Wirtschaftskrise – und ich?: Überall werden Stellen gestrichen: Ist auch mein Job in Gefahr?
VW, Thyssenkrupp und Bosch: Reihenweise kündigen Firmen Entlassungen an. Wer jetzt Angst um seinen Job haben muss. Und in welchen Branchen noch Mitarbeiter gesucht werden.
Thyssenkrupp will 5000 Stellen abbauen, ZF Friedrichshafen 14.000, Ford fast 3000, Schaeffler ebenso. Und wenn Esprit alle Filialen schließt, braucht es auch die rund 1300 Mitarbeiter dort nicht mehr. Es kann einem angst und bange werden, wenn man die Wirtschaftsnachrichten der letzten Wochen und Monate liest. Überall scheint das Klagen über den Fachkräftemangel dem Abbau von Stellen gewichen zu sein. Müssen wir uns in dieser Krise Sorgen machen, dass es zur Massenarbeitslosigkeit kommt? Und wessen Jobs sind besonders gefährdet?
Ganz allgemein lässt sich sagen: Die anhaltende Wirtschaftskrise dämpft auch den Arbeitsmarkt, die Zahl der Arbeitslosen wächst seit Mitte 2022. Jetzt im November stieg sie im Vergleich zum November 2023 um 168.000 auf 2.774.000. Die Arbeitslosenquote liegt damit bei 5,9 Prozent. Ökonomen gehen davon aus, dass die Zahl der Erwerbslosen im Winter sogar auf über drei Millionen steigen kann. Aber: Die Arbeitslosenquote war davor auf einem sehr niedrigen Niveau. Sie ist für das Ausmaß der Krise immer noch eher gering. Und: Der Stellenabbau, der großflächig verkündet wird, geht nicht immer mit Kündigungen einher, zum Teil wird er auch über Frührente oder das Auslaufen von befristeten Verträgen geregelt.Darf mein Chef kündigen wegen Krankheit 06.00
Bisher keine Massenarbeitslosigkeit
Das bestätigt auch Arbeitsmarktökonom Enzo Weber: "Die Zahl der Entlassungen liegt nicht so hoch, wie man denken könnte." Weber erklärt das vor allem damit, dass wir aus einer Situation kommen, in der Arbeitskräfte knapp waren. "Deswegen führt der Abschwung nicht zu Massenarbeitslosigkeit", sagt er. Zum Teil sei die Nachfrage sogar immer noch sehr hoch. Das liege auch daran, dass nach wie vor viele Babyboomer den Arbeitsmarkt verlassen, weil sie in Rente gehen.
Aber es kommt eben sehr darauf an, in welchem Bereich der Wirtschaft man arbeitet. Besonders die Industrie, der Bausektor und der Handel bauen gerade Stellen ab. Dadurch verlieren auch viele Menschen in Zeitarbeitsfirmen ihre Jobs. Gleichzeitig stellen andere Branchen nach wie vor ein, das betrifft vor allem Pflegerinnen und Pfleger, Lehrkräfte und Erzieherinnen und Erzieher. So kommt es, dass die Arbeitslosenzahl noch immer im Rahmen ist. Geld-Kolumne Nadine 20:16
Jobs sind nicht gleich Jobs
Nur helfen offene Stellen in Kindergärten und Krankenhäusern eben nicht dem Verkäufer oder der Lackiererin. "Das Hauptproblem ist, dass so wenige neue Stellen angeboten werden wie nie zuvor", sagt Weber. "Arbeitslose haben es richtig schwer, in Jobs zu kommen."
In dieser unsicheren Phase fahren viele Unternehmen erstmal auf Sicht, statt in neue Arbeitsplätze zu investieren. Vor allem für Menschen, die nur niedrig qualifiziert sind, ist es in dieser Zeit schwer, eine Stelle zu finden. Die Zahlen von Langzeitarbeitslosen und arbeitslosen Niedrigqualifizierten liegen deutlich über dem Niveau von vor Corona.
Weber rät den Maschinenbauern und Industriearbeitern trotzdem nicht, sich nun zu Pflegern ausbilden zu lassen, sondern hält ihre Chancen für die Zukunft für nicht allzu schlecht: "Viele derjenigen, die in der Industrie ihre Jobs verlieren, werden mit ihrer Expertise in der Transformation gebraucht." Sie müssten ihren Beruf also nicht aufgeben, sondern sich weiterentwickeln für neue Anwendungen. Das brauche staatliche Unterstützung bei der Weiterbildung, aber auch mehr Investitionen in Zukunftstechnologien.
Für die nächsten drei Monate rechnet Webers Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, der Forschungseinrichtung der Bundesagentur der Arbeit, erstmal nicht mit Beruhigung. Das Arbeitsmarktbarometer kombiniert Aussichten für Arbeitslosenzahlen mit Aussichten für die Beschäftigungsentwicklung (also, wie viele Menschen in Arbeit sind). Nachdem es nach dem Coronaabschwung schnell wieder bergauf gegangen war, trübt es sich immer weiter ein. Doch Weber hält es nicht für ausgemacht, dass es genauso bleibt. Das hänge maßgeblich davon ab, ob neue Industrien in Deutschland entstehen, die in Zukunft wettbewerbsfähig sind.
Übrigens: Die Gehälter entwickeln sich nachlaufend, das heißt, sie reagieren erst spät auf wirtschaftliche Entwicklungen. In vielen Gehaltsabschlüssen der letzten Zeit wird jetzt die hohe Inflation der vergangenen Jahre einbezogen. Viele Menschen verdienen also aktuell real mehr als früher. In den aktuellen Tarifverhandlungen merkt man aber, dass die Krise auch dort angekommen ist. Gut möglich also, dass die Krise nicht unbedingt durch Jobverlust bei den Menschen ankommt, sondern vor allem durch ein niedriges Gehalt.