Borussia muss sich am Riemann reißen
Im Moment beherrscht der Weltenlauf die Schlagzeilen, Trump und seine Oligarchentruppe bestimmen gefühlt sämtliche Nachrichten, wie will man da gelesen werden, wenn man sich nur mit Fußball und dann auch noch einem Spiel zwischen dem VfL Borussia Mönchengladbach und dem VfL Bochum beschäftigt? Denn das hat man zwar zum Topspiel des Spieltages in der 1. Fußball-Bundesliga bestimmt, aber da fragt man sich auch, welche Drogen der für diese Einstufung Verantwortliche eingeschmissen hat.
Wir haben uns in der Redaktionskonferenz also verzweifelt nach einer Idee gesucht, wie man einen - notfalls an den Haaren herbeigezogenen - USA-Bezug zum VfL Bochum herstellen könnte, am besten einen zu Elon Musk, jemandem, der seinen Reklamierarm weniger im Griff hat als Manuel Neuer und der wohl noch mehr Drogen konsumiert als die Topspielauswähler von der DFL. Aber das war gar nicht so einfach; und das nicht nur, weil man in der Seitenwahl-Redaktion auf diversen Köpfen auf sippelsche Nachbewaldung bisher verzichtet hat. Aber es ist mir dann doch noch etwas eingefallen. Elon Musk hat ja unlängst kundgetan, dass er Douglas Adams’ Zukunftsvision aus dem Jahr 1979, “The Hitchhiker’s Guide to the Galaxy”, für das wesentliche philosophische Werk der Menschheit hält. Naja, das ist 2025 schon peinlich, passt aber halt ins Bild. Aber es ist so, dass ich das Buch auch einmal gelesen habe, und da kommt eine Figur vor, die Bowerick Wowbagger heißt. Anders als Elon Musk habe ich den Namen jetzt natürlich nachgucken müssen. Jedenfalls ist diese Romanfigur unsterblich, und weil das auf die Dauer schon sehr langweilig wird und er nicht so richtig etwas zu tun hat, hat er sich vorgenommen, das ganze Universum, also jedes einzelne dort lebende Wesen, zu beschimpfen. Und – so jetzt kommt es - da müssen wir doch alle an Manuel Riemann vom VfL Bochum denken.
Wer erinnert sich nicht – leicht zärtlich - wie Manuel Riemann immer alle – Gegenspieler wie Mitspieler – beschimpfte, ihnen den Kopf wusch, sie anfauchte und mit der Gesamtsituation und der Abwehrleistung der vor ihm agierenden Zehn eigentlich grundsätzlich und unabhängig vom Spielstand immer unzufrieden war. Zuletzt beim 5:2 im Borussia-Park in der vergangenen Saison, als er sich um jede Chance brachte, jemals bei einer Geburtstagsfeier eines der beteiligten Fußballprofis eingeladen zu werden. Irgendwann hat die wowbaggerartige Dauerbeschimpfung dazu geführt, dass man ihn aus der Mannschaft und aus deren Training verbannt hat. Als Dieter Hecking die Mannschaft im Herbst letzten Jahres übernahm, begnadigte er Riemann allerdings zügig, verwehrte ihm jedoch auch die Rückkehr auf das Feld. Und nun wurde das Kapitel Riemann in Bochum wohl endgültig geschlossen, denn er verließ am gestrigen Mittwoch den Verein in Richtung Paderborn. Da wird er auf Lukas Kwasniok treffen, der ihm viel über Langmut und Sachlichkeit wird beibringen können. Wir wünschen ihm alles Gute.
Aber auch ohne ihn wird es um die Bochumer Torwartposition nicht unbedingt ruhig. Sein Nachfolger Drewes stand ja unlängst im Mittelpunkt eines veritablen Skandalspiels, als sich Union Berlin in einem unschönen Beispiel für cultural appropriation einfach eine Domäne Bochumer Fankultur aneignete und mit eben jenem Patrick Drewes einen Akteur auf dem Rasen mit etwas bewarf. In Abgrenzung zum VfL Bochum nahm man allerdings ein Feuerzeug dafür. Zwar hat sich mittlerweile das DFB-Sportgericht dafür ausgesprochen, das Spiel mit 2:0 für den VfL zu werten, aber in den Tabellen wird immer noch ein 1:1 geführt, weil nicht nur Union Berlin gegen dieses angebliche “Skandalurteil” Einspruch eingelegt hat, sondern Kiel und Pauli als mittelbar betroffene Clubs ebenfalls. Ich habe extra nur “Pauli” geschrieben, da ärgern die sich, aber das ist ja auch unsportlich, drei gegen einen, und die Berliner Täter-Opfer-Umkehr mitzutragen, ist auch reichlich schäbig. Die Heime, Hoffen wie Heiden, haben jedenfalls nicht mitgemacht. Diese Praxis, dass da beim Sportgericht alle nach Lust und Laune mitklagen können, die wollen, ist aber überhaupt etwas gewöhnungsbedürftig. Und was kriegen die denn, wenn die jetzt gewinnen? Bekommen die dann jeder auch noch einen Punkt von Bochum? Oder dürfen die mit den Fingern auf die Spieler des VfL Bochum zeigen und sie auslachen?
Im Raume steht jedenfalls der Vorwurf, Drewes habe nur simuliert. Dieser hat sich davon schon etwas beeindruckt gezeigt. Zuletzt, beim wilden 3:3 gegen das ostdeutsche Werbevehikel, hatte er jedenfalls einige Aktien darin, dass es nach 20 Minuten 0:3 für die Gäste stand. Dass in dem Spiel noch ein Punkt geholt wurde, hat man in Bochum bestimmt eher als Sieg denn als Unentschieden wahrgenommen. Es gab aber trotzdem auch dafür nur einen Punkt. Bochum könnte die Punkte vom gründen Tisch also sehr gut gebrauchen, dieser eine bisher in den Tabellen festgehaltene Punkt aus Berlin ist nämlich der einzige, den sie in der Fremde zu holen vermochten. Allerdings holten sie aus den letzten fünf Spielen schon jetzt acht Punkte, und zwei mehr könnten es ja noch nachträglich werden. Ein Noch-Borusse könnte beim Ergattern weiterer Punkte vielleicht helfen, denn es wird kolportiert, dass Dieter Hecking ein Auge auf seinen ehemaligen Schützling Florian Neuhaus geworfen hat. Aber ob das eine realistische Option ist, darf getrost angezweifelt werden.
Aber zu Dieter Hecking ist ansonsten zu sagen, dass sein Wirken in Bochum durchaus Früchte trägt. Zwar hat er das Ruder nicht in Kürze herumreißen können, aber – und das ist vielleicht deutlich nachhaltiger – so langsam zeigt sich ein Ansatz, mit dem Bochum anders als in der ersten Saisonphase wirklich Spiele gewinnen kann. Machen wir aus unserem Herzen keine Mördergrube: Wir wünschen ihm von Herzen Erfolg bei seiner Mission, aber wir wären ganz froh, wenn sich dieser am Samstag noch nicht einstellen würde. Im Borussia-Park wird ihn zumindest vor dem Spiel bestimmt ein freundlicher Empfang erwarten.
Für Borussia ist ein Sieg aber ebenso wichtig, sonst droht wieder das ganz große Zähneklappern Einzug zu halten, schließlich haben alle hinter der Borussia an den letzten drei Spieltagen – zum Teil ganz ordentlich – gepunktet. Je nach Betrachtungsweise sind die drei letzten Spiele also ein ganz schöner Absturz gewesen. Ober, wenn man es positiv sehen will, mit Ausnahme der zweiten Hälfte in Wolfsburg eigentlich erwartbar und spielerisch durchaus akzeptabel gestaltet worden. Wenn man dieser Sichtweise folgen will und sich weiterhin im Aufwind wähnt, dann muss aber das Spiel gegen Bochum zwingend erfolgreich absolviert werden. Da stehen Seoane und die Mannschaft eindeutig in der Pflicht.
Blicken wir also abschließend noch auf das Gladbacher Personal für Samstag. Trotz drei Gegentreffern im Schnitt der letzten drei Spiele wird Moritz Nicolas weiterhin das Gladbacher Tor hüten. Stevie Lainer wird sich vermutlich wieder mit einem Platz auf der Bank begnügen müssen, auch wenn er es gegen Leverkusen vor Wochenfrist sehr ordentlich machte. Im Zentrum sollte sich nichts ändern, wenn, ja wenn, Itakura wirklich wieder einsatzbereit ist. Ihn hatte unter der Woche ein Infekt aus dem Training genommen, Seoane will die Entwicklung noch abwarten, ob es für einen Einsatz reicht. Ob der zuletzt ebenfalls nicht trainingsfitte Friedrich oder doch vielleicht sogar einmal Chiarodia ansonsten zum Einsatz käme, wird sich nur dann zeigen. Am wahrscheinlichsten erscheint uns, dass Julian Weigl in diesem Fall als Innenverteidiger agieren würde. Links bleibt es ein offenes Rennen zwischen Netz und Ullrich, zuletzt hatte Ullrich wieder die Nase vorn, aber das muss ja nichts heißen. Weigl und Reitz dürften wieder die Doppel-6 besetzen, davor aber wird es schwierig. Franck Honorat fällt weiter aus und wird weiter ebenso schmerzlich vermisst werden. Angeblich, so hieß es unter der Woche, sollte Ngoumou Honorat während dessen Abwesnheit ersetzen, allerdings spielte zuletzt wieder Čvančara dort. Seoane wird sich vermutlich auf einen aus dem Duo Stöger/Pléa festlegen, vermutlich auf Pléa, und dann werden Hack und Kleindienst den Sturm komplettieren. Jetzt, wo ich das alles aufschreibe, ist es doch irgendwie langweilig. Einwechseloptionen wie immer der andere aus dem Duo Stöger/Pléa (zuletzt gemeinsam auf der Bank), ein Abwehrspieler und Fukuda. Immerhin einer ist neu: Nach der Leihe von Ranos nach Kaiserslautern wird im Kader wohl ein Platz für Noah Pesch frei. Und kleiner Fun Fact zum Abschluss : Vor 1990 Geborene dachten zum großen Teil vor Sekunden an eine Rockröhre, die anderen wissen nicht mal, was das ist. Aber die, die tippen, die schon:
SEITENWAHL-Prognose
Uwe Pirl: Es wird mühsam, aber es wird. Borussia gewinnt 2:1 gegen Bochum und alle sind erstmal erleichtert.
Claus Dieter Mayer: Die gute Laune in Mönchengladbach hat endgültig ein Ende. Nachdem 1:2 gegen den Ex-Trainer geht der Blick auf einmal wieder nach hinten.
Christian Spoo: Wenn Borussia muss, kann Borussia. Das ist das Neue in dieser Saison. Belegt wird das durch einen 3:1-Sieg gegen den sympathischsten der großen Ruhrgebietsvereine.
Michael Heinen: Bislang hat Borussia ihre Pflichtaufgaben in dieser Saison zumeist gut erledigt. Dies gelingt am Samstag leider nicht. Gegen den kleinen VfL reicht es durch ein spätes Gegentor nur zu einem 2:2.
Michael Oehm: Lange Zeit sieht Borussia wie der sichere Sieger aus, doch die Entscheidung bleibt aus, und der 5. Elfmeter in einem Spiel in Serie (diesmal wieder Scally) führt zum Ausgleich. 1:1