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So ist das Leben mit Bürgergeld: "Ich fühle mich wie eine Versagerin"

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Mehr als fünf Millionen Menschen bekommen Bürgergeld. Jetzt reformiert die Politik das System. t-online hat mit Menschen gesprochen, die direkt davon betroffen sind. Vier Menschen, vier Wege ins Bürgergeld – und kaum eine Gemeinsamkeit auf den ersten Blick. Sie alle wollten arbeiten oder haben gearbeitet, sie alle haben versucht, sich durchzuschlagen. Und doch sind sie irgendwann im System der Grundsicherung gelandet – aus Erschöpfung, Krankheit, Überforderung oder schlichtweg Pech. Diese Protokolle erzählen vom Leben als Leistungsempfänger jenseits von Klischees. Von Menschen, die kämpfen, scheitern, neu anfangen – und manchmal auch einfach stehen bleiben. Sie zeigen, wie unterschiedlich die Wege ins Bürgergeld sind und wie stark das System selbst diese Wege prägt. "Prekärer geht's nicht" : So ist ein Leben mit Bürgergeld Jobcenter : "Ich habe das Gefühl, über den Tisch gezogen zu werden" Die Selbstständige Sarah A., 39 Jahre: Ich habe nie eine Berufsausbildung gemacht – das war damals familiär und gesundheitlich einfach nicht möglich. Stattdessen bin ich in den Online-Vertrieb meiner Mutter reingerutscht. Sie hat online Haushaltswaren verkauft, und ich habe sie dabei 15 Jahre lang unterstützt und praktische Erfahrung gesammelt. 2019 habe ich dann gesagt: Jetzt mache ich mein eigenes Ding. Ich habe handgemachte Wohnaccessoires und Geschenkartikel hergestellt und online verkauft. Alles aus meinen eigenen Händen. Das lief einige Jahre gut: Während der Coronazeit habe ich 50.000 Euro im Jahr umgesetzt. Damit konnte ich meinem Partner auch den Kredit zurückzahlen, den er am Anfang aufgenommen hatte, um mich zu unterstützen. Ich war stolz, dass ich das allein geschafft habe. Das war meine Freiheit. Aber ab 2023 ging es bergab. Für Handmade gibt es offenbar einfach keine Wertschätzung mehr. Billigplattformen wie Temu überschwemmen den Markt und Läden wie Action oder Tedi kopieren die Trends. Da kann ich mit echter Handarbeit nicht mithalten. Warum sollte jemand bei mir 40 Euro für einen Anhänger zahlen, wenn man ihn dort für 10 Euro bekommt? Das vergangene Jahr lief dann sehr schlecht. Mein Umsatz lag nur noch bei rund 16.000 Euro. Ich wollte nie Bürgergeld beantragen, aber irgendwann ging es nicht mehr. Die Krankenkasse konnte ich nicht mehr zahlen, die Miete auch nicht. Also bin ich im März zum Jobcenter gegangen – als Aufstockerin. Erst waren es knapp 400 Euro, dann nur noch 256 Euro, weil mein Partner eine kleine Lohnerhöhung bekommen hatte. Aber das Geld reicht hinten und vorne nicht. Wir leben im Dispo und mussten uns Geld von der Familie leihen, um die Miete zu zahlen. Im Jobcenter habe ich mich nicht unterstützt gefühlt. Ich habe das Gefühl, ich werde da nur verwaltet. Nach vier Monaten hieß es: Wenn das nicht besser wird, müssen Sie die Selbstständigkeit an den Nagel hängen. Ich habe mein Bestes versucht, doch die Existenzängste wurden immer schlimmer. Im Sommer habe ich gemerkt, dass ich am Limit bin. Aber ich habe weitergemacht, bis es nicht mehr ging. Im Oktober hat mir der Arzt dann ein Burn-out diagnostiziert. Seitdem sind meine Shops zu. Jetzt versuche ich, wieder zu Kräften zu kommen. Aber das ist schwer. Ich fühle mich wie eine Versagerin, wenn ich auf der Couch liege, während mein Partner zur Arbeit geht. Trotz allem bin ich zuversichtlich. Meine Willenskraft hat mich schon aus vielen Sachen rausgeholt. Ich brauche Zeit und weniger Druck vom Jobcenter. Ein Angestelltenverhältnis kommt für mich nicht infrage – wegen meiner Angststörung und sozialen Phobie. Ich arbeite am besten eigenständig. Ich will weiterhin selbstständig bleiben – das lasse ich mir nicht nehmen. Ich werde mein Geschäft umstellen, weg von Handarbeit, hin zu Produkten, die ich zukaufe. Aufgeben kommt für mich nicht infrage. Der Fotograf Markus Hutmacher*, 47 Jahre: Ich bin Fotograf und seit fast 20 Jahren selbstständig tätig. Mein Spezialgebiet ist der Turnsport und ich reise oft für Wettkämpfe durch Deutschland und Europa. Ich fotografiere Sportler, bearbeite die Fotos und beliefere Kunden. Aber für das Jobcenter gilt das nicht als richtiger Beruf, die sehen mich mittlerweile nur noch als Hobbyfotograf. Angefangen habe ich damit aus der Not heraus. Ich bin auf einem Auge blind und aufgrund von Erkrankungen körperlich eingeschränkt. Nach einer abgeschlossenen und einer abgebrochenen Ausbildung stand ich ohne Job da und bezog Leistungen vom Amt. Das Jobcenter schlug eine Selbstständigkeit vor und so begann ich mit einer einfachen Kamera als Sport- und Eventfotograf. Leben konnte ich davon nie. Auch heute nicht. Mein erster Jahresumsatz lag 2007 bei nur 171,80 Euro – im vergangenen Jahr dann bei rund 25.000 Euro. Doch die Kosten sind hoch und mir bleiben kaum Gewinne zurück. Deswegen lebe ich von Bürgergeld. Jahrelang wurde diese Selbstständigkeit vom Jobcenter akzeptiert. Dafür musste ich halbjährlich Einnahmen und Ausgaben offenlegen. Doch dann kam 2018 ein Termin, der alles veränderte. Ein Sachbearbeiter erklärte meine "sogenannte Selbstständigkeit" für beendet. Von einem Tag auf den anderen galt ich als voll vermittelbar. Dabei habe ich eine 30-prozentige Behinderung. Seitdem befinde ich mich im Dauerstreit mit dem Jobcenter. Alle sechs Monate werden mir rückwirkend Betriebsausgaben gestrichen: Fahrtkosten, Reparaturen, Technik. So entstehen künstlich hohe Gewinne – und Rückforderungen von mehreren tausend Euro. Insgesamt fordert das Jobcenter inzwischen 20.000 Euro von mir zurück. Ich werde das nie zahlen können, weil ich völlig mittellos bin. Deshalb lege ich jedes Mal Klage ein. Das ist zum Ritual geworden. Ich weiß gar nicht, wie viele Klagen aktuell laufen – vielleicht zehn? Dieses Jahr wurde ein neues medizinisches Gutachten von mir erstellt. Demnach bin ich nicht vermittlungsfähig und weniger als drei Stunden pro Tag belastbar. Das war für mich ein Schock – denn es wird mich wohl vollständig aus dem Arbeitsmarkt katapultieren. Den Kleinkrieg mit dem Amt halte ich psychisch kaum noch aus. Ich habe Angstzustände, wenn ich den Briefkasten öffne. Mein Selbstbewusstsein ist zerstört. Aber die Fotografie gibt mir Halt. Auf Veranstaltungen werde ich respektiert. Meine Arbeit wird gebraucht. Dort bin ich kein Aktenzeichen. Mit Sorge blicke ich auf die geplante Reform des Bürgergelds. Denn künftig soll Selbstständigkeit wohl nur noch ein Jahr lang unterstützt werden. Ich weiß nicht, was das für mich bedeuten würde. Ich will meine Selbstständigkeit nicht aufgeben. Auch wenn sie in zwanzig Jahren nie tragfähig geworden ist und das Jobcenter sie entwertet. Sie ist mein Leben. Der promovierte Geologe Dr. Klaus Baumgartner*, 44 Jahre: Es war immer mein Traum, zu lehren und zu forschen. Doch die Universität hat mich klein gemacht. Nach meinem Studium bekam ich dort eine halbe Stelle. Ich dachte, das sei mein Einstieg in eine wissenschaftliche Laufbahn. Doch dann wurde für mich sehr überraschend mein Vertrag nicht verlängert. Kurz darauf zerbrach meine Beziehung. Wir hatten zusammengewohnt, also verlor ich auch meine Wohnung. Job weg, Beziehung weg, Wohnung weg. Ich bin komplett eingestürzt und mein ganzes Selbstvertrauen war futsch. Daraufhin musste ich zum ersten Mal zum Jobcenter. Für mich war das der absolute Tiefpunkt. Mit Hartz IV konnte ich dann aber meine Promotion fortsetzen. Die Arbeit daran hat mir einen Sinn gegeben, sonst wäre ich im System wohl versauert. Doch gleichzeitig wurden meine Selbstzweifel immer schlimmer und ich habe viele Ängste aufgebaut. Deshalb zögerte ich die Doktorarbeit immer weiter heraus. Ich gab sie erst fünf Jahre später ab – und bestand mit einer guten Zwei. In dieser Zeit ließ mich das Jobcenter nicht in Ruhe. Ich musste an einigen Maßnahmen teilnehmen. Dort saß ich mit lauter anderen langzeitarbeitslosen Dauerakademikern in einem Raum und ein Coach wollte uns zu "Champions" machen. Das war absurd. Weil ich keine Stelle an einer Uni bekam und keine Kontakte in die Industrie geknüpft hatte, versuchte ich etwas Neues – und fing als Quereinsteiger an einer Schule an. Das hat mir anfangs gut gefallen. Einige Schüler haben mich als Geolehrer gefeiert wie einen Rockstar. Ich wollte mich beweisen, doch die Arbeit wurde mir schnell zu viel. Schon nach wenigen Monaten saß ich im Lehrerzimmer und merkte: Ich breche gerade zusammen. Burn-out. Mein Arzt sagte mir, ich muss sofort da raus. Also wurde ich wieder arbeitslos – und musste wieder zum Jobcenter. Als nächstes ließ ich mir eine Ausbildung zum systemischen Coach finanzieren. Ich bekam auch ein entsprechendes Jobangebot, doch die Bedingungen passten nicht. Stattdessen versuchte ich es als selbstständiger Coach, doch die Kunden blieben aus. Irgendwann war klar: Auch dieser Weg trägt nicht. Heute lebe ich von Bürgergeld. Als ehrenamtlicher Naturschutzbeauftragter verdiene ich mir etwas dazu. Die Reform hin zu mehr Druck und härteren Sanktionen macht mir Angst. Ich glaube, viele Empfänger machen sich selbst den größten Druck. Ich will raus aus dem System, doch je mehr Zeit vergeht, desto größer wird die Kluft. Außerdem ist die Jobsuche schwierig, denn mit einem Doktortitel gilt man schnell als überqualifiziert. Der Drogensüchtige Mario L., 42 Jahre: Am Tiefpunkt meines Lebens habe ich mir Crystal Meth gespritzt und wollte sterben. Kurz zuvor hatte ich noch mit meiner Freundin eine erfolgreiche Werbeagentur. Mein Leben ist eine ständige Achterbahnfahrt. Hinter mir liegen 20 Jahre Drogenkonsum. Am Anfang habe ich studiert, aber parallel eine kleine Werbeagentur gegründet. Die lief schnell sehr gut. Wir waren zu zweit: Meine Freundin machte die Layouts, ich programmierte die Webseiten. Wir haben aus Hartz IV heraus angefangen – und waren nach nicht einmal zwei Jahren komplett raus aus dem Leistungsbezug. Die Agentur war die Idee meiner Freundin, aber ich bin voll darin aufgegangen. Ich habe ADHS und kann mich gut in neue Themen reinstürzen. Das war damals aber noch nicht diagnostiziert. Stattdessen bin ich über die Technopartyszene auf Amphetamine gestoßen. Die Droge habe ich schnell in meinen Alltag verschleppt. Ich habe die Werbeagentur eigentlich nur durch regelmäßigen Speed-Konsum durchziehen können. Das war sehr ambivalent: Ich wusste, ich nehme da eine Droge – aber ich habe auch besser funktioniert. Meine Freundin hat mich grundlegend strukturiert. Das habe ich nicht zu schätzen gewusst. Sie fand einen neuen Partner, und ich stand plötzlich allein mit der Firma da. Dann bin ich in die Erfurter Drogenszene abgerutscht und habe schnell abgebaut. Ich hatte noch ein Büro, aber keine Wohnung mehr. Also habe ich auf vier Bürostühlen geschlafen. Und dann ist innerhalb weniger Wochen mein gesamtes Umfeld auf Crystal Meth umgestiegen. Ich auch. Die Wirkung ist extrem. Ich war tagelang wach und stand vollkommen neben mir. Ich habe fünf Jahre lang konsumiert, am Ende mit der Spritze. Das war der totale Absturz. Ich war kurz vor einer Überdosis. Da habe ich gedacht: Was mache ich hier eigentlich? Ich flüchtete aus Erfurt, ließ Crystal hinter mir und ging nach Berlin . Dort setzte ich mich zum ersten Mal mit ADHS auseinander – das war eine Offenbarung. Doch mein Leben blieb chaotisch und ich nahm weiter Drogen. Das Jobcenter finanzierte mich, aber ich war chronisch schlecht zu erreichen. Deshalb bekam ich mehrfach Sanktionen, teilweise wurden mir Leistungen komplett gestrichen. Ich saß ohne Strom in meiner Wohnung. Das Jobcenter war direkt gegenüber. Ich bin rübergegangen, um meine Situation zu klären. Die Mitarbeiterin knallte mir einen Stapel Briefe auf den Tisch und sagte: "Sie wohnen am nächsten dran, aber wir können Sie am schlechtesten erreichen." Aber sie meinte es gut mit mir, trieb mich an, meine Lebensführung zu stabilisieren. Dabei half mir auch ein älteres Ehepaar, das mich aufnahm und mir Struktur gab. Der eigentliche Wendepunkt kam aber erst durch eine schwere Lungenerkrankung . Ich hatte meinen Suizidtermin praktisch schon eingeplant, doch dann kam der Lebenswille durch. Ich habe an einem Tag mit Speed, Cannabis und Zigaretten aufgehört. Seit drei Jahren bin ich clean. Stattdessen nehme ich heute ärztlich verschriebene Medikamente. Ich werde nie wieder 40 Stunden arbeiten können. Dafür habe ich zu sehr Raubbau an meinem Körper getrieben. Aber ich kann wieder arbeiten. Ich möchte mit meinen Erfahrungen andere Menschen unterstützen, die Krisen durchmachen. Dafür plane ich, nächstes Jahr einen Job im sozialen Bereich anzufangen. Das wird gut. Mit Stern gekennzeichnete Namen wurden auf Wunsch der Gesprächspartner geändert. Sie sind der Redaktion bekannt.



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