Meinung: Ein Böllerverbot wäre zu einfach – aber es muss endlich was passieren
Jedes Jahr wird über ein Böllerverbot gesprochen. Das hat gute Gründe. Doch es muss einen Weg geben, beiden Seiten ihre Freiheiten zu lassen, meint unser Autor.
Alle Jahre wieder: Die ruhigen Weihnachtstage sind vorbei und die Vorbereitungen auf die Silvesternacht laufen an. Dazu gehört auch, wie immer, der Verkaufsstart für privates Feuerwerk. Und wie jedes Jahr müssen wir darüber sprechen. Ja, die meisten haben das schon als Kind geliebt und auch jetzt möchte man den Kleinen (und sich selbst, machen wir uns nichts vor) eine Freude machen. Doch man muss sich fragen: Ist das noch zeitgemäß? Wem schadet es? Und meine Antwort darauf dürfte vielen (erneut) nicht gefallen. Aber ich bemühe mich um Fairness.
Noch vor zwei Jahren fuhr ich regelrecht aus der Haut, weil das wochenlange Geböller vor meiner Haustür mir den letzten Nerv raubte. Und ich stehe weiterhin dazu: Ginge es nach mir, gäbe es weder heute, zum Start des Feuerwerkverkaufs in Deutschland, noch an anderen Tagen irgendwelchen Sprengstoff für Privatpersonen.
Doch so einfach ist das nicht.
Als Hundehalter bin ich natürlich geneigt, den Verbotsforderungen uneingeschränkt zuzustimmen. Für mich würde sich dadurch nichts ändern, denn ich knalle seit Jahren nicht – einmal aus Tierliebe und dann, ganz eigennützig, aus finanziellen Gründen.
Außerdem habe ich viele Stimmen der Vernunft auf meiner Seite. Das Aktionsbündnis für ein böllerfreies Silvester besteht aus 34 Organisationen, die ein konsequentes Verbot von Knallern fordern. Die Gründe liegen auf der Hand. Ruhestörung, Tierquälerei, Vermüllung, Brandgefahr, Traumatisierung, Selbstgefährdung, Gefährdung Dritter, Sachbeschädigung und eine vermeidbare Belastung des Gesundheitssystems und von Rettungskräften.
Ein Böllerverbot bringt nichts
Als Kind auf dem Dorf war das kleine Feuerwerk in der Silvesternacht aber eines meiner Highlights – und das hätte ich mir nicht nehmen lassen wollen. Diesen Spaß möchte ich, auch wenn ich wirklich nichts davon habe, niemandem nehmen. Denn das ist das Problem an Verboten: Während es manche nicht betrifft, werden andere vollständig und manchmal zu Unrecht in ihrer persönlichen Freiheit eingeschränkt. Das sorgt für viel Frust und eine Abwehrhaltung.
Was es für die Böllerfrage also braucht, sind Kompromisse.
Ein vollständiges Verbot bringt genauso wenig wie eine generelle Erlaubnis. Letzteres mag früher vielleicht geklappt haben, ist aber besonders in Städten heute so nicht mehr realistisch. Die Zeiten haben sich geändert, die Städte sind voller und man tritt sich eben schneller gegenseitig auf die Füße.
Was helfen würde, sind faire Rahmenbedingungen, mit denen beide Seiten leben können. Wichtig wäre da zum einen der Zeitraum. Wann darf gezündet werden? Die aktuelle Antwort darauf lautet: am 31. Dezember und am 1. Januar. Ich finde das etwas zu weit gefasst und würde dafür plädieren, die Zeit genauer einzuschränken. Würde es nicht reichen, das Geballer am Silvesterabend ab 18 Uhr zu erlauben und dem Schauspiel ab spätestens 2 Uhr ein Ende zu setzen? Auch das würde viele Menschen über das gesunde Maß belasten, aber das ist eben der Preis von Kompromissen zwischen zwei vollkommen unterschiedlichen Parteien.
Dann wäre da noch die Wahl des richtigen Ortes: Es muss möglich sein, Böllern und Raketen durchgehend zu entfliehen. Diese Freiheit müssen Menschen haben, die beispielsweise verängstigte Tiere halten oder selbst unter dem lauten Knallen leiden. Es kann nicht sein, dass Dritte darüber entscheiden, was man zu ertragen hat, und was nicht.
Andersrum gilt das aber auch: Für die Zeiträume, in denen privates Feuerwerk erlaubt ist, muss es auch Orte geben, an denen gezündet werden darf. Das würde es auch denen erleichtern, die mit den Folgen von privatem Feuerwerk zu leben haben: Retter, Sicherheitskräfte und Reinigungspersonal.
Mit Ausnahmen: Es gibt Ortschaften und Städte, in denen nicht geböllert werden darf – und das hat oft gute Gründe. Sei es aus Sicherheitsgründen oder aus Anstand. So forderte die Bürgermeisterin von Magdeburg etwa ein böllerfreies Silvester, wie die "Bild" berichtet. Genau wie manche vor den Knallern fliehen müssen, müssten Menschen mit Lust auf ein Feuerwerk sich dann eben auch alternative Fleckchen für die Feier suchen.
Soviel zur Silvesternacht.
Die richtigen Verbote gibt es – die Kontrollen aber kaum
Tatsächlich braucht es aber – Stand jetzt – auch harte Konsequenzen für alle, die sich nicht an die Regeln halten. Denn wie schon gesagt: Eigentlich hat privates Feuerwerk erstaunlich wenig Vorteile. Darauf zu verzichten, tut also niemandem weh. Es zu missbrauchen, kann allerdings gravierende Folgen haben.
Daher kann es nicht sein, dass ich seit Oktober fast jeden Abend damit leben muss, dass meine Nachbarschaft nachts aus der wohlverdienten Ruhe gesprengt wird. Gerne weit nach 0 Uhr. Auch die allabendliche Hunderunde ist zum Spießrutenlauf geworden: Zündet jemand einen Böller in unmittelbarer Nähe meines Hundes, kann ich den Spaziergang abbrechen und das Tier beruhigen.
FAQ Böller und Raketen zu Silvester 09.40
Auf der Gegenseite stehen Menschen, die nach meinem Dafürhalten selbst nicht einmal große Freude daran haben. Wenn ich es schaffe, jemanden zu beobachten, der einen (meist illegalen) Böller hochjagt, sehe ich, dass der Sprengkörper angezündet, achtlos in die Walachei gepfeffert und dann unter Nichtbeachtung seinem Schicksal überlassen wird. Zuletzt geschehen am helllichten Tag in einem Naturschutzgebiet nahe Neumünster keine 30 Meter von mir. In solchen Momenten kapituliere ich innerlich, denn ich muss unterstellen, dass es einzig und alleine darum geht, andere Menschen mutwillig zu stören oder gar in Gefahr zu bringen. Ein Naturschutzgebiet – auch zwei Wochen danach fasse ich es nicht.
In diesen Fällen braucht es hohe Strafen. Theoretisch gibt es sie auch. Das Innenministerium schreibt: "Verstöße gegen die sprengstoffrechtlichen Bestimmungen können jeweils als Ordnungswidrigkeit mit Geldbuße bis zu 50.000 Euro geahndet werden. Der Umgang mit nicht zugelassenem Feuerwerk ist als Straftat mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe bedroht. Bei wissentlicher Gefährdung von Personen oder Sachen von bedeutendem Wert kann auf Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren erkannt werden." Für mich völlig ausreichend, aber es kontrolliert niemand.
Es muss sich herumsprechen, dass der Missbrauch von Feuerwerk kein Kavaliersdelikt ist. Es braucht mehr Kontrolle und hartes Durchgreifen. Das, gepaart mit fairen Regeln für diejenigen, die mit Raketen (und von mir aus auch Böllern) ins neue Jahr feiern wollen, könnte eine Lösung für den alljährlichen Diskurs sein. Reine Verbote, wie in den meisten Fällen, dürften hingegen keine Abhilfe schaffen.