Tausende Menschen setzen in Großbritannien nach den Ausschreitungen ein Zeichen gegen rechtsextremistische Gewalt. Das Land atmet auf. Doch für eine Entwarnung könnte es noch zu früh sein. Nach dem Ausbleiben neuer rechtsextremer Ausschreitungen in England wächst die Hoffnung auf eine dauerhafte Rückkehr zur Normalität. In vielen Städten waren am Mittwochabend neue Krawalle befürchtet worden - doch stattdessen gingen Tausende Menschen gegen Hass und Gewalt auf die Straße. Rechtsextreme zeigten sich kaum. Die Erleichterung war im ganzen Land spürbar. Krawalle in mehreren Städten Englands und in Nordirland hatten das Land zuvor tagelang in Atem gehalten. Es kam zu Angriffen auf Sicherheitskräfte, Unterkünfte für Asylbewerber und auf Moscheen und Geschäfte. Dabei flogen Backsteine, Zaunlatten und andere Wurfgeschosse. Autos und Gebäude wurden in Brand gesetzt. Dutzende Beamte wurden verletzt. Premierminister Keir Starmer zufolge war der weitgehend friedliche Verlauf des Abends vor allem Polizei und Justiz zu verdanken. "Ich denke, die Tatsache, dass wir gestern Abend nicht die befürchteten Unruhen erlebt haben, ist darauf zurückzuführen, dass wir viele Polizisten im Einsatz hatten (...)", sagte der Labour-Politiker. Zudem habe die rasche Strafverfolgung durch die Justiz eine "sehr starke Botschaft" ausgesandt. Dennoch habe er eine weitere Sitzung des nationalen Krisenstabs Cobra einberufen, sagte Starmer. Teils mehrjährige Haftstrafen verhängt Auslöser der Randale waren Falschmeldungen im Internet über den mutmaßlichen Täter bei einem Messerangriff auf Kinder in Southport nahe Liverpool Ende Juli, bei dem drei Mädchen im Grundschulalter getötet und weitere Menschen verletzt wurden. Angeblich sollte es sich bei dem mutmaßlichen Täter um einen irregulären Einwanderer mit muslimischem Namen handeln - doch beides ist falsch. Der Verdächtige ist ein 17-Jähriger, der als Sohn ruandischer Einwanderer in Großbritannien geboren wurde. Der Strafverfolgungsbehörde Crown Prosecution Service zufolge wurden bisher knapp 150 Menschen angeklagt. Beinahe 500 waren zuvor festgenommen worden. Bei ersten Verurteilungen wurden teils mehrjährige Haftstrafen verhängt. Londons Bürgermeister Sadiq Khan bedankte sich auf X bei den Menschen, die friedlich demonstrierten, und den Sicherheitskräften. Er fügte hinzu: "Und an alle rechten Schläger, die noch immer Hass und Spaltung säen wollen - ihr werdet niemals willkommen sein." Scotland-Yard-Chef spricht von "erfolgreichem Abend" Auch in den Schlagzeilen der Zeitungen spiegelte sich die Erleichterung wider. "Die Nacht, in der Anti-Hass-Demonstranten den Schlägern die Stirn boten" titelte die konservative Boulevardzeitung "Daily Mail", "Tausende gehen auf die Straße, um sich der Bedrohung von rechts entgegenzustellen", hieß es auf dem Titelblatt des "Guardian". Scotland-Yard-Chef Mark Rowley sprach von einem "sehr erfolgreichen Abend" und lobte das Engagement der friedlichen Gegenproteste. "Wir hatten Tausende Beamte auf den Straßen im Einsatz und ich denke, das Zeichen von Stärke und ehrlich gesagt, die Demonstration von Einigkeit der Menschen haben gemeinsam die Herausforderungen besiegt", sagte Rowley der BBC zufolge. Organisation: 25.000 gingen gegen Gewalt auf die Straße Der Organisation Stand Up to Racism zufolge versammelten sich im ganzen Land etwa 25.000 Menschen, um gegen rechtsextreme Gewalt zu demonstrieren. Darunter viele im Londoner Bezirk Walthamstow, im Osten Londons sowie in den Städten Bristol, Brighton, Liverpool und Sheffield. Polizeistaatssekretärin Diana Johnson wollte trotz der Entwicklungen noch keine Entwarnung geben. Es sei gut, dass sich die Gewalt und Kriminalität der vergangenen Tage nicht wiederholt haben, sagte sie dem Nachrichtensender Sky News, doch es gebe Ankündigungen für weitere rechtsextreme Proteste. Regionalparlament in Belfast zu Sondersitzung einberufen Neben englischen Städten war es auch in der nordirischen Hauptstadt Belfast zu Ausschreitungen gekommen. Die Polizei geht davon aus, dass dabei auch paramilitärische Kräfte beteiligt waren. In dem britischen Landesteil gibt es auch mehr als 25 Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs zwischen Katholiken und Protestanten auf beiden Seiten bewaffnete Splittergruppen. Dieses Mal richtete sich die Gewalt jedoch gegen die Polizei und die muslimische Minderheit, deren Geschäfte zum Ziel von Angriffen wurden. Bei einer Sondersitzung des Regionalparlaments sprachen sich Abgeordnete beider konfessioneller Lager deutlich gegen die Gewalt aus. Co-Regierungschefin Michelle O"Neill von der katholisch-republikanischen Partei Sinn Fein sagte an die Randalierer gerichtet: "Wir sehen euch, wir lehnen euch ab und wir lehnen eure Einstellungen und Taten ab."
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