Meinung: GPS-Tracking: Wenn Kinder schon in der Kita überwacht werden
Tracking von Kindern, also das Überwachen ihres Aufenthaltsortes durch GPS, gibt vielen Eltern Sicherheit. Manche Kita-Kinder sind damit schon ausgestattet. Ist das angebracht?
Als Vater von zwei Kindern, eines im Kindergarten- und eines im Teenageralter, bin ich entsetzt darüber, wie weit manche Eltern heutzutage gehen, um ihre Kinder zu überwachen. Mit Technologien wie Handys, Smartwatches und GPS-Trackern wird es zunehmend zur Normalität, den Standort der eigenen Kinder in Echtzeit zu verfolgen, selbst dann, wenn sie sich in einem geschützten Raum wie der Kita befinden.
In einer Elterngruppe kam gerade das Thema "Ortung bei Kindern" auf. Die Meinungen waren geteilt: Die einen finden, dass es absolut nicht geht, während andere sagen, dass heutzutage einfach zu viel passiert und man nicht früh genug damit beginnen könnte. Hauptsächlich aus Sorge um die Sicherheit und zur Erfüllung ihrer Fürsorgepflicht hoffen manche Eltern, ihre Kinder vor Entführungen oder anderen Gefahren zu schützen, insbesondere bei Ausflügen, bei denen sie nicht dabei sein können.
Eine Mutter, die bei ihrem Kita-Kind einen Chip in den Rucksack eingenäht hat, schrieb im Chat: "Es gibt mir 100 Prozent Sicherheit, und zwischendurch schaue ich auch mal rein." Eine andere Mutter ergänzte: "Es passiert so viel, da möchte ich auf Nummer sicher gehen. Mein Kind trägt eine Kinderuhr." Sie erklärte, dass sie die Ortung überall nutzt, egal ob auf dem Spielplatz oder in der Kita. Ein Vater, der die GPS-Ortung bei seinen beiden Kindern einsetzt, eines davon in der Grundschule, fügte hinzu: "Sicherheit ist heute eben wichtig, und wenn es diese Möglichkeit gibt, warum sollte man sie nicht nutzen?"
Permanente Überwachung durch GPS-Tracking
Ich war wirklich überrascht, das zu lesen. Kinder, egal in welchem Alter, brauchen Raum, um eigenständig zu wachsen und die Welt zu entdecken. Die permanente Überwachung durch GPS-Tracking untergräbt genau das. Die Kita, die ein sicherer Schutzraum für kleine Kinder sein sollte, wird damit zu einem Ort, an dem technische Kontrollmechanismen zum Einsatz kommen. Eine Entwicklung, die ich für völlig unangemessen halte.
Aber auch bei älteren Kindern finde ich das nicht angebracht. Mein 15-jähriger Sohn durfte sich seinem Alter entsprechend immer frei bewegen, und ich vertraue darauf, dass er sich an Absprachen hält. Kinder müssen die Möglichkeit haben, Selbstständigkeit und Selbstbewusstsein zu entwickeln. Ständige Kontrolle vermittelt ihnen, dass sie nicht in der Lage sind, allein zurechtzukommen. Dieses Misstrauen kann nicht nur ihre Entwicklung hemmen, sondern auch die Beziehung zwischen Eltern und Kindern langfristig schädigen.
STERN PAID 39_2024 Interview Eltern Norbert F. Schneider 12:31
Kinder müssen lernen, sich in einer komplexen Welt zurechtzufinden und das auch ohne die permanente Überwachung durch ihre Eltern. Es ist unsere Aufgabe, dies zu ermöglichen. Wenn sie ständig einem GPS-Tracker oder ähnlichen Technologien ausgesetzt sind, nehmen wir ihnen das Erfolgserlebnis, sich allein zurechtzufinden. Gleichzeitig vermitteln wir, dass wir ihnen nicht zutrauen, eigene Entscheidungen zu treffen und verwehren ihnen somit ein gesundes Aufwachsen.
Ist diese Art der Kontrolle überhaupt notwendig?
Darüber hinaus gibt es auch technische Risiken, die viele Eltern unterschätzen. Standort- und Kontaktdaten, die durch GPS-Tracker gesammelt werden, könnten in falsche Hände geraten, etwa durch Hackerangriffe. Eltern sollten sich daher intensiv mit den Datenschutzrichtlinien dieser Geräte auseinandersetzen. Doch selbst mit optimalem Datenschutz bleibt die Frage: Ist diese Art der Kontrolle überhaupt notwendig?
Gerade in Kitas sollten solche Überwachungsmaßnahmen keinen Platz haben. Es ist dringend notwendig, hier klare Grenzen zu setzen und ein Verbot von GPS-Trackern in diesen Einrichtungen zu erwägen. Zudem finde ich, dass der Einsatz solcher Tracker respektlos gegenüber Erziehern und Erzieherinnen ist, da er in die Souveränität des pädagogischen Fachpersonals eingreift.
Auch wenn es Eltern ein Gefühl von Sicherheit gibt, alles kontrollieren zu können, bleibt die Frage: Tut man seinem Kind damit einen Gefallen? Man kann so oder so nicht alles kontrollieren, und das ist auch gut. Kinder brauchen Freiheit, Vertrauen und Raum, um ihre eigenen Erfahrungen zu machen und selbstständig zu wachsen. Würden wir selbst rund um die Uhr überwacht werden wollen? Ich denke nicht.