Die CDU hätte gern mehr gehabt, die Grünen hadern mit der eigenen Konstruktivität, und die SPD wartet auf Ansagen – bei Caren Miosga lecken alle ihre Wunden. "Alles ist noch unsicher", fasste die Journalistin Dagmar Rosenfeld die Ausgangslage der Wahlnachlese bei Caren Miosga zusammen: Während der Sendung war unklar, ob das BSW die Fünfprozenthürde schaffen würde – und damit auch, ob die siegreiche Union wie gewünscht eine Zweier-Koalition würde bilden können oder doch eine Dreier-Koalition schmieden muss. Erst nach Mitternacht stand fest: FDP und BSW fliegen raus. "Hätten wir uns mehr gewünscht? Ja", räumte Jens Spahn für die CDU ein, zeigte sich aber dennoch zufrieden, dass Kanzler Olaf Scholz "in die politische Rente" geschickt worden sei. Der Ex-Gesundheitsminister konstatierte einen "massiven Vertrauensverlust im ganzen Land". Nun komme es darauf an, die Probleme zu lösen: "Wir sind noch ungefähr eine Wahl weg von französischen, österreichischen oder niederländischen Verhältnissen", warnte er. Die Gäste Jens Spahn (CDU), stellvertretender Unions-Fraktionsvorsitzender Franziska Brantner, Co-Vorsitzende Bündnis 90/Die Grünen Alexander Schweitzer (SPD), Ministerpräsident Rheinland-Pfalz Dagmar Rosenfeld, Mitherausgeberin "The Pioneer" "Ganz miserabel" nannte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer das Abschneiden seiner SPD und führte es auf die Art und Weise zurück, in der die Ampelkoalition "auseinander geflogen" sei: "Es ist in gewisser Weise ein Ampel-Ergebnis." Das Endergebnis: Union gewinnt – BSW verpasst Fünfprozenthürde knapp Schließlich habe das Bündnis keinem der ehemaligen Partner gutgetan. Auch die Grünen-Co-Vorsitzende Franziska Brantner stellte fest: "Wir kamen aus der unbeliebtesten Regierung, die diese Bundesrepublik jemals hatte." Ihrem Spitzenkandidaten Robert Habeck bescheinigte sie jedoch, "einen klasse Job" gemacht zu haben. Wie der Vizekanzler selbst in einem Einspielfilm äußerte sie die Überzeugung, dass Friedrich Merz’ Migrations-Abstimmung im Bundestag mit der AfD die Grünen Zuspruch gekostet und den Linken Stimmen verschafft habe: weil die Grünen bewusst nicht ausgeschlossen hätten, mit Merz zu regieren. In Anspielung auf ein Zitat der Linken-Politikerin Heidi Reichinnek fügte Brantner hinzu: "Weil ich nicht sagen kann: 'Auf die Barrikaden!'" Da vermisste Jens Spahn die Selbstkritik. Er verwies auf die herrschende Rezession, das Heizungsgesetz und Habecks Gesamtbilanz als Wirtschaftsminister: Wenn diese Schuldzuweisung die Basis künftiger Gespräche sein solle, "wird’s allerdings schwer", so der CDU-Mann. Auf Caren Miosgas Einwurf, Friedrich Merz sei aber auch nicht sonderlich beliebt, entgegnete er, die Union habe "vor drei Jahren bitter verloren", aber aus ihren Fehlern gelernt und mit Merz Vertrauen zurückgewonnen. Dass sowohl Union als auch SPD "nicht den populärsten Kandidaten aufgestellt" hätten, fand Dagmar Rosenfeld: Das nämlich wären Markus Söder und Boris Pistorius gewesen. Angesichts des Umstands, dass die SPD "sehenden Auges mit dem unbeliebtesten Politiker ins Rennen gegangen" sei, bescheinigte sie der Partei einen "Wunderglauben, größer als in der katholischen Kirche". Schweitzer: Union muss jetzt Ansagen machen Für kurze Heiterkeit sorgte Caren Miosga mit der Frage an Alexander Schweitzer, ob er verraten könne, was zur Stunde im SPD-Präsidium besprochen werde: "Das ist das Problem, weil ich bei Ihnen bin, kann ich darüber keine Auskunft geben", erwiderte der SPD-Mann trocken. Er sprach sich aber dafür aus, dass Co-Parteichef Lars Klingbeil "weiter eine starke Rolle in der SPD" spielen solle. Im Übrigen müsse die Union "jetzt Ansagen machen und eine Tonlage finden, die auch einladend ist", so der Ministerpräsident. In Person des bereits erwähnten SPD-Verteidigungsministers schien sich da ein Anknüpfungspunkt zu bieten: "Boris Pistorius sagt viel Richtiges", konzedierte Jens Spahn. Bei der Migrationspolitik hingegen gingen die Meinungen weiterhin auseinander. "Komplett hanebüchen" nannte es Schweitzer, "davon zu sprechen, dass wir die Grenzen schließen". Dies sei "die Abwicklung des Europas, das Helmut Kohl mal geschaffen hat", so der SPD-Ministerpräsident. Es komme vielmehr darauf an, konkret zu handeln: In Rheinland-Pfalz habe man die schnellsten Verwaltungsgerichtsverfahren im Asylbereich in ganz Deutschland: 3,9 Monate durchschnittlich im Vergleich zu zehn Monaten in Bayern. Dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder empfahl er in dem Zusammenhang, weniger in Talkshows zu gehen und stattdessen am Schreibtisch seine Hausaufgaben zu machen. Auch Grünen-Co-Chefin Franziska Brantner warb für eine moderatere Sprache in der Zuwanderungspolitik und einen "Weg der Humanität und Ordnung". Jens Spahn überzeugte sie damit nicht: "Europa wartet auf Führung aus Deutschland, um die Migration zu begrenzen", war sich der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende sicher. Gelinge dies nicht, drohe in vier Jahren "ein blaues Wunder im Wortsinn". Er spielte damit auf die Parteifarbe der AfD an. Schließlich sprach Caren Miosga noch das Streitthema Schuldenbremse an. Da sich die Weltlage in den vergangenen zwei Wochen so dramatisch verändert habe, seien alle bisherigen Debatten dazu hinfällig, meinte Dagmar Rosenfeld. Dass sich die USA nicht mehr für Europas Sicherheit verantwortlich fühlten, nannte sie einen "Epochenbruch" – und prognostizierte künftige Verteidigungsausgaben von 150 Milliarden Euro pro Jahr. Alexander Schweitzer zeigte sich denn auch überzeugt, dass Friedrich Merz seine Position zur Schuldenbremse "schnell räumen" werde. Jens Spahn zierte sich zwar noch ("die Schuldenbremse ist was anderes als ein Sondervermögen"), deutete aber doch Verhandlungsbereitschaft an. Ob die dafür nötige Zweidrittel-Mehrheit im neuen Bundestag allerdings noch organisierbar wäre, war zu diesem Zeitpunkt ebenfalls unklar.