Baden-Württemberg: Keine Spur mehr vom Odenwald-Wolf
Von Jens Schmitz, RNZ Stuttgart, und Sören S. Sgries
Stuttgart/Heidelberg. Das kurze Gastspiel des Wolfs im Odenwald ist vorerst wieder beendet: Das wurde am Rande eines Pressetermins mit Umwelt-Staatssekretär Andre Baumann (Grüne) am Donnerstag im Schwarzwald bekannt. Wie ein Sprecher des Umweltministeriums auf RNZ-Anfrage bestätigte, gilt der Rüde mit der Kennung GW1832m seit dem 1. Mai offiziell als "abwesend". "Wo er ist, wissen auch die Experten der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt FVA nicht", so die Auskunft. "Er kann weitergezogen oder auch tot sein."
Wahrscheinlich ist allerdings, dass das Tier – aus welchen Gründen auch immer – verendet ist. "Wenn Wölfe sechs Monate lang in einem Gebiet nachgewiesen wurden, verlassen sie dieses nicht mehr aus eigenem Antrieb", so Micha Herdtfelder vom Wildinstitut der FVA. Ein weiteres Exemplar, das den Odenwälder Wolf hätte vertreiben können, gebe es dort aber nicht.
Genetisch nachgewiesen worden war das Tier erstmals am 17. September 2020 bei einem Nutztierriss in Mudau. Seitdem gab es vier weitere genetische Nachweise in der Region, zuletzt allerdings vor einem Jahr, am 27. April 2021. Ein Angriff auf eine Schafherde in Limbach einen Tag zuvor wurde dem Tier ebenfalls zugeschrieben. Seitdem: Keine Spur mehr von GW1832m.
Für Tierhalter im Odenwald bedeutet das zunächst einmal eine Entlastung. Nutztier–Risse durch einen sesshaften Wolf sind vorerst nicht mehr zu befürchten. Aber: "Der Odenwald kommt weiter als Wolfsterritorium in Frage", so die Auskunft aus dem Umweltministerium. Auch das Fördergebiet im Odenwald, in dem besondere Herdenschutzmaßnahmen bezuschusst werden, soll bestehen bleiben.
Zunächst kann sich die Landesregierung aber auf den Umgang mit den verbliebenen drei sesshaften Rüden im Schwarzwald konzentrieren. Dort stellte Staatssekretär Baumann auch den neuen, gut 60-seitigen "Managementplan Wolf" vor, bei einem Pressetermin zwischen den 950 Schafen der Brüder Bernd und Herbert Schaible in Aidlingen-Dachtel (Kreis Böblingen). 31 Behörden, Einrichtungen und Verbände waren an der Entstehung beteiligt, vom Naturschutz über die Landwirtschaft bis hin zu Jagd und Tourismus.
Der Plan soll das Land auf eine Zukunft vorbereiten, in der sich im Südwesten mehr Wölfe dauerhaft aufhalten als die derzeit bekannten einzelnen Rüden. Irgendwann werde auch mal ein Weibchen einwandern, sagte Baumann, betonte aber gleichzeitig: "Ich wünsche mir das nicht." Baden-Württemberg müsse jedoch auf Rudelbildungen vorbereitet sein. Der neue Plan sein ein gemeinsam mit allen Akteuren abgestimmter Kompromiss für diese nächste Stufe.
Das Dokument bündelt Informationen zur Art, ihrem Monitoring und den Schutzvorschriften. Es macht auch Empfehlungen zur Kommunikation über das emotional aufgeladene Thema. Das größte Einzelkapitel befasst sich aber mit den verschiedenen Konfliktfeldern zwischen Mensch, Weidetierhaltung, Jagd und Wölfen einerseits sowie mit Problemtieren andrerseits. Das umfasst entlaufene Gehege-Bewohner und Hybriden genauso wie verhaltensauffällige Exemplare und Wölfe, die mehrfach Nutztiere reißen.
"Prävention ist immer besser als Kompensation", umschrieb Baumann das Grundprinzip. "Wir müssen vermeiden, dass der Wolf sich daran gewöhnt, sich statt des Rehs, des Wildschweins, des Hirsches an Nutztieren zu vergreifen."
Der Handlungsleitfaden definiert, welche Herdenschutzmaßnahmen das Land fördert und wie im Fall von Wolfsrissen Ausgleichszahlungen abgewickelt werden. Zusammen mit Rheinland-Pfalz, Hessen und dem Saarland hat Baden-Württemberg außerdem "Fang- und Entnahmeteams" aufgebaut, die die streng geschützten Tiere unter bestimmten Umständen töten dürfen. "Wir versuchen das zu vermeiden, aber wir sind handlungsfähig" betonte Baumann an die Adresse der Skeptiker gerichtet.
Zu diesen bekannte sich Anette Wohlfarth, Geschäftsführerin des Landesschafzuchtverbands. Der Management-Plan enthalte viele wichtige Punkte. Er schreibe aber nicht genau genug vor, wann ein problematischer Wolf zu töten sei. "Was ist der zumutbare Herdenschutz? Wie oft muss der Wolf in welchem Zeitraum den Herdenschutz überwunden haben, bis er dann als böser Wolf gilt?" Sie fürchtete, dass die Naturschutzbehörden bei den Regierungspräsidien in solchen Fällen willkürlich entscheiden könnten.
Baumanns Naturschutz-Abteilungsleiter verwies darauf, dass etwa in steilem Gelände keine pauschale Angabe zur nötigen Höhe von Zäunen möglich sei. Baumann legte sich ansonsten aber fest: Man werde an ordnungsgemäß aufgestellten Zäunen nicht mit dem Zollstock nach einer Zwei-Zentimeter-Abweichung suchen. Wenn ein Wolf "innerhalb von sechs Monaten zweimal einen ordnungsgemäß aufgestellten Zaun überwindet, dann werden wir dieses Tier entsprechend auch entnehmen".