Hunderte Festnahmen bei Protesten gegen umstrittene Wahl in Venezuela
Bei Protesten gegen den umstrittenen Ausgang der Präsidentschaftswahl in Venezuela sind nach Angaben von Nichtregierungsorganisationen mindestens vier Menschen getötet und zahlreiche weitere verletzt worden. Die venezolanische Staatsanwaltschaft meldete am Dienstag zudem knapp 750 Festnahmen. Unterdessen riefen sowohl das Lager des zum Wahlsieger ernannten Amtsinhabers Nicolás Maduro als auch die Opposition zu weiteren Demonstrationen auf.
Bei den spontanen Protesten waren am Montag tausende Menschen mit Rufen wie "Freiheit, Freiheit!" und "Diese Regierung wird stürzen!" durch die Straßen der Hauptstadt Caracas gezogen. Einige rissen Wahlplakate von Maduro herunter und verbrannten diese. Mindestens zwei Statuen des verstorbenen früheren linksnationalistischen Präsidenten Hugo Chávez wurden umgestoßen. Auch Steine wurden geworfen, zudem waren Schüsse zu hören.
Die Sicherheitskräfte gingen mit Tränengas und Gummigeschossen gegen die Protestierenden vor. Generalstaatsanwalt Tarek William Saab erklärte am Dienstag, bislang seien 749 Menschen festgenommen worden, die meisten von ihnen wegen "Widerstands gegen die Staatsgewalt" und in schweren Fällen wegen "Terrorismus".
Nach Angaben von Nichtregierungsorganisationen wurden bei den Protesten mindestens vier Menschen getötet. Weitere 44 Menschen wurden dem Netzwerk National Hospital Survey zufolge verletzt.
"Leider liegen uns in den letzten Stunden Berichte über getötete Menschen, Dutzende Verletzte und Festnahmen vor", schrieb der bei der Wahl unterlegene Oppositionskandidat Edmundo González Urrutia im Onlinedienst X. Er forderte die Sicherheitskräfte auf, "die Unterdrückung der friedlichen Demonstrationen zu beenden". Die Oppositionspartei Voluntad Popular berichtete zudem auf X, dass ihr nationaler politischer Koordinator Freddy Superlano "entführt" worden sei.
Das Verteidigungsministerium meldete seinerseits 23 Verletzte in den Reihen des Militärs. Weiter sicherte Verteidigungsminister Vladimir Padrino Amtsinhaber Maduro die "absolute Loyalität und bedingungslose Unterstützung" der Streitkräfte zu.
Auf die Straße getrieben hatte die Menschen der umstrittene Sieg von Maduro, der am Montag von der weitgehend regierungstreuen Wahlbehörde offiziell bestätigt wurde. Ihren Angaben zufolge konnte sich der 61-Jährige mit 51,2 Prozent der Stimmen eine weitere sechsjährige Amtszeit bis zum Jahr 2031 sichern, während der aussichtsreichste Oppositionskandidat González Urrutia auf 44,2 Prozent kam.
Die Opposition sprach jedoch von Betrug und beanspruchte den Wahlsieg ebenfalls für sich. Oppositionsführerin María Corina Machado sagte, eine Überprüfung der vorliegenden Wahlunterlagen zeige eindeutig, dass der nächste Präsident "Edmundo González Urrutia sein wird". Dieser war an ihre Stelle gerückt, nachdem die Oppositionsführerin von Maduro-nahen Gerichten ausgeschlossen worden war. Es gebe einen "mathematisch unumkehrbaren" Vorsprung für González Urrutia, der 6,27 Millionen Stimmen erhalten habe, betonte Machado. Maduro habe lediglich 2,75 Millionen Stimmen bekommen.
Die Oppositionsführerin lud Familien dazu ein, am Dienstag an landesweiten "Volksversammlungen" teilzunehmen, um ihre Unterstützung für einen friedlichen Machtwechsel zu demonstrieren. Dagegen rief Maduros Wahlkampfleiter Jorge Rodríguez ebenfalls zu "großen Demonstrationen auf, um den Sieg zu feiern".
Bereits nach Bekanntwerden der ersten Teilergebnisse hatten zahlreiche Staaten - darunter auch Deutschland - Zweifel an dem Ausgang der Wahl geäußert und eine transparente Überprüfung gefordert. Die Organisation Amerikanischer Staaten mit Sitz in Washington prangerte am Dienstag eine "außergewöhnliche Manipulation" der Wahlergebnisse an.
UN-Generalsekretär António Guterres rief nach Angaben seines Sprechers zu "vollständiger Transparenz" auf, ähnlich äußerte sich der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Angesichts der Spannungen zog Peru seinen Botschafter aus Venezuela ab. Panama erklärte, die Beziehungen mit Caracas vorübergehend auszusetzen.
Venezuela erklärte daraufhin, sein diplomatisches Personal aus Argentinien, Chile, Costa Rica, Peru, Panama, Uruguay und der Dominikanischen Republik abzuziehen. Das Land setzte zudem Flüge von und nach Panama und von und in die Dominikanische Republik aus.
Maduro hatte sich bei der Wahl am Sonntag um eine dritte Amtszeit von sechs Jahren beworben. Der bekennende Marxist ist wegen der Wirtschaftskrise im Land bei vielen Wählern unbeliebt. Sein Machtapparat stützt sich unter anderem auf das Militär und die Polizei. Vor dem Urnengang hatte der Staatschef mehrfach gesagt, er werde die Macht im Falle einer Wahlniederlage nicht abgeben und mit einem "Blutbad" gedroht.