Autobauer: VW-Aktionäre klopfen Porsche-Börsengang ab
Das Börsendebüt der Porsche AG werten viele Anleger als Erfolg. Der Kurs der VW-Tochter legte seither deutlich zu. Beim Gesamtkonzern sieht es anders aus.
19,06 Euro extra pro Aktie - diese Summe bekommen die Anteilseigner von Volkswagen aus dem Gesamterlös des Börsengangs der Tochter Porsche. Doch trotz der Sonderdividende waren am Freitag zur außerordentlichen Hauptversammlung in Berlin nicht alle Anleger komplett zufrieden.
Die Dominanz des Porsche/Piëch-Clans, die Doppelrolle von Oliver Blume als neuer Konzern- und gleichzeitiger Porsche-Chef, Höhe und Zahlungstermin der zusätzlichen Ausschüttung aus der Ausgabe von Vorzugsaktien und dem Verkauf von Stammaktien der Porsche AG: Das waren nur einige strittige Punkte in der Aussprache zwischen der Spitze des Wolfsburger Autobauers und Aktionären. Auch die Lage von Deutschlands größtem Unternehmen in China - mit erstarkender Elektrokonkurrenz und Berichten über Menschenrechtsverletzungen - kam auf die Agenda.
Dabei sollte das eigentliche Thema, das Absegnen der Dividende, der einzige offizielle Tagesordnungspunkt sein. Am Ende gab es doch fast keine Voten dagegen. Zustimmung: mehr als 99,99 Prozent.
Komplexes Modell zugunsten von PSE
Einige Eigner hatten Änderungen verlangt. Diskutiert wurde etwa über ein Aufschlag für die Vorzugspapiere der Porsche AG, die seit dem 29. September zu einem Viertel an der Frankfurter Börse gehandelt werden. Es sollte ein Ausgleich dafür sein, dass diese Anteile anders als die Porsche-Stammaktien kein Stimmrecht haben. Umgekehrt sei der Preis, zu dem die Dachgesellschaft Porsche SE (PSE) Stammpapiere erwerbe, zu klein.
Zu der komplexen Konstruktion für den größten deutschen Börsengang seit der Telekom 1996 gehörte neben der Ausgabe der Vorzugsaktien - sie spülten VW 9,1 Milliarden Euro in die Kasse - auch, dass 25 Prozent plus eine Stammaktie an die PSE gehen. Der VW-Hauptaktionär will so eine Sperrminorität bei zentralen Beschlüssen bei Porsche bekommen.
Die von den Familien Porsche und Piëch kontrollierte Holding gab dafür 10,1 Milliarden Euro aus. Mancher sieht das als Zementierung ihrer Macht und als eine Art Selbstbedienungsgeschäft, denn die PSE kann mit der jetzt beschlossenen Dividende zumindest einen Teil der Kosten wieder direkt einspielen. Ein großer Batzen soll nach den bisherigen Plänen allerdings auch über Schulden finanziert werden.
Kritik von Anlegern und Greenpeace
Etliche kleinere Aktionäre witterten eine "unzulässige Begünstigung" der VW-Großeigner PSE, Niedersachsen und Katar. Auch bei den öffentlich gehandelten Vorzugsaktien machten vor allem Großanleger einen Stich: Sie erhielten über 94 Prozent der knapp 114 Millionen Papiere. Viele Privatanleger gingen leer aus.
Nicht alle in Berlin plädierten für eine üppigere Ausschüttung. So fand die Sparkassen-Fondstochter Deka den vorgeschlagenen Wert "viel zu hoch". VW brauche sein Geld jetzt primär für den weiteren Umbau in Richtung E-Mobilität und Digitalisierung. Das sieht auch Greenpeace so: "In einem historischen Branchenumbruch eine milliardenschwere Sonderdividende auszuschütten, während Volkswagen Konkurrenten hinterherläuft, ist eine kurzsichtige Entscheidung", sagte der Finanzexperte der Umweltorganisation, Mauricio Vargas. Nicht nur Tesla, auch chinesische Anbieter preschen voran. VW konnte seinen Elektroauto-Absatz zuletzt aber wieder deutlich ausbauen.
Ein Dauerbrenner, der mit dem Porsche-Börsengang und der Ablösung des umstrittenen VW-Chefs Herbert Diess durch Blume neue Aktualität hat, ist die Vermischung von Funktionen im riesigen Konzerngeflecht. Der Wirtschaftsprofessor Christian Strenger, früherer Leiter der Fondsgesellschaft DWS und Mitgründer der Kommission Deutscher Corporate Governance Kodex, sieht "signifikante Interessenkonflikte".
Der Präsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, Ulrich Hocker, fragte Blume: "Bleiben Sie bei der Doppelrolle? Oder ist das eine Übergangslösung?" Es könne nicht sein, für Porsche und den Konzern dauerhaft zwei Vollzeitjobs auszufüllen. Blume betonte: "Nach vier Monaten kann ich sagen: Es funktioniert." Zudem habe er Mandate in Aufsichtsräten niedergelegt, etwa bei der Tochter Seat.
Weil will Dividende erst im Januar
Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger pochte darauf, dass die Sonderdividende noch im Dezember fließt - und nicht erst im Januar, wie vom Großaktionär Niedersachsen gewünscht. Sie begründete dies mit möglichen steuerlichen Nachteilen, zum Beispiel bei der Gegenrechnung von Verlusten aus dem Vorjahr.
Ministerpräsident Stephan Weil machte als Mitglied des VW-Aufsichtsratspräsidiums klar, dass er bei seiner Linie bleibt. "Es wurde relativ früh Einvernehmen zwischen allen Beteiligten erzielt, dass die Dividende Anfang des Jahres (2023) ausgezahlt werden soll", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Das Geld aus dem Börsengang sei für eine stabile Standortpolitik wichtig, weil "VW jetzt wieder die Möglichkeit hat, aus einer starken Kasse zu investieren, damit auch zukünftig in Niedersachsen moderne Produktionsstätten stehen".
Der fürs Geschäft unerlässliche Standort China hingegen ist für VW wegen der Fabrik in der Uiguren-Region Xinjiang zunehmend ein heikles Terrain. Landeschef Ralf Brandstätter sagte: "Wir setzen uns über die ganze Lieferkette für die Einhaltung der UN-Standards für Wirtschaft und Menschenrechte ein." Rechtsvorstand Manfred Döss entgegnete auf Nachfragen der Aktionäre: "Ich darf Ihnen versichern, dass Integrität und Compliance einen hohen Wert im Volkswagen-Konzern haben."