DIHK: Azubi-Mangel verschärft sich weiter
Viele Unternehmen gehen bei der Suche nach neuen Auszubildenden längst kreative Wege über Tiktok, Instagram und WhatsApp - aber auch das hilft nicht immer. Fast die Hälfte der Betriebe (49 Prozent) in Industrie und Handel konnte im vergangenen Jahr nicht alle seiner Lehrstellen besetzen, wie eine DIHK-Umfrage ergab. Das waren zwei Prozentpunkte mehr als im Vorjahr - ein neuer Negativrekord. Hauptgrund ist der demografische Wandel.
In der am Donnerstag veröffentlichten Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) gaben mehr als ein Drittel der Betriebe - 35 Prozent - an, sie hätten keine einzige Bewerbung erhalten. Hochgerechnet sind das 30.000 Ausbildungsbetriebe.
Besonders betroffen seien die Branchen Industrie, das Gastgewerbe, der Handel, die Verkehrsbranche und das Baugewerbe, erklärte der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks. Am meisten hätten kleine Betriebe zu kämpfen.
Die Gründe für den Azubi-Mangel sind neben dem demografischen Wandel vielfältig. Den jungen Menschen fehlt laut DIHK "eine effiziente und zielgerichtete Berufsorientierung". Dafür müssten die Schulen ausreichend Zeit einplanen, Finanz- und die sogenannten MINT-Themen sollten im Unterricht eine größere Rolle spielen, also Mathe, Informatik, Naturwissenschaft und Technik.
Oftmals sei auch eine fehlende "solide Grundbildung" ein Problem, wie auch die jüngsten Ergebnisse der Pisa-Studien zeigten. "Unser Bildungssystem muss an dieser Stelle besser werden", forderte Dercks.
"Aus der Not heraus nehmen Unternehmen immer mehr selbst in die Hand und unterstützen junge Menschen mit Startschwierigkeiten auf verschiedenste Weise". Das reiche von Nachhilfe in Deutsch und Mathematik über sozialpädagogische Dienste bis hin zu Coaching-Programmen zur Verbesserung von Selbstmanagement und Motivation.
Wie die Umfrage zeigt, setzt mittlerweile auch mehr als die Hälfte der Unternehmen in Deutschland auf Marketing über Social Media, um junge Menschen anzusprechen. Den persönlichen Kontakt können diese Kanäle offenbar aber nicht ersetzen: Über 70 Prozent der Betriebe werben neue Azubis über Schnuppertage oder Praktika an. Eine besonders wichtige Rolle spielt demnach auch weiterhin die eigene Webseite.
Immer mehr Unternehmen stellen zudem Menschen aus dem Ausland ein oder versuchen sie für die Ausbildung zu gewinnen. 2019 lag der Anteil dieser Unternehmen noch bei 41 Prozent, 2023 bei 48 Prozent. Insbesondere in der Gastronomie und in der Transport- und Logistikbranche seien Azubis aus dem Ausland gefragt, erklärte Dercks.
"Es bestehen aber nach wie vor noch Hürden bei der Einstellung ausländischer Auszubildender. Das betrifft vor allem die Sprache." 81 Prozent der Betriebe sehen in unzureichenden Deutschkenntnissen die größte Herausforderung. Umständliche bürokratische Prozesse bei Visum- und Aufenthaltsverfahren erschwerten die Einstellungen für 43 Prozent der Ausbildungsbetriebe.
Für die Linke-Gruppe im Bundestag sind auch schlechte Arbeitsbedingungen ein Grund für die Probleme bei der Besetzung der freien Stellen. "Zu viele Menschen werden während ihrer Ausbildung schlecht betreut, schlecht oder gar nicht bezahlt und haben keine verlässliche Perspektive", erklärte die bildungspolitische Sprecherin der Linken, Nicole Gohlke. Zudem seien die Berufsschulen "kaputtgespart" worden. Die Bundesregierung betreibe bei diesem Thema "gezielte Arbeitsverweigerung".
Die Ausbildungsumfrage der DIHK beruht auf Angaben von mehr als 13.000 Unternehmen im Bereich der Industrie- und Handelskammern.
mb/ilo