Zu Gast beim neuen Lieblingsgegner
Nach dem Bayern-Spiel am Samstag wurde vor allem die Elfmeterentscheidung von Felix Zwayer heftig diskutiert, was zum Teil auch daran lag, dass es ansonsten – zumindest aus Gladbacher Sicht - nicht so viel Neues zu berichten gab. Das Spiel bestätigte eher all die Erkenntnisse des Herbstes 2024, wie sie auch im Seitenwahl-Rückblick kurz vor Jahresende dokumentiert wurden. Auf der Plus-Seite war dabei die defensive Stabilität. Gänzlich ausschalten kann man ein Weltklasseteam wie Bayern nicht, aber bevor der Schiedsrichter meinte, dass dem Spiel ein Tor guttun könne, hatte die Borussia die Dinge rein defensiv im Griff. In den 45 Minuten zwischen der 22 und 67. Minute (also einer kompletten Halbzeit) ließ die Borussia nur 0.33 xGoals zu, der Großteil der dicken Bayern-Chancen kam erst in der Schlussphase als Gladbach aufmachen musste. Nach 16 Spieltagen hat der VFL nur 60% der Gegentore kassiert, die es im Vorjahr gab (21 im Vergleich zu 35) und das Spiel am Samstag zeigte, dass dies kein Zufall ist.
Auf der Negativseite zeigte das Spiel am Samstag aber auch, wie abhängig die Borussia von einigen Schlüsselspielern ist und nach Tim Kleindienst ist Frank Honorat vermutlich im Moment der unverzichtbarste Spieler bei der Borussia. So erfreulich die Abwehrleistung war, so gab es wenig Entlastung und die schnellen Vorstöße über die rechte Seite fehlten dem Gladbachspiel doch sehr. Darüber hinaus ist der Franzose auch bei Standards eine wahre Waffe, die man gerade in solchen Spielen gegen Spitzenmannschaften dringlich braucht, wenn man denn auch selber mal ein Tor machen will.
Auf der Pressekonferenz wollte der Trainer zwar einen Einsatz Honorats nicht gänzlich ausschließen, aber vermutlich wird er auch in Wolfsburg fehlen. Gegen Bayern reagierte Seoane auf den Ausfall mit einer Stärkung des defensiven Mittelfeldes und ließ Weigl, Reitz und Sander gemeinsam spielen. Es wäre überraschend und auch enttäuschend, wenn diese Variante auch in Spielen gegen Gegner auf Augenhöhe gewählt würde.
Da Ngoumou (glücklicherweise…auch wenn es weh tut das zu sagen) im Moment auch nicht zur Verfügung steht, ist eine Rückkehr von Kevin Stöger in die Startelf eine Option begleitet von einem Switch von Hack auf die rechte Seite. Dies scheint einiges wünschenswerter als Cvancara mal wieder auf rechts auszuprobieren (ein Alternative, die Seoane auf der PK jedoch nicht ausschloss), was bei den bisherigen Versuchen überhaupt nicht funktionierte. Angesichts des nächsten Hammerspiels bei den wiedererstarkten Leverkusenern am Samstag, wäre es auf jeden Fall gut eine aktive und offensive Borussia in Wolfsburg zu sehen, denn dieses Spiel ist die beste Chance einen Fehlstart mit 3 Niederlagen zu vermeiden.
Die bereits erwähnte Augenhöhe scheint dabei auf jeden Fall gegeben, denn die Wolfsburger liegen im Moment exakt nur ein Tor vor den Gladbachern. Dabei spielen die Niedersachsen eine ziemlich unberechenbare und leicht verwirrende Saison. Lange Zeit dümpelte man eher in den unteren Tabellenregionen herum, dann spülte eine Erfolgswelle von 5 Siegen in Folge das Hasenhüttl-Team in die obere Tabellenhälfte. Völlig überzeugt hat man dabei aber selten. Einem sensationellen 5:1 in Leipzig stehen viele schwache Spiele entgegen. Vor allem auf eigenem Platz tut sich das Werksteam schwer. Nur 2 Siege konnte man in Wolfsburg bislang in der Liga feiern: ein 1:0 gegen Union Berlin und das höchst schmeichelhafte 4:3 gegen Mainz. Das hat auch damit zu tun, dass Hasenhüttl im Prinzip lieber dem Gegner den Ball überlässt, um dann Umschaltmomente zu nutzen, was auswärts meist besser funktioniert als im eigenen Stadion. Der Kader ist eigentlich in der Lage spielerisch erheblich mehr zu leisten, was vor allem neue Spieler wie Amoura oder Bence Dardai in den letzten Wochen andeuteten. Dem österreichischen Trainer scheint aber nicht immer klar zu sein, dass er nicht mehr mit Southampton um das Überleben in der Premier League kämpft, sondern den siebt-teuersten Kader der Liga betreut, von dem man erwartetet, dass er um internationale Plätze spielt.
Betagtere Leser mögen noch eine vage Erinnerung an Wolfsburg als Angstgegner der Borussia haben. In der Realität hat sich das aber eher umgedreht. Es ist mehr als 5 Jahre her, dass der falsche VFL ein Spiel gegen die Borussia gewinnen konnte. Die 2:1 Niederlage mit Marco Rose als Trainer kam dabei auch unmittelbar nach einem Heimspiel gegen den FC Bayern: jener unvergessliche Elfmeter von Bensebaini kurz vor Schluss mit der ikonischen Ein-Finger Rettungsaktion auf der Torlinie von Sommer in der ersten Halbzeit. Seitdem gab es in 10 Pflichtspielen (darunter auch ein Pokalspiel) 4 Unentschieden und 6 Siege für Gladbach, 2 davon in Wolfsburg.
Das alles macht die Borussia jetzt nicht zum Favoriten in diesem Spiel, aber es unterstreicht, dass man nicht chancenlos nach Wolfsburg fährt. Psychologisch gesehen wäre ein Erfolgserlebnis am Dienstag gut, um nicht gleich mit 3 Niederlagen in Folge ins Jahr 2025 zu starten. Aber auch in dem Fall, gäbe es keinen Anlass zu ernsthaften Sorgen. Es müsste schon einiges zusammenkommen, damit der VFL dieses Jahr noch in Abstiegsnöte gerät. Man ist eine von sehr vielen Mannschaften, die Chancen hat irgendwo zwischen Platz 5 und 11 zu landen. Spielplan bedingt wird man die Woche vermutlich eher am Ende dieser Gruppe beenden. Aber 24 Punkte sind jetzt schon eine gute Ausbeute für die Hinrunde, die normalerweise für eine Position zwischen Platz 7-9 reichen würde. Insofern ist der aktuelle Tabellenplatz im Moment eher zweitrangig, sondern man sollte die ruhige Phase nutzen, um das Team weiter zu festigen, Alternativen zu testen und auch schon den Kader fürs nächste Jahr zu planen. Das Beste wäre, damit schon in der Wintertransferperiode zu beginnen.
Seitenwahlprognose:
Claus-Dieter Mayer: Borussia glänzt nicht, aber beweist erneut defensive Stabilität und kann so in Wolfsburg immerhin eine 1:1 erringen.
Michael Heinen: Gegen Wolfsburg bleibt Borussia auch im 10. Spiel in Folge ungeschlagen und erkämpft sich ein 2:2.
Christian Spoo: Borussia spielt gut, aber ohne Honorat fehlt auch in Wolfsburg die Durchschlagskraft. Das mündet in eine erneute 0:1-Niederlage.
Mike Lukanz: Vergangene Saison sicherte einer der wenigen Auswärtssiege in Wolfsburg den Klassenverbleib. Zum Glück sind jetzt schon genug Punkte auf dem Konto, so dass das 0:2 uns nicht in akute Abstiegsgefahr bringen, sondern nur die vorweihnachtliche Euphorie auf ein Borussen-gewöhnliches Niveau zurücksetzen wird.