Der Einstieg von Audi als Werksteam in die Formel 1 war hochumstritten - auch weil das Vorhaben Milliarden verschlingt. Der deutsche Autobauer geht das Risiko ab 2026 dennoch ein. Kann das gut gehen? Im Hintergrund streichen die Millisekunden vorbei. Audi-Boss Gernot Döllner steht an einem kalten Novembertag vor geladenem Publikum in München und stellt das Formel-1-Konzeptauto R26 vor. Es ist ein optischer Vorgeschmack auf den ersten Rennwagen des deutschen Herstellers, der sich von der Saison 2026 an in der Motorsportkönigsklasse beweisen will. Audi ist dann Team Nummer elf. Wie unnachgiebig die Formel 1 tickt, zeigt sich an der digitalen Anzeige hinter Döllner. Die Tage, Stunden, Minuten, Sekunden und eben Millisekunden sind auf den ersten Grand Prix des Jahres am 8. März in Melbourne ausgerichtet. Audi stürzt sich in ein milliardenschweres Wagnis, es gibt keine Zeit zu verlieren, aber dafür Druck auf allen Ebenen. "Wann immer Audi in eine Rennserie eingestiegen ist, war Audi erfolgreich", sagt Döllner vor dem in Titanium, Carbon-Schwarz und Audi-Rot lackierten Wagen. BMW zog 2009 die Reißleine Der Audi-Chef hat das Formel-1-Projekt nur von seinen Vorgängern geerbt. Der heutige Konzernchef und damalige Porsche-Boss Oliver Blume war eine treibende Kraft, vor allem aber Markus Duesmann. Der einstige Audi-Boss hatte mit der Königsklasse des Motorsports noch eine Rechnung offen: Beim Formel-1-Intermezzo von BMW zu Beginn des Jahrtausends war er Entwicklungschef. Damals war Sauber der Partner, der Schweizer Rennstall, den Audi nun komplett übernommen hat. Als sich die erhofften Erfolge trotz immenser Investitionen nicht einstellten, stieg BMW 2009 nach nur vier Jahren wieder aus der Rennserie aus. Mit Audi soll sich das nicht wiederholen. Das war Duesmanns Wunsch, es ist nun Döllners, der seit seiner Inthronisierung im September 2023 auch das intern hochumstrittene, weil kostspielige Formel-1-Engagement auf den Prüfstand gestellt hat. "Jetzt ist es absolut mein Projekt", versichert Döllner, dessen voll gepackter Kalender es wohl nicht erlaubt, in Melbourne vor Ort zu sein. Ein anderer, sehr wichtiger Mann wird anwesend sein: Stefano Domenicali. Der Italiener ließ sich vor Ort auch die Vorstellung des R26 nicht nehmen. Das sollte zeigen, wie wichtig der Neuling für die Rennserie ist. Domenicali selbst, heute Formel-1-Geschäftsführer, hatte nach seinem Aus bei Ferrari 2014 den Audi-Einstieg geplant, doch damals entschied sich die Wolfsburger Konzernzentrale noch gegen das Projekt. Kapital aus Katar Die Formel 1 ist eine der größten Sport-Plattformen der Welt, sie boomt. Das will Audi trotz allgemeiner Krise in der Automobilbranche für sich nutzen. Hätte es allerdings die Regelrevolution zur Saison 2026 - der größte Reglementeinschnitt der jüngeren Grand-Prix-Geschichte - mit neuen Motoren und die Budgetdeckelung, die eine langfristige finanzielle Planbarkeit erlaubt, nicht gegeben, wäre die Volkswagen-Tochter nicht eingestiegen. "Der Einstieg in die Formel 1 war nie besser als in den vergangenen 30 Jahren mit dieser Regeländerung", sagt Döllner. Mit dem katarischen Staatsfonds QIA, der eine Minderheitsbeteiligung am Rennstall hält, hat er sich externes Kapital dazugeholt. Audi baut selbst den Motor Die Hybrid-Aggregate beziehen künftig ihre Leistung zu 50 Prozent aus einem Verbrennungsmotor und zu 50 Prozent aus einer Batterie, der Kraftstoff ist zu 100 Prozent nachhaltig. Und diesen Motor bauen sie in Neuburg an der Donau selbst. Im Gegensatz zu Ford, das Red Bull nur den Motor liefert, und Cadillac, das sich bei Ferrari bedient. "Für Audi geht es nicht darum teilzunehmen, sondern zu gewinnen", stellt Projektleiter Mattia Binotto klar. Binotto war früher Ferrari-Teamchef, er war es auch, der einst Sebastian Vettel am Telefon abservierte. Mit klaren Ansagen kennt sich der Schweizer also aus. "2026 und 2027 sind die Herausfordererjahre", diktierte sein Vorgesetzter Döllner. "Von 2028 an wollen wir wettbewerbsfähig sein, ab 2030 wollen wir um den Titel fahren." Audi muss beschleunigen, und zwar schnell. Wheatley war einst Mechaniker bei Schumacher Das wissen die Fahrer Nico Hülkenberg und Gabriel Bortoleto, das weiß auch Teamchef Jonathan Wheatley. Der Engländer begann 1991 bei Benetton als Junior‑Mechaniker und arbeitete dort unter anderem auch am Auto von Michael Schumacher . Hinter den WM-Titeln von Red Bull war er eine der prägenden Figuren. "Ich mache mir eigentlich nie Sorgen", meint Wheatley über seinen Stresspegel. "Es ist immer so: Du bekommst eine Herausforderung gestellt, beschäftigst dich mit ihr und machst weiter. Nur so überlebst du in der Formel 1. Du bringst unentwegt Dinge voran, du versteckst dich nicht vor Herausforderungen, sondern stellst dich ihnen." Ein erfolgreiches Formel-1-Projekt Audi soll auf das ganze Unternehmen ausstrahlen. "Corporate Audi kann eine Menge von der Formel 1 lernen", sagt Döllner. Tempo, Tempo, Tempo Am 20. Januar stellt das Audi Revolut F1 Team, so der offizielle Name des Rennstalls, dann die finale Rennlackierung für die Saison 2026 in Berlin vor. Schon sechs Tage später wird in Barcelona erstmals getestet. "Es ist bei einem so neuen Projekt schwierig, in die Zukunft zu wetten", meint Hülkenberg. "Dass eine große Marke dahintersteht, heißt nicht, dass alles klappt, aber die Voraussetzungen sind vorhanden, um schnellstmöglich konkurrenzfähig zu sein." Am 8. März erlöschen die roten Formel-1-Ampeln erstmals auch für Audi.