Fachkräftemangel: Fährbetreiber im Norden suchen Nachwuchs
Der Fachkräftemangel zwingt Norddeutschlands Fährbetreiber zum Handeln. Für die Reedereien wird der Betrieb nach Fahrplan schwieriger. Können Quereinsteiger die Rettung bringen?
Wer an Flüssen, Kanälen oder auf einer Insel lebt, ist auf sie angewiesen: die vielen Fähren, die Passagiere und Fahrzeuge zuverlässig über das Wasser schiffen. Damit alles nach Plan läuft, braucht es Personal, das am Steuerrad steht. Doch ausreichend Mitarbeiter zu finden, wird für die Betreiber in Norddeutschland immer schwieriger.
In Schleswig-Holstein berichten die zuständigen Unternehmen in Kiel, Lübeck und am Nord-Ostsee-Kanal auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur über die schwierige Personallage. Auf dem Arbeitsmarkt gebe es immer weniger Fährschiffsführer, die die notwendige Fahrerlaubnis haben, teilte das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt (WSA) Nord-Ostsee-Kanal mit.
Der Kanal kann an 14 Orten mit Fähren überquert werden. Die Aufträge dafür vergibt das Amt zum Großteil an Subunternehmer. "Gerade in der jüngeren Vergangenheit gab es an den verschiedenen Fährstellen zunehmend stundenweise oder schichtweise Ausfälle, da der Auftragnehmer schlichtweg kein Personal stellen konnte", schreibt das WSA.
In Lübeck und Kiel wird Personal gesucht
Die Fährlinien in Lübeck und Kiel können laut der Betreiber noch nach Plan betrieben werden. In Phasen hoher Krankenstände fielen vereinzelt Fahrten aus, schreiben die Lübecker Stadtwerke, die die Fähre zur Halbinsel Priwall betreiben. Eigentlich brauche es mehr Personal. Doch ausgebildete Schiffsführerinnen und Schiffsführer anzustellen, sei auf dem freien Markt "nahezu unmöglich". Schichtarbeit, Wetter und die Verantwortung sagten nicht allen zu.
In der Landeshauptstadt könne der Fahrplan noch gefahren werden, schreibt die Schlepp- und Fährgesellschaft Kiel (SFK). Das jetzige Personal sei jedoch sehr belastet, auch die Suche nach neuem Personal erweist sich als schwierig. Zwar könne man regelmäßig Bewerber einstellen, schreibt die Schlepp- und Fährgesellschaft Kiel. Doch die Konkurrenz locke Arbeitskräfte mit höherer Vergütung. Wer als Binnenschiffsführer ausgebildet ist, kann auch als Kanallotse und im Güterverkehr arbeiten.
Umso wichtiger ist es, neues Personal auszubilden. Doch für die Fährbetriebe ist das eine Herausforderung: Eine umfangreiche Ausbildung zum Binnen- oder Hafenschiffer, die jeweils drei Jahre dauert, wird in Lübeck nicht angeboten. Die Inhalte könne man im Fährbetrieb nicht abbilden, schreiben die Stadtwerke. In Kiel prüfe man derzeit, in Zukunft neben Mechanikern auch Binnenschiffer auszubilden, schreibt der SFK.
Am Nord-Ostsee-Kanal lockt die Behörde
Auf der Suche nach Personal setzen Fährbetriebe deshalb auf Quereinsteiger. Um eine Fähre über Kanäle und Flüsse zu fahren, genügt in der Regel eine Zulassung als Fährschiffsführer. Diese ist zwar auf eine Fährroute begrenzt, erlaubt es Arbeitskräften aber ohne langjährige Ausbildung, im Linienbetrieb am Steuer zu stehen.
Auf diese Möglichkeit setzt das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt am Nord-Ostsee-Kanal. Zur Bewerbung reicht ein Sportbootführerschein und Erfahrung an Deck. Bewerber werden zusätzlich gefördert, um die restlichen Anforderungen wie ein Sprechfunkzeugnis zu erfüllen. Personallücken seien so geschlossen worden.
Auch in Lübeck setzen die Stadtwerke auf die Praxis. Dort seien es vor allem die bereits angestellten Fährgehilfen, die man zu Schiffsführern weiterbilde.
In Hamburg helfen neue Auszubildende
Dass eine Ausbildung den Beruf deutlich attraktiver machen kann, zeigt das Beispiel Hamburg. Dort hatte der kommunale Fährbetreiber Hadag in der Vergangenheit zu wenig Personal. Mittlerweile habe sich die Lage gebessert, teilte das Unternehmen mit. Auch wegen Schiffsführerinnen und Schiffsführern, die seit 2023 dazugekommen seien. Derzeit bilde die Hadag 20 Auszubildende als Hafenschiffer aus. Es gebe weiterhin Nachfrage.
Das Fährangebot der Hadag ist aufgrund der besseren Personalsituation zuverlässiger geworden: Im ersten Halbjahr fielen den Angaben nach 15 Prozent der Fahrten aus - im zweiten Halbjahr 6 Prozent. Die Quote hänge aber nicht nur von der Personallage, sondern auch vom Wetter und der Technik ab.
Linienverkehr auf die Inseln nach Plan
Im Inselverkehr gibt es zumeist ausreichend Personal. Die Reederei FRS Europe betreibt die Weiße Flotte und die Helgoline Fähren in Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen. "Natürlich ist es durchaus eine Herausforderung, genügend Crew zu finden", sagt Geschäftsführer Tim Kunstmann. Letztlich finde das Unternehmen aber genügend Besatzung - und die Reederei könne nach Fahrplan arbeiten.
Die Reederei AG Ems, die Fähren nach Borkum, Helgoland und Neuwerk betreibt, könne im Linienverkehr ebenfalls alle Stellen besetzen, heißt es. Schwieriger sei die Lage bei kleineren Ausflugsschiffen. Im vergangenen Jahr seien wegen fehlender Bootsführer erstmals Fahrten ausgefallen.
Im Betrieb setze die Reederei AG Ems nicht nur auf eigene Arbeitskräfte, sondern auch auf Agenturen, die internationales Personal stellen. Selbst habe man Probleme, junge Leute für die Ausflugsfahrten zu gewinnen. Für sie seien nach der Ausbildung andere Optionen oft attraktiver. "Es locken Anstellungen mit Einsätzen auf den Weltmeeren", schreibt eine Sprecherin.