Bürgerschaftswahl: Rot-Grün kann in Hamburg wohl weitermachen
Es sind noch nicht alle Stimmen ausgezählt. Doch es ist bereits klar: Die SPD wird die Wahl mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gewinnen. Rot-Grün könnte also weitermachen.
SPD und Grüne können in Hamburg ihr seit 2015 laufendes Regierungsbündnis trotz Stimmenverlusten wohl fortsetzen.
Einer Hochrechnung des Landeswahlamts zufolge werden die Sozialdemokraten um Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) bei der Bürgerschaftswahl am Sonntag mit 33,7 Prozent klar stärkste Kraft. Dahinter tauschten CDU und Grüne die Plätze: Auf Platz zwei liegt nun die CDU mit 20,3 Prozent und auf Platz drei die Grünen mit 17,9 Prozent.
Die SPD kann damit zwischen den beiden als Koalitionspartner wählen. Tschentscher hatte aber bereits vor der Wahl gesagt, dass er die rot-grüne Koalition fortsetzen wolle. Gleichzeitig hatte er der CDU die Regierungsfähigkeit abgesprochen. Die AfD blieb überraschend hinter den Umfragewerten zurück.
Tschentscher: Werde als Erstes mit den Grünen sprechen
Tschentscher sagte, er werde zuerst mit seinem bisherigen Koalitionspartner sprechen. "Wir werden als Erstes mit den Grünen sprechen und hoffen, dass wir dort eine klare Vereinbarung darüber bekommen, wie es dann in Hamburg weitergehen soll", sagte er im ZDF. "Aber wir werden auch mit der CDU sprechen." Das habe man auch vor fünf Jahren getan. Damals war die SPD auf 39,2 Prozent gekommen.
Bei der Wahlparty der SPD sprach Tschentscher von einem großartigen Wahlkampf der Sozialdemokraten. "Wir wussten, dass es schwer wird, über die Hamburger Themen, über unsere Stadt zu sprechen, wenn ganz Deutschland in Aufregung ist." Doch trotz des schlechten Ergebnisses bei der Bundestagswahl, wo die SPD in der Hansestadt nur auf 22,7 Prozent kam, lägen die Sozialdemokraten nun bei der Bürgerschaftswahl mit Abstand vor den anderen Parteien.
Glückwünsche auch von Kanzler Scholz
Glückwünsche kamen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der von 2011 bis 2018 selbst Bürgermeister in Hamburg war. "Hamburg bleibt in guten Händen. Gut, dass du deine Arbeit zum Wohle Hamburgs fortsetzen kannst", schrieb Scholz auf X.
Auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident und CDU-Chef Daniel Günther gratulierte. Für Schleswig-Holstein sei eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Hamburg von großer Bedeutung. "Der Norden lebt von einer starken Partnerschaft."
Zufrieden zeigte sich auch die Grünen-Spitzenkandidatin und Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank. Trotz Verlusten von voraussichtlich 6,3 Prozentpunkten wertete sie die Wahl als Erfolg für die Grünen. Sie hätten sich "aus dieser kleinen Delle offenbar wieder rausgekämpft", sagte sie mit Blick auf Umfragewerte in den vergangenen Wochen. "Das freut mich richtig, dass Hamburg politisch sowas von stabil ist", sagte Fegebank.
Ihr sei nach der Verkündung der ersten Prognosen eine große Last von den Schultern gefallen. "Ich bin einfach nur so dankbar, dass ich euch in diesen Wahlkampf führen durfte", sagte sie zu ihren Parteifreunden. "Es war so brutal, gerade in den letzten zwei Wochen. Ihr habt gestanden, wir haben gestanden."
CDU kann miserables Ergebnis von 2020 ausbügeln
Die CDU kann der Hochrechnung zufolge ihr mit 11,2 Prozent historisch schlechtestes Ergebnis von 2020 ausbügeln - und mit einem Plus von 9,1 Prozentpunkten rechnen. CDU-Spitzenkandidat Dennis Thering betonte die Bereitschaft seiner Partei zu einem rot-schwarzen Bündnis. "Wir stehen für eine stabile Regierung mit positiven Veränderungen vor allem in den Bereichen Sicherheit, Wirtschaft und Verkehr zur Verfügung." Eine Koalition aus SPD und CDU erleichtere und stärke Hamburgs Position im Bund, sagte der CDU-Chef.
Die Linke kann ebenfalls zulegen, sie kommt laut Hochrechnung auf 11,2 Prozent - nach 9,1 Prozent vor fünf Jahren. "Wir sind mit so vielen Abgeordneten in der Bürgerschaft vertreten, das heißt, wir werden noch stärker nerven, wir werden noch stärker kämpfen", sagte die Spitzenkandidatin Cansu Özdemir bei der Wahlparty ihrer Partei.
Erstarkt geht auch die AfD aus der Wahl hervor - allerdings bekommt sie deutlich geringeren Zuspruch als in Umfragen vorhergesagt. Sie kann laut Hochrechnung mit 8,3 Prozent rechnen - nach 5,3 Prozent bei der Wahl 2020.
Tschentscher: Geringer AfD-Zuwachs großartige Botschaft
Tschentscher sagte, es sei eine großartige Botschaft, "dass uns die Schlechtgelaunten aus der rechten Ecke vom Hals gehalten wurden in Hamburg". Das strahle hoffentlich auf ganz Deutschland aus.
AfD-Spitzenkandidat Dirk Nockemann wertete das Ergebnis seiner Partei dagegen als Erfolg: "Wir sind überhaupt nicht frustriert." Dass die AfD in Hamburg wohl nur leicht dazu gewinnen dürfte, führte er auf Umstände wie "medialen Gegenwind" zurück.
Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), FDP und Volt scheiterten deutlich an der Fünf-Prozent-Hürde. Laut Hochrechnung kommen sie auf 1,6, 2,0 und 2,9 Prozent. Die Abstimmung in der Hansestadt war nach derzeitigem Stand die einzige Wahl auf Landesebene in diesem Jahr.
Rund 1,3 Millionen Hamburger waren wahlberechtigt
Insgesamt waren rund 1,3 Millionen Hamburgerinnen und Hamburger ab 16 Jahren wahlberechtigt. Das Landesparlament hat regulär 121 Sitze, die Zahl kann aber durch Überhang- und Ausgleichsmandate sowie erfolgreiche Einzelbewerber steigen.
Landespolitische Themen bestimmten den Wahlkampf, insbesondere die Verkehrsprobleme in der Stadt und der Wohnungsbau angesichts des Mangels an bezahlbarem Wohnraum. Daneben spielten auch die Migration und die Ankurbelung der durch den Hafen geprägten Wirtschaft eine wichtige Rolle.
SPD-Regierungschef Tschentscher steht seit 2018 an der Spitze des Senats. Damals war der heute 59-Jährige noch relativ unbekannt in der Hansestadt und stand im Schatten seines Vorgängers Scholz, der damals ins Finanzministerium nach Berlin wechselte. Die Scholz-Jahre in Hamburg waren goldene Jahre für die Sozialdemokraten, von 2011 bis 2015 reichte es sogar für eine Alleinregierung.
Zwei Wahlen in Folge – was heißt das für die Wahlbeteiligung?
Erst am vergangenen Sonntag war die vorgezogene Bundestagswahl, nun mussten die Hamburgerinnen und Hamburger schon wieder wählen. Während am 23. Februar die Wahlbeteiligung bei 80,8 Prozent lag, zeigte sich auch bei der Bürgerschaftswahl auf Landesebene deutlich mehr Interesse. Jüngsten Daten zufolge lag die Beteiligung bei knapp 67 Prozent - nach 63 Prozent bei der Wahl 2020.