Union beharrt auf Zurückweisungen an der Grenze - Mihalic: "Praktisch unmöglich"
Politikerinnen und Politiker der Union pochen weiter darauf, Menschen ohne Bleiberecht direkt an den deutschen Grenzen zurückzuweisen. Es gebe "keine Rechtsprechung, die dagegen spricht", sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), am Mittwoch in einem Podcast des Nachrichtenportals "Politico". CSU-Innenexpertin Andrea Lindholz sieht "konkrete Anhaltspunkte", dass Zurückweisungen möglich sind, wie sie im Radiosender Bayern 2 sagte. Deutlicher Widerspruch kam von den Grünen.
In der Diskussion geht es um Geflüchtete, die unter die sogenannte Dublin-Verordnung fallen. Dabei ist in der EU für ein Asylverfahren dasjenige Mitgliedsland zuständig, in dem ein Geflüchteter zuerst EU-Territorium betreten hat. Die Union fordert, diese Menschen an der Grenze zurückzuweisen, wenn sie nach Deutschland weiterreisen wollen.
"Das entspricht dem deutschen Recht", zeigte sich CDU-Politiker Frei in dem Podcast überzeugt. CSU-Innenexpertin Lindholz sagte Bayern 2, das Dublin-System funktioniere nicht mehr. Daher greife aus ihrer Sicht nationales Recht. Zudem würde die Dublin-Verordnung "gar nicht direkt" sagen, dass Zurückweisungen nicht erlaubt seien, befand Lindholz. "Unter Juristen ist das nicht ganz eindeutig."
Die Grünen-Innenexpertin Irene Mihalic widersprach den Forderungen. "Zurückweisungen von Asylsuchenden an der Grenze sind nach Europarecht nicht zulässig, da hier die Dublin-Verordnung anwendbar ist und im Rahmen des Asylverfahrens der zuständige Mitgliedstaat bestimmt werden muss", sagte Mihalic den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Das ist in der Regel nicht ganz einfach und es wäre auch praktisch unmöglich, dies an der Grenze durchzuführen."
Dagegen gibt es in der FDP-Fraktion einem Bericht zufolge Sympathien für die Idee. Geflüchtete sollten "bereits an den deutschen Grenzen zuverlässig zurückgewiesen werden, wenn Deutschland für die Asylverfahren eindeutig nicht zuständig ist", heißt es laut der "Bild"-Zeitung in einem Positionspapier, das die Fraktion auf ihrer Klausurtagung von Mittwoch bis Freitag dieser Woche beschließen will.
Die Frage der Zurückweisungen war ein Thema bei den Beratungen von Bundesregierung, Landesregierungen und CDU/CSU zur Migrationspolitik am Dienstag. Konkrete Ergebnisse gab es dabei nicht; die Gespräche sollen fortgesetzt werden.
Der Präsident des Deutschen Städtetags, Markus Lewe, nannte die geplante Fortsetzung "ein gutes Signal". Die Dublin-Verfahren "müssen unbedingt schneller und einfacher werden", erklärte er. "Es muss besser gelingen, Asylsuchende in die EU-Länder zu überstellen, die eigentlich für sie zuständig sind."
Bereits angekündigt wurde von der Bundesregierung der Plan, Menschen im Dublin-Verfahren sämtliche Sozialleistungen zu streichen, wenn das für sie zuständige EU-Land einer Rücküberstellung aus Deutschland zugestimmt hat. Der FDP-Migrationsexperte Joachim Stamp unterstützte dies. "Alle, die unmittelbar ausreisepflichtig sind, sollten lediglich ein Ticket für den Heimflug sowie nach Ankunft im Zielland eine kleine Starthilfe von wenigen hundert Euro bekommen", sagte er den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland.
Mit Blick auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, wonach der Staat jedem Menschen in Deutschland ein Existenzminimum gewähren muss, sagte Stamp: "Notfalls muss dann an dieser Stelle auch über eine Ergänzung im Grundgesetz nachgedacht werden." Er betonte, er treffe die Äußerungen unabhängig von seinem Amt als Sonderbevollmächtigter der Bundesregierung für Migrationsabkommen.
Das Deutsche Kinderhilfswerk warnte in deutlichen Worten vor einer Streichung der Sozialleistungen. "Es steht zu befürchten, dass davon auch sehr viele Kinder und Jugendliche betroffen sein werden", sagte Organisationspräsident Thomas Krüger den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Kinder ohne Geld für Verpflegung, Medizin oder Hygiene auf ihre Ausreise warten zu lassen, tritt Kinderrechte mit Füßen und widerspricht allen Grundsätzen von Humanität und Menschenwürde."