Streit über auf Facebook verbreitetes Falschzitat: BGH wartet europäisches Urteil ab
Im Streit zwischen der Bundestagsabgeordneten Renate Künast (Grüne) und dem Facebook-Mutterkonzern Meta wegen eines Falschzitats wartet der Bundesgerichtshof (BGH) eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ab. Das Verfahren in Karlsruhe wird bis dahin ausgesetzt, wie der BGH am Mittwoch wenige Stunden nach der mündlichen Verhandlung erklärte. Es geht um die Frage, ob Meta sogenannte Memes mit dem Falschzitat selbstständig aufspüren und löschen muss. (Az. VI ZR 64/24)
Das Künast untergeschobene Zitat lautet: "Integration fängt damit an, dass Sie als Deutscher mal Türkisch lernen." Die Politikerin sagte den Satz nie. Im Jahr 2015 verbreiteten Nutzer auf Facebook das Falschzitat aber zusammen mit ihrem Bild als Meme. Seitdem wurde es auf der Plattform in unterschiedlichen Varianten und unter verschiedenen Internetadressen (URL) immer wieder hochgeladen, geteilt und weiterverbreitet, teilweise mit Beschimpfungen in der Beschreibung oder den Kommentaren.
Künast wies Meta auf mehrere Fundstellen des Falschzitats hin. Der Konzern löschte sie. Die vielen Memes, die mit anderer URL hochgeladen und geteilt wurden, blieben aber stehen. Im April 2021 reichte Künast Klage ein, um zu erreichen, dass diese falschen Zitate gesucht, geprüft und gelöscht werden. Unterstützt wurde sie dabei von der Organisation Hate Aid.
Ein Jahr später, im April 2022, gab das Landgericht Frankfurt am Main der Politikerin Recht. Meta müsse das Meme in allen Varianten aufspüren und löschen, entschied es. Künast müsse dafür nicht auf jede einzelne kerngleiche Variante hinweisen und deren URL mitteilen. Rein automatisiert funktioniert ein solcher Abgleich nicht, Meta müsste dafür nach eigenen Angaben Moderatoren einsetzen.
Das Gericht sprach Künast außerdem eine Entschädigung von 10.000 Euro zu, weil ihr Persönlichkeitsrecht verletzt worden sei. Meta legte gegen das Urteil Berufung ein. Im Januar 2024 bestätigte das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt die Entscheidung des Landgerichts größtenteils, das Schmerzensgeld sprach es Künast aber nicht zu. Dieses OLG-Urteil wird vom BGH überprüft.
Die Frankfurter Gerichte bezogen sich bei ihren Entscheidungen auf deutsches Recht. Der BGH glaubt aber, dass auch EU-Recht berücksichtigt werden sollte, konkret die Datenschutzgrundverordnung und das neue Gesetz für digitale Dienste. So könnte wichtig sein, ob Meta hier als Verantwortliche gilt, die über die Verarbeitung personenbezogener Daten entscheidet.
Dem EuGH in Luxemburg liegt aktuell ein Fall aus Rumänien vor, in dem diese Frage eine Rolle spielt. Dabei geht es nicht um Facebook, sondern um den Betreiber eines Onlinemarktplatzes. Ein Urteil fiel in dem Fall noch nicht. Der BGH will dieses abwarten und dann weiter über den Streit zwischen Künast und Meta verhandeln.
"Wenn jemand ein Zitat erfindet, schadet es einem", sagte Künast nach der Verhandlung in Karlsruhe. "Es führt dazu, dass sich Leute aufregen, was die für eine komische Position in Sachen Integration hat." Das tangiere ihre Glaubwürdigkeit.
Meta erklärte, alles daran zu setzen, "unzulässige Inhalte und Fehlinformationen auf unseren Plattformen anzugehen". Das von Künast gemeldete Falschzitat sei von Facebook entfernt worden, der Konzern habe "in diesem Fall weitere Maßnahmen ergriffen, um außerdem identische Inhalte zu identifizieren und zu entfernen". Nun werde die BGH-Entscheidung abgewartet.