen, die für Vielfalt und Toleranz stehen soll.
Er habe "die volle Rückendeckung" des DFB und "keine Angst" vor möglichen Konsequenzen seitens der Fifa, sagte Deutschlands Nationalmannschaftskapitän Manuel Neuer am Samstag bei einer Pressekonferenz im Trainingslager der deutschen Mannschaft in Al-Schamal im Norden Katars. Neuer betonte, die "Macht der Armbinde" sei größer, wenn mehrere Länder sie trügen.
Die Fifa kündigte derweil eigene "Kampagnen" rund um Klimaschutz, Bildung und Kinderschutz an, machte aber keine klaren Angaben dazu, wie sie auf Botschaften auf den Kapitänsbinden reagieren würde. "Wir gehen davon aus, dass wir die Binde weiterhin tragen können", sagte DFB-Geschäftsführer Oliver Bierhoff. Es wirke so, als ob die Fifa "keine klare Haltung" dazu habe.