Für Pflegebedürftige und ihre Familien nehmen finanzielle Belastungen seit Jahren zu. Gerade in Pflegeeinrichtungen kommen diverse Beträge zusammen. Ist stärkere Entlastung in Sicht? Die Pflege im Heim wird teurer und teurer. Selbst zu zahlende Anteile für Pflegebedürftige sind trotz gerade verstärkter Kostenbremsen weiter gestiegen, wie eine Auswertung des Verbands der Ersatzkassen ergab. Mit Stand vom 1. Juli waren im ersten Jahr im Heim im bundesweiten Schnitt 2.871 Euro pro Monat aus eigener Tasche fällig - das waren 211 Euro mehr als Mitte 2023. Die Belastungen nehmen damit auch mit erhöhten Entlastungszuschlägen zu, die sich nach der Dauer des Heimaufenthalts richten. Forderungen nach weiteren Erleichterungen in einer Pflegereform noch vor der Bundestagswahl 2025 werden deswegen lauter. Auch mit dem höchsten Zuschlag ab dem vierten Jahr im Heim stieg die Zuzahlung nun im Schnitt auf 1.865 Euro je Monat, das waren 91 Euro mehr als zum 1. Juli 2023. In den Summen ist zum einen der Eigenanteil für die reine Pflege und Betreuung enthalten. Denn die Pflegeversicherung trägt - anders als die Krankenversicherung - nur einen Teil der Kosten. Hinzu kommen für Bewohnerinnen und Bewohner noch Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Investitionen in den Heimen. Enthalten sind in der Auswertung erstmals auch Ausbildungskosten, die ebenfalls weitergegeben werden. Sie wurden auch in die Vergleichswerte zum 1. Juli 2023 eingerechnet. Zuschläge sollen Kosten dämpfen Die neuen Zahlen befeuern die Debatte um eine nächste größere Pflegereform, die Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) angekündigt hat. Denn erst vor einem Jahr war schon eine Reform in Kraft getreten. Damit wurden Entlastungszuschläge, die es seit 2022 neben den eigentlichen Zahlungen der Pflegekasse gibt, zum 1. Januar 2024 erhöht. Der Eigenanteil für die reine Pflege wird damit im ersten Jahr im Heim um 15 statt zuvor 5 Prozent gedrückt, im zweiten um 30 statt 25 Prozent, im dritten um 50 statt 45 Prozent und ab dem vierten Jahr um 75 statt 70 Prozent. Den Anstieg der Zuzahlungen konnten die Zuschläge aber nicht voll auffangen, wie die neuen Daten zeigen. Zum 1. Juli waren für die reine Pflege im ersten Jahr im Heim im bundesweiten Schnitt monatlich 1.426 Euro fällig - Mitte 2023 waren es mit dem damals noch niedrigeren Entlastungszuschlag 1.295 Euro gewesen. Und teurer wurden der Auswertung zufolge nun auch Unterkunft und Verpflegung in den Heimen. Zum 1. Juli mussten Bewohnerinnen und Bewohner im Schnitt 955 Euro im Monat dafür bezahlen, nachdem es Mitte 2023 noch 888 Euro gewesen waren. Unterschiede in den Bundesländern Insgesamt gibt es weiter große regionale Unterschiede, bei den Kosten für die rund 790 000 Pflegebedürftigen in Heimen. Im Schnitt am teuersten ist ein Heimplatz im ersten Aufenthaltsjahr in Nordrhein-Westfalen mit nun 3.200 Euro pro Monat - am niedrigsten ist die Eigenbeteiligung in Sachsen-Anhalt mit 2.373 Euro. Ausgewertet wurden Vergütungsvereinbarungen der Pflegekassen mit Heimen in allen Bundesländern, wie der Ersatzkassenverband erläuterte. Zum Verband gehören etwa die Techniker Krankenkasse, die Barmer und die DAK-Gesundheit. Lauterbach will im Herbst ein Konzept für eine Reform vorlegen. Dabei soll es um ein Gesamtpaket für mehr Kapazitäten beim Pflegepersonal, ein stärkeres Vermeiden von Pflegebedürftigkeit und das Schließen einer Finanzlücke gehen - denn die Pflegeversicherung erwartet für 2024 und 2025 rote Zahlen. Schon im vergangenen Jahr schlugen die Entlastungszuschläge bei den Pflegekassen mit 4,5 Milliarden Euro zu Buche. Die Chefin des Ersatzkassenverbands, Ulrike Elsner, mahnte bei den Ländern an, wie eigentlich vorgesehen die Kosten für Investitionen zu übernehmen. Allein das würde Heimbewohner um durchschnittlich 490 Euro im Monat entlasten. "Menschen werden in Sozialhilfe getrieben" Der Sozialverband Deutschland forderte, die Politik dürfe bei dieser dramatischen Entwicklung der Eigenanteile nicht weiter die Augen verschließen. "Die Menschen werden so in ihren letzten Lebensjahren in die Sozialhilfe getrieben. Das ist eine Schande", sagte die Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier der Deutschen Presse-Agentur. Nötig sei unter anderem ein "angemessener Bundeszuschuss". Die Deutsche Stiftung Patientenschutz erklärte, davon galoppierende Löhne und allgemeine Preissteigerungen führten zu explodierenden Eigenanteilen. "Das ist selbst für Menschen unkalkulierbar, die Vorsorge treffen wollen und können", sagte Vorstand Eugen Brysch. Der Eigenanteil für die reine Pflege müsse gedeckelt und der Entlastungszuschuss parallel zur Kostenentwicklung angepasst werden. Brysch betonte, dass die Kostenlawine auch die ambulante Pflege zu Hause erfasse. Forderung nach Obergrenze für Eigenanteile Das Bündnis Sahra Wagenknecht kritisierte, die horrenden Eigenanteile könne man nur noch als Enteignung bezeichnen. "Es ist schlicht Staatsversagen, wie mit der Generation umgegangen wird, die dieses Land aufgebaut hat", sagte Parteichefin Wagenknecht. Sie forderte: "Die Eigenanteile dürfen die Durchschnittsrente nicht übersteigen und sollten bei 1.100 Euro gedeckelt werden." Der Arbeitgeberverband Pflege erklärte, die Kostensteigerungen überraschten niemanden. "Steigende Sachkosten sowie höhere Pflegelöhne treiben die Preise", sagte Präsident Thomas Greiner. Die vorherige Regierung habe Pflegebedürftigen mit dem Versprechen Sand in die Augen gestreut, höhere Pflegelöhne gäbe es zum Nulltarif. "Die jetzige Regierung ignoriert das Problem." Die Pflegekräfte verdienten eine gute Bezahlung. Wenn sie sich aber mit unnötigem Papierkram beschäftigen müssten, "verschwenden wir ihre wertvolle Kompetenz und verbrennen Geld".
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