NRW ist erneut Spitzenreiter bei Staus: 271.000 Kilometer Stop-and-Go gab es im vergangenen Jahr. Auch in den nächsten Jahren werden laut ADAC zahlreiche marode Brücken weiter zu Problemen führen. Sanierungsbedürftige Fahrbahnen, marode Brücken, Baustellen, mehr Verkehrsaufkommen: Auto- und Lastwagenfahrer haben im vergangenen Jahr in Nordrhein-Westfalen noch einmal mehr Zeit im Stau verbracht. Nach einer Erhebung des ADAC staute sich der Verkehr auf den NRW-Autobahnen auf insgesamt 271.000 Kilometern - rund sechs Prozent mehr als im Jahr zuvor. Weil sich Staus außerdem langsamer auflösten, erhöhte sich die Stau-Belastung für Verkehrsteilnehmer um rund 14 Prozent, wie der Automobilclub ausrechnete. "Über Jahrzehnte wurde zu wenig in die Verkehrsinfrastruktur investiert. Das fällt uns jetzt auf die Füße. Der Sanierungsbedarf auf den Fernstraßen ist gewaltig", kritisierte der Leiter des Fachbereichs Verkehr und Umwelt beim ADAC Nordrhein, Roman Suthold. Und: "Das Thema Brückenbau wird sich mindestens bis ins Jahr 2035 hinziehen", sagte der Experte der Deutschen Presse-Agentur. Auf die Autofahrerinnen und Autofahrer würden auch in NRW in den nächsten Jahren weiterhin deutliche Belastungen zukommen. Aber: "Wir brauchen diese Maßnahmen, sie sind alternativlos." NRW bleibt das Land mit den meisten Staus Obwohl nur etwa 17 Prozent der deutschen Autobahn-Kilometer in Nordrhein-Westfalen liegen, seien 31,5 Prozent der Staukilometer auf das Bundesland entfallen. Allerdings ist laut ADAC auf den NRW-Autobahnen aber auch so viel gebaut worden wie nirgendwo sonst. "Bauzeit bleibt Stauzeit", erläuterte Suthold. "Pendler fahren oft von einer Baustelle in die nächste." Die längsten Staus in NRW gab es laut ADAC auf der A1 - insgesamt 40.195 Kilometer. Auf der A3 dauerten die Staus dafür am längsten - insgesamt 18.723 Stunden. Der am stärksten belastete Abschnitt sei auf der A42 zwischen Dortmund und Kamp-Lintfort gewesen. Allerdings: Im Jahr 2019 vor der Corona-Pandemie verbrachten Autofahrer noch etwas mehr Zeit im Stau. Marode Brücken könnten Probleme verschärfen Entscheidend sei, dass es der Politik gelinge, die vielen maroden Brücken rechtzeitig zu modernisieren, mahnte der ADAC. Gelinge es nicht, den "besorgniserregenden Zustand" in den Griff zu bekommen, drohten weitere Totalausfälle, Stauchaos und noch mehr Schaden für den Wirtschaftsstandort. Deutschlandweit müssten in den nächsten Jahren über 4.000 marode Autobahnbrücken ersetzt werden. Der Neubau von Autobahnbrücken an zentralen Stellen - etwa die A1 bei Leverkusen oder die A45 bei Lüdenscheid - habe erheblich Auswirkungen auf umliegende Bundes- und Landstraßen, sagte Suthold der dpa. Fallen diese Bauwerke aus, werden an den Ausweichstrecken Straßen und Brücken stark belastet, sodass deren Lebensdauer sinke. Ein "Dominio-Effekt". Ein 40-Tonner belastet eine Brücke so sehr wie 60.000 Autos Allein der Ausfall der Talbrücke Rahmede führte nach ADAC-Angaben 2024 auf der A45 zu rund 5.000 Staumeldungen mit fast 4.000 Staustunden. In Lüdenscheid habe sich der Lkw-Verkehr verzehnfacht. Beim Lkw-Verkehr seien Aufkommen und Gewicht bundesweit deutlich gestiegen, wofür man aber die oft in den 1960er und 1970er Jahren gebauten Autobahnbrücken ursprünglich nicht ausgelegt habe, sagte Suthold. Man sei damals noch von einer Lebensdauer von rund 80 Jahren ausgegangen. Ein 40-Tonner belaste eine Brücke so sehr wie 60.000 Autos. Für die heutige Verkehrslast seien die Brücken nicht konzipiert worden, deswegen komme es immer wieder zu Problemen. Um weitere Brückensperrungen zu vermeiden und Verkehrsengpässe gezielt zu beseitigen, müssten verlässlich und dauerhaft finanzielle Mittel für die Fernstraßeninfrastruktur bereitgestellt werden, verlangte der ADAC. Die nächste Bundesregierung solle dafür konkrete Maßnahmen einleiten. ADAC und Wirtschaft fordern Tempo, Tempo, Tempo Es seit dringend notwendig, dass Ersatzneubauten schneller realisiert werden könnten, forderte der ADAC. Planungs- und Genehmigungsverfahren müssten weiter vereinfacht und beschleunigt, Fördermittel und Investitionen erhöht werden. Brücken müssen keine Kunstwerke sein, hieß es schon in einer ADAC-Stellungnahme vor einigen Monaten für den Landtagsverkehrsausschuss. Als ein positiver Ansatz Verfahren zur Beschleunigung sei zu beobachten, dass Brücken zunehmend in modularer Bauweise gefertigt würden, berichtete Suthold. IHK: Staus sind Bremsklötze für den Wirtschaftsmotor Die Industrie- und Handelskammer NRW nannte die ermittelten zunehmenden Staukilometer ein "zutiefst beunruhigenden Ergebnis." Staus seien Bremsklötze für den Wirtschaftsmotor. Der desolate Zustand vieler Straßen habe spürbare Folgen die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes, kritisierte die IHK. Jede dritte Stunde, die Menschen in Deutschland im Stau stehen müssten, gingen auf NRW-Straßen verloren. Das zeige, dass Baumaßnahmen zu langsam vorankämen und Baustellen nicht gut aufeinander abgestimmt seien. Das Straßennetz sei "am Anschlag". Die Wirtschaft dränge deshalb auf eine Kurzkorrektur in der NRW-Verkehrspolitik: "Die Politik muss endlich mehr Tempo bei den Straßenprojekten machen", mahnte IHK-Verkehrsexperte Ocke Hamann. Die Zeit für Planverfahren müsse halbiert, das Baustellenmanagement verbessert werden und Baustellen sollten schneller verschwinden.