Bei der Leichtathletik-WM holte sich Noah Lyles den Titel über die 100 und 200 Meter. Und brachte im Anschluss die halbe US-Sportwelt gegen sich auf. Nun steht er wieder im Fokus. Aus Paris berichtet Melanie Muschong Noah Lyles weiß, was er kann. Der 27-jährige Sprinter aus den USA gewann bei der Leichtathletik-WM im vergangenen Jahr die Titel über seine Paradestrecke, die 200 Meter, und zusätzlich die 100 Meter. Als erster Mann holte er nach Usain Bolt 2015 das Sprint-Double. Die Olympischen Spiele in Paris: Der Zeitplan Im Anschluss aber ging es weniger um seine sportliche Leistung, sondern um eine Aussage Lyles', die in der Heimat eine ganze Liga verärgerte. "Was mir am meisten wehtut, ist, dass sie bei den NBA-Finals (Basketball-Liga der USA, Anm. d. Red.) von Weltmeistern reden. Weltmeister wovon? Den Vereinigten Staaten? Verstehen Sie mich nicht falsch, ich liebe die USA, manchmal, aber das ist nicht die Welt", sagte Lyles auf der Pressekonferenz. "Das hier ist die Welt", stellte er klar und unterstrich den Rahmen einer Weltmeisterschaft: "Hier ist fast jede Nation vertreten, die alles für ihre Flagge gibt. In der NBA gibt's keine Flaggen." Sätze, mit denen er anwesende Journalisten zwar zum Lachen brachte, die Basketball-Elite aber gegen sich aufbrachte. Über Nacht wurde Lyles für viele von ihnen zum Staatsfeind Nummer eins. "Jemand muss diesem Bruder helfen" Selten waren sich die NBA-Stars so einig wie in ihrer Antwort auf Noah Lyles Aussage. Der vierfache NBA-Champion Draymond Green kommentierte unter einem Beitrag: "Wenn schlau sein schiefgeht." Auch Superstar Kevin Durant feuerte zurück. "Jemand muss diesem Bruder helfen", schrieb der Forward. Von Damian Lillard kam lediglich ein "Was zum Teufel", andere NBA-Spieler forderten Lyles beispielsweise zu einem 200-Meter-Rennen heraus. Selbst der Rap-Star Drake, bekennender Anhänger des NBA-Teams Toronto Raptors, teilte gegen Noah Lyles aus: "Am Vorabend vor dem Spiegel dachte er, dass die Rede so stark werden würde. Jetzt hat er die ganze Liga gegen sich aufgebracht." Ihr Argument: Die NBA ist die beste Basketball-Liga der Welt. Und wer die beste Liga der Welt gewinnt, ist Weltmeister. Eine Argumentation, die bei vielen NBA-Spielern in den USA auf Zustimmung stieß, außerhalb Amerikas aber eher Kopfschütteln hervorrief. Erst recht, als die USA kurze Zeit später bei der Basketball-WM im Halbfinale an Deutschland scheiterten und am Ende ohne Medaille nach Hause flogen. Lyles selbst war der heftige Gegenwind aus der NBA relativ egal, denn sein Ziel war ein anderes. Er wollte sich für die Leichtathletik einsetzen und den Wert ihrer Wettkämpfe betonen. So sagte er ebenso nach seinem Double-Gewinn, dass er sich "jeden Tag mit meinem Agenten darüber unterhalte, wie wir diesen Sport verbessern können". Ein Thema, das ihn auch eine Woche vor den Olympischen Spielen beschäftigte. "Ich bin sehr daran interessiert, die Leichtathletik in andere Bereiche zu bringen." Er schaue dafür auf andere Sportarten. "Was machen sie gut, was wir nicht machen", so Lyles in der "Kelly Clarkson Show". Medaillen? "Woher soll ich die vierte nehmen?" Er ermutige daher seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter, bei ihrer Vorstellung vor dem Lauf oder Wettkampf mehr Persönlichkeit zu zeigen. Dies solle den Zuschauern ermöglichen, den Charakter hinter dem Sportler zu sehen. Lyles selbst zieht mit seinen Erfolgen und Zielsetzungen die Aufmerksamkeit auf die Leichtathletik und den Sprint. Nachdem er bei der WM in Budapest neben den Einzelmedaillen auch Gold mit der 4x100-Meter-Staffel gewonnen hatte, hat er sich für die Olympischen Spiele ein noch höheres Ziel gesetzt, wie er ebenfalls in der "Kelly Clarkson Show" zum Besten gab. Dort erklärte der Sprinter: "Ich habe gesagt, dass drei Goldmedaillen großartig sind, aber ich spreche mit meiner Familie und meinen Freunden darüber, dass man mehr erreichen muss." Dann fragte Lyles: "Was ist denn größer als drei?" Und beantwortete weiter in Bezug auf mögliche olympische Medaillen: "Vier. Woher soll ich die vierte nehmen?" Die Antwort: die 4x400-Meter-Staffel, bei der Lyles ebenfalls antreten will. Und wenn er die gewinnt, wird er womöglich auch wieder einen Spruch parat haben, mit dem er die halbe US-Sportwelt gegen sich aufbringt.