EM 2024: Alles neu, alles anders? Der DFB macht bei der Kaderpräsentation keine gute Figur
Die Strategie des DFB, den Kader für die Fußball-EM 2024 von anderen lancieren zu lassen, ist anders, sogar erfrischend. Blöd nur, wenn der Verband dann daran scheitert, Nominierungen, die er selbst bekannt geben will, vernünftig zu präsentieren.
Jens Riewa stellte Nico Schlotterbeck als ersten EM-Fahrer in der Tagesschau vor, am Montagabend präsentierte die Dachdeckerin Chiara, eine Handwerker-Influencerin, Manuel Neuer, am Dienstagmorgen flimmerte Niclas Füllkrug über den Radiosender "1 live" als fünftes Mitglied des deutschen EM-Kaders, später auch noch Chris Führich. Wie der DFB vor der Mitte Juni beginnenden Heim-EM seinen Kader an die Öffentlichkeit durchsticht, hat etwas Erfrischendes.
Vorbei die drögen Pressekonferenzen, in denen ein zweiminütiger Trailer mit den Namen aller Spieler gezeigt wurde, über die man dann maximal einen halben Tag diskutierte. Der Deutsche Fußball-Bund setzt nunmehr auf die Salamitaktik, die zu einer Art Schnitzeljagd wird, und den Fans gefällt das. Mal dürfen ARD oder RTL einen Namen verkünden, dann wieder sind Influencer aus Jobs an der Reihe, die einen chronischen Fachkräftemangel haben (Pflege und Handwerk).
EM-Kader: Diese Spieler sind bereits nominiert 13.22
Oder, wie im Fall von Führich, eine Bäckerei, die den Namen auf ihre Tüten druckt. Schon fragt man sich, wer noch bis zur offiziellen Verkündung des Kaders am Donnerstag die Möglichkeit bekommen wird, einen Spieler zu präsentieren. Gibt uns die Post per Flugblatt die Nominierung von Toni Kroos bekannt? Tanzt Annalena Baerbock auf einer fernen Südseeinsel den Namen der Flügelstürmer in den Sand? Und warum wurde eigentlich der Katastrophenalarm, der alle deutschen Handys erreicht, noch nicht genutzt?
Klar, der DFB macht hier aus der Not eine Tugend. Vor der vergangenen Länderspielpause im März war die Berufung der Neulinge um Deniz Undav frühzeitig an die Öffentlichkeit gedrungen, dem DFB blieb nur noch die Bestätigung dieser Namen – die Deutungshoheit über den großen Umbruch kurz vor der EM war dahin. Nun geht der Verband in die Offensive, präsentiert mit Neuer und Tah erwartbare Größen, nimmt mit der Nominierung von Schlotterbeck und Füllkrug aber auch den Kritikern den Wind aus den Segeln, die bemängeln, dass der Champions-League-Finalist aus Dortmund zu kurz kommt.
Mit Aleksandar Pavlovic ist außerdem ein Talent dabei, das man trotz seiner Nominierung im März nicht unbedingt auf der Rechnung haben musste. Gleichzeitig ist die Nationalmannschaft exakt einen Monat vor dem Auftaktspiel gegen Schottland bereits dauerhaft im Gespräch. Der Kader wird nicht nur am Donnerstag diskutiert, sondern über Tage hinweg. Das kann Lust machen auf die EM im eigenen Land – die angesichts der anstehenden Finals in der Europa League mit Bayer Leverkusen und der Champions League terminbedingt nochmal in den Hintergrund rücken wird.
Das Problem bei der Kaderverkündung für die EM 2024? Der DFB!
Alles gut also? Leider nein.
Denn der DFB schafft es trotz neuer Kanäle wieder mal, in der Öffentlichkeit kein allzu glückliches Bild abzugeben. Auf Instagram findet sich der Kader nur in den Story-Highlights, im Profil des DFB sind nur die beiden Videos der Influencer zu sehen. Auf dem englischsprachigen Zweitaccount des Verbandes wiederum, gedacht für internationale Anhänger, fehlen gar sämtliche Bekanntmachungen. Von einer offiziellen Bestätigung durch einen eigenen Post nimmt der DFB aber nicht nur auf Instagram Abstand.
Der DFB verkündet den EM-Kader häppchenweise via Instagram 13:41
Auf X, vormals Twitter, gratuliert der Verband zwar artig aktuellen und ehemaligen Spielern zum Geburtstag, eine Kaderbekanntgabe sucht man dort vergebens. Auf der Homepage des DFB wird dieser Tage an die EM 2004 erinnert – hatte irgendwer nach dem blamablen Ausscheiden damals gefragt? Sprich: Wer sich über den aktuellen Kader informieren will, muss auf den Seiten der jeweiligen Vereine suchen, dort gibt es die entsprechenden Meldungen.
Wieso nirgends eine offizielle Bestätigung des Verbands abseits von Story-Highlights erfolgt? Das weiß vermutlich nur der DFB. Vielleicht hebt man sich das bis zur offiziellen Kadervorstellung am Donnerstag auf und will keinen der Spieler hervorheben. So aber erweckt der Verband den Eindruck, dass die Hoheit wieder nicht beim DFB liegt, sondern bei denjenigen, die den nächsten Namen veröffentlichen dürfen. Den öffentlichen Diskurs bestimmen damit zwar wieder die Namen, der DFB aber nicht. Eine gelungene Außendarstellung sieht anders aus.