Archäologie in Berlin: Schon 600. 000 Funde - Grabungen am Molkenmarkt gehen weiter
Seit fünf Jahren suchen Archäologen am Molkenmarkt nach Spuren der Berliner Geschichte - und werden immer wieder fündig. Jetzt kommt der Endspurt. Und auch danach ist noch viel zu tun.
Die Archäologen haben bei ihren Grabungen am Molkenmarkt hinter dem Roten Rathaus mitten in Berlin weiter alle Hände voll zu tun. Bis Ende 2025 sollen sie ihre Arbeit dort noch fortsetzen, sagte der Direktor des Landesdenkmalamts, Christoph Rauhut, bei der Vorstellung der bisherigen Ergebnisse. Seit Grabungsbeginn vor fünf Jahren wurden rund 600.000 Fundstücke geborgen, die Aufschluss geben können, wie Berliner in vergangenen Jahrhunderten gelebt haben.
Dazu zählen Ofenkacheln genau wie Münzen, Trinkgläser, Lederschuhe und Tongefäße, die im Mittelalter zum Kochen oder zum Aufbewahren von Lebensmitteln genutzt wurden. Als einer der ungewöhnlichsten Funde gelten die Reste eines Bohlenwegs aus der Zeit der ersten urkundlichen Erwähnung der Stadt um 1230.
Archäologen finden Figurenköpfe vom Roten Rathaus
Aber auch auf Spuren der jüngeren Berliner Geschichte sind die Archäologen gestoßen, etwa auf Teile des Terrakotta-Frieses am Roten Rathaus, der in den letzten Monaten des Zweiten Weltkrieges zerstört wurde. Etliche Terrakotta-Elemente, darunter mehrere Figurenköpfe, landeten im Nachkriegsschutt auf dem Molkenmarkt und wurden nun erst Jahrzehnte später wieder entdeckt. Zuletzt wurde auch die Ausgrabung des Elektrizitätswerks abgeschlossen, das 1889 dort eröffnet worden war und für die Elektrifizierung Berlins eine wichtige Rolle spielte.
Die Grabung am Molkenmarkt gilt als größte innerhalb eines Stadtkerns in ganz Deutschland. "Jede Woche tut sich etwas", sagte Rauhut. Etwa 15.000 Quadratmeter Fläche wurden bisher von den Archäologen unter die Lupe genommen.
Die umfangreiche Auswertung der gesamten Funde soll nach Abschluss der Grabungen fortgesetzt werden. Ein Teil davon soll künftig im Archäologischen Haus am Petriplatz gezeigt werden. Außerdem sollen sogenannte Archäologische Fenster einen Blick in die Vergangenheit am Molkenmarkt ermöglichen. Eines davon ist auf dem Areal geplant, auf dem das Elektrizitätswerk stand. Regelmäßige Führungen zu den archäologischen Funden gibt es schon jetzt jeweils am Freitagnachmittag.
Grabungsteam legt Brunnen und Toilettenanlagen frei
Seit dem Frühjahr werde in dem 6.500 Quadratmeter großen Bereich unter der alten Grunerstraße gegraben, sagte Rauhut. Das Grabungsteam hat dabei unter anderem Fundamentreste etlicher Häuser freigelegt, Brunnen und mittelalterliche Toilettenanlagen. Aus Rauhuts Sicht sind gerade sie interessant. "Da ist auch ganz viel Müll reingekommen, der viel erzählen kann über die Zeit", sagte er.
"Die zahlreiche Funde geben einen Einblick in das Leben der Altstadtquartiere, die es bis in die 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts gegeben hat", sagte Stadtentwicklungs- und Bausenator Christian Gaebler. Die geplante Umgestaltung des Molkenmarktes habe die Chance geboten, bei den Grabungen zu sehen, was im Boden davon erhalten geblieben sei. "Unser Ziel ist, das wieder erlebbar zu machen", sagte Gaebler - und die entdeckten Objekte auch für Nichtarchäologen zum Sprechen zu bringen - etwa mit Hilfe der Archäologischen Fenster.
Berlins Geschichte begann ganz in der Nähe
Berlins Geschichte begann nicht weit vom Molkenmarkt entfernt mit einer ersten mittelalterlichen Siedlung an der Spree. Die Bebauung des Platzes aus dem 18. Jahrhundert wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Große Teile des zwei Hektar großen Areals wurden nach Kriegsende zugeschüttet, unter anderem entstand zwischen Rathaus und Stadthaus die Grunerstraße.
Der Senat hat mit dem Molkenmarkt noch einiges vor: "Mit der Wiederbelebung des Molkenmarkts wollen wir auch ein Stück Stadt zurückgewinnen", sagte Gaebler. "Wir wollen hier ein neues Stadtquartier auf altem Grund errichten." Unter anderem die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften WBM und Degewo sollen hier Wohnungen bauen, aber auch private Unternehmen. Gewerbliche Nutzung ist ebenfalls vorgesehen. Bis die Bauarbeiten beginnen, haben die Archäologen die Gelegenheit, den Boden weiter systematisch zu untersuchen.