Debatte um Verfassungsänderung: Lockerung der Schuldenbremse droht zum Zankapfel zu werden
Union und SPD wollen den Ländern Lockerungen bei der Schuldenbremse ermöglichen. Die dazu notwendige Änderung der Verfassung im Freistaat ist aber kein Selbstläufer. Es wird kompliziert.
Die von Union und SPD im Bund verabredete Lockerung der Schuldenbremse auf Länderebene droht in Bayern zu einem Zankapfel zu werden. Weder die Stimmen der mit der CSU regierenden Freien Wähler noch die ansonsten für eine Mehrheit im Landtag notwendigen Stimmen der Grünen sind bislang absehbar. Zur Umsetzung braucht es im bayerischen Landtag eine Zweidrittelmehrheit unter den Abgeordneten - zudem müsste sich Bayern ohne die Freien Wähler auch im Bundesrat bei der dortigen Abstimmung enthalten.
Streibl: CSU muss auf uns zukommen - Thema sei nicht "im Reinen"
"Wir erwarten, dass unser Koalitionspartner CSU auf uns zukommt und uns die Dinge erläutert. Wir Freie Wähler sind bei dem Thema noch nicht mit uns im Reinen", sagt Fraktionschef Florian Streibl der Deutschen Presse-Agentur in München. Es verwundere ihn schon, dass die Union im Bund so kurz nach der Wahl ihre Meinung zu einer Reform der Schuldenbremse komplett geändert habe. Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger hatte CDU und CSU deswegen sogar bewusste Wählertäuschung vorgeworfen.
Freie Wähler klagen über Tonlage der CSU
Streibl ließ aber auch erkennen, dass es nicht nur Gründe gegen die Lockerung gebe, "eine gewisse Reform kann man sich vorstellen". Eines macht er aber auch deutlich: Die CSU müsse generell ihren Ton gegenüber den Freien Wählern wieder deutlich ändern.
Union und SPD hatten sich in dieser Woche auf ein gigantisches Schuldenpaket geeinigt, um Investitionen in die Infrastruktur und die Bundeswehr stemmen zu können. In dem Kontext einigten sie sich auch auf eine Lockerung der Schuldenregeln für die Länder. Dies muss aber noch vom Bundestag und dann auch vom Bundesrat beschlossen werden.
Zweidrittelmehrheit bedeutet Zustimmung von 134 Abgeordneten
134 der 203 Abgeordneten müssen im Landtag für die Verfassungsänderung stimmen. Zusammengenommen stellen CSU (85) und SPD (17) - ihre Zustimmung kann man voraussetzen - aber nur 102 Abgeordnete. Sollten die 37 Parlamentarier der Freien Wähler auch mitstimmen, wäre die Mehrheit sicher. Alternativ könnte sich die CSU auch um die insbesondere bei Parteichef Markus Söder so ungeliebten Grünen bemühen. Ihre 32 Stimmen würden exakt reichen, um die Zweidrittelmehrheit zu sichern.
Grüne bereit für Gespräche - aber auch hier Frust über Ton der CSU
Hier sitzt der Frust über die Dauerattacken von Söder im Wahlkampf und auch noch beim politischen Aschermittwoch aber besonders tief. Die Reform der Schuldenbremse sei aus Sicht der Grünen schon immer notwendig gewesen, um finanziellen Probleme zu lösen, sagte Fraktionschefin Katharina Schulze.
Für Bayern gelte, sollte es einen konkreten Vorschlag geben, "können wir in Verhandlungen gehen. Dann prüfen wir, was auf dem Tisch liegt". Klar sei aber: "Markus Söder muss an seinem strategischen Geschick arbeiten, wenn er mit einem Partner etwas erledigen möchte. Dazu muss man sich auf Augenhöhe begegnen."
Im Klartext heißt das sowohl bei Grünen wie Freien Wählern: Ohne Zugeständnisse der CSU an anderer Stelle dürfte es keine Zustimmung frei Haus geben. Ähnlich handhaben es in Berlin auch die dortigen Grünen, die etwa monierten, dass in dem Paket von Union und SPD der Klimaschutz bisher keine Rolle spiele. Eine Zustimmung sei daher kein Selbstläufer.
Am Ende entscheidet Volksentscheid über Verfassungsänderung
Sollte die Verfassungsänderung die Hürde im bayerischen Parlament tatsächlich schaffen, ist die Lockerung der Schuldenbremse aber noch nicht am Ziel. "Am Ende müssen die Bürgerinnen und Bürger abstimmen, ob sie die Schuldenbremse lockern wollen", sagte Streibl.
Bayerns Verfassung sieht bei Verfassungsänderungen immer im nächsten Schritt auch noch einen Volksentscheid vor. Hier müssen dann die Ja-Stimmen mindestens 25 Prozent der Stimmberechtigten in Bayern entsprechen (Quorum). Die Verfassungsänderung ist durch Volksentscheid angenommen, wenn sie mehr gültige Ja-Stimmen als Nein-Stimmen erhält.