Keine neue Klage: Bundesrichter kurz vor Ernennung zum OVG-Präsidenten
Die Ernennung von Bundesrichter Carsten Günther zum Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts in Münster steht unmittelbar bevor. Nach dem Ablauf von Fristen ist sie jetzt nur noch Formsache.
Das Tauziehen um den Spitzenposten am Oberverwaltungsgericht für Nordrhein-Westfalen in Münster geht nach mehr als vier Jahren zu Ende. Bundesrichter Carsten Günther könne voraussichtlich in der übernächsten Woche zum neuen OVG-Präsidenten ernannt werden, teilte das NRW-Justizministerium auf dpa-Anfrage mit. Der 55-Jährige folgt auf Ricarda Brandts, die im Mai 2021 in den Ruhestand ging.
Um die Besetzung der Präsidentenstelle gebe es keinen erneuten Konkurrentenstreit, erklärte ein Ministeriumssprecher nach dem Ablauf von Fristen. Die Landesregierung hatte die Personalie vor drei Wochen entschieden. Zuvor waren noch zwei Bewerber im Rennen. Ob Günther den Posten zeitnah antreten kann, hing auch vom unterlegenen Kandidaten ab. Der hätte innerhalb von zwei Wochen gegen die Entscheidung Klage einreichen können.
Bund muss Versetzung vornehmen
"Wir gehen derzeit davon aus, dass der Bund die Versetzung des Bundesrichters Dr. Carsten Günther in den Landesdienst im Laufe der nächsten Woche vornehmen wird, so dass die Ernennung von Herrn Dr. Günther zum OVG-Präsidenten voraussichtlich in der übernächsten Woche erfolgen kann", erklärte der Sprecher des NRW-Justizministeriums die weiteren Abläufe.
Günther war Richter am OVG NRW
Bis zu seiner Berufung 2015 ans Bundesverwaltungsgericht nach Leipzig war der heute 55-Jährige Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Düsseldorf. Als Richter angefangen hatte er im Jahr 2000 am Verwaltungsgericht Köln. Es folgten Abordnungen ab 2003 an das Bundesjustizministerium, an die NRW-Staatskanzlei und von 2007 bis 2010 an das NRW-Justizministerium. Von 2009 bis 2013 war Günther Richter am OVG Münster, das er nun demnächst leiten soll.
Viele Streitpunkte
Um die jahrelang unbesetzte Stelle hatte es viel politischen und juristischen Ärger gegeben. Nach mehreren Anläufen, den Posten zu besetzen, hatte im Juni 2023 eine spät ins Verfahren eingestiegene Abteilungsleiterin des NRW-Innenministeriums das Rennen gemacht. Dagegen hatten Günther und ein weiterer Bewerber sich juristisch gewehrt. Mehrere Verwaltungsgerichte, das OVG selbst und sogar das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe befassten sich mit dem Streit.
Als auch noch Verfahrensfehler bekanntwurden, nahm das Kabinett seine Entscheidung für die Juristin zurück und das Justizministerium musste das Verfahren neu aufrollen. Mit dem Verzicht der Juristin, die als Abteilungsleiterin in ein Bundesministerium nach Berlin wechselt, war der Weg für Günther frei.
Im Landtag beschäftigt sich ein Untersuchungsausschuss mit der Besetzungsaffäre. Der Vorwurf der Opposition: Vetternwirtschaft und parteipolitische Kungelei. Kern des Problems: Die bisherige Favoritin im Auswahlverfahren, eine Duz-Bekanntschaft des Justizministers, hatte in ihrer Beurteilung Bestnoten von Innen-Staatssekretärin Daniela Lesmeister erhalten, obwohl diese damals lediglich zwei Monate ihre Vorgesetzte gewesen war.
Pikant: Günther hatte schwere Vorwürfe gegen seinen künftigen Dienstherrn, NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) erhoben. Die eidesstattliche Versicherung des Justizministers zu dem Vorgang sei "objektiv falsch". Sie widerspricht in mehreren Punkten den eidesstattlichen Versicherungen des Richters.
Limbach hatte kürzlich angekündigt, dass er eine gute Zusammenarbeit mit Günther anstrebt. "Ich bin sehr zuversichtlich, dass ich mit dem künftigen Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts offen und vertrauensvoll zusammenarbeiten werde", sagte Limbach dem "Kölner Stadt-Anzeiger".
"Ich habe immer betont, dass mir eine gute und lösungsorientierte Zusammenarbeit wichtig ist", fügte der Grünen-Politiker hinzu. "Die werde ich Carsten Günther anbieten und auch umsetzen. Ich persönlich mache da jetzt einen Haken dran, wir gucken jetzt nach vorne", sagte Limbach der Zeitung vor wenigen Wochen.