Der Gewerkschaftsboss geht in den Ruhestand. Gegen die Deutsche Bahn und andere Unternehmen hat er im Namen der Lokführer stets kräftig ausgeteilt. Er hat das Land wiederholt zum Stillstand gebracht und als letztes großes Projekt die schrittweise 35-Stunden-Woche für seine Lokführerinnen und Lokführer durchgeboxt – doch nun ist Schluss. Claus Weselsky, langjähriger Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) und unbequemer Kritiker der Bahn, verabschiedet sich in den Ruhestand. Kommende Woche soll Mario Reiß bei der GDL-Generalversammlung zu seinem Nachfolger gewählt werden. Weselsky nahm selten ein Blatt vor den Mund. Seine Schimpftiraden während Tarifrunden mit der Deutschen Bahn sind legendär. Oft wurde er dabei auch persönlich. Einige Sprüche von Weselsky werden in Erinnerung bleiben, die "Nieten in Nadelstreifen" – das Bild der aus seiner Sicht abgehobenen Manager im Bahntower – bemühte er regelmäßig. t-online zeigt eine Auswahl: Die denkwürdigsten Sprüche von Claus Weselsky "Nieten in Nadelstreifen, mit Millionengehältern, sitzen im Bahntower, machen sich einen Fetten und haben keine Ahnung, wie man eine Eisenbahn organisiert." – Weselsky bei einer GDL-Kundgebung in Sachsen im November 2023 über den Bahnvorstand. "Das sind Vollpfosten." – Weselsky bei einer GDL-Kundgebung in Sachsen im November 2023 über den Bahnvorstand. "Mit dem Urteil ist ein für alle Mal der Beweis erbracht, dass der Vernichtungsfeldzug des DB-Vorstands gegen die GDL nicht erfolgreich sein kann. Die DB sollte damit aufhören, sich vor Gerichten eine blutige Nase zu holen, sinnlos Steuergelder zu verbrennen und die Kunden zu verprellen." – Weselsky am 12. März 2024 in einer Pressemitteilung, nachdem zwei Gerichte die Rechtmäßigkeit von GDL-Streiks bestätigt hatten. "Mir ist in der Pressekonferenz ein Denkfehler unterlaufen." – Weselsky zur "Süddeutschen Zeitung" im März 2024, nachdem er einen Verhandlungsstand in der Tarifrunde mit der Deutschen Bahn falsch wiedergegeben hatte. "Der Mann lügt an der Stelle." – Weselsky im Bahn-Tarifkonflikt 2015 über den damaligen Personalvorstand der Deutschen Bahn, Ulrich Weber. "Das, was er mitunter mit der Öffentlichkeit macht und das, was er auch mit uns macht, ist bewusst gelogen." – Weselsky im Bahn-Tarifkonflikt 2024 über den derzeitigen Personalvorstand der Deutschen Bahn, Martin Seiler. "Die Arroganz der Macht im Bahntower – das DB-Management verheizt Hunderte Millionen an Steuergeldern, das sind Ihre und unsere Steuergelder, um was bitte schön zu erreichen?" – Weselsky im Januar 2024 bei der Ankündigung einer weiteren Streikrunde. "Wer behauptet, dass Tarifabschlüsse für Zehntausende von Eisenbahnern hier am Ende des Tages ein PR-Gag ist, der hat sie nicht mehr alle." – Weselsky im Januar 2024 bei der Ankündigung einer weiteren Streikrunde. "Herr Seiler muss sich langsam die Frage stellen, ob er als Verhandlungsführer überhaupt geeignet ist." – Weselsky im Januar 2024 bei der Ankündigung einer weiteren Streikrunde. "Und was die interne Kritik betrifft, da sage ich einfach: Ich habe einen einstimmigen Beschluss des Hauptvorstandes und der Tarifkommission. Und die standen nicht unter Drogen." – Weselsky am 3. November 2014 in den ARD-"Tagesthemen" zu dem Vorwurf, er sei in dem Tarifkonflikt mit der Bahn mehr an seiner eigenen Macht als an den Interessen der Belegschaft interessiert. "Ich wurde auch schon als Einheizer aus Sachsen bezeichnet." – Weselsky im Interview mit web.de im Februar 2024. Die Karriere des Claus Weselsky Der heute 65-jährige Weselsky ist Gewerkschafter durch und durch. Schon bei der Geburtsstunde der GDL in Ostdeutschland ist der gebürtige Dresdner dabei und wird 1990 Vorsitzender der Ortsgruppe Pirna . Zwei Jahre später verlässt der gelernte Lokführer die Schienen: Vom Büro aus arbeitet er für die GDL als Personal- und Betriebsrat, ab 2002 ist er für seine Gewerkschaftstätigkeit ganz freigestellt. Im Mai 2006 steigt Weselsky zum Vizevorsitzenden der GDL auf. Bekannt wird Weselsky 2007, als sich der damalige Chef Manfred Schell mitten in der heißen Phase des Arbeitskampfes in die Kur am Bodensee verabschiedet. Damals zeigt Weselsky, dass er als Verhandlungsführer die Position der Lokführer kompromisslos vertritt. Das nach monatelangem Streit Anfang 2008 erkämpfte Ergebnis kann sich aus Sicht der GDL sehen lassen: elf Prozent mehr Lohn. Wenige Monate später wählen die Mitglieder der Lokführergewerkschaft Weselsky zu Schells Nachfolger – mit 90 Prozent der Stimmen. Kritik von jeder Seite Mit harten Bandagen kämpft Weselsky, der seit Jahren CDU-Mitglied ist, auch in den folgenden Tarifrunden. Immer wieder beschert er der Deutschen Bahn tagelange Streiks, stellt die Geduld der Fahrgäste auf eine harte Probe und attackiert den Konzern samt Führungsrüge in rüdem Ton. Seine Poltereien bringen dem GDL-Chef bisweilen auch Rücktrittsforderungen ein – selbst in Gewerkschaftskreisen ist sein Verhandlungsstil umstritten. "Der stellt sich hin, als würde er zum Heiligen Krieg aufrufen. Nur um sein Ego zu stärken", schimpft einmal sein Vorgänger Schell. Doch Weselsky ist Gegenwind gewohnt. Wiederholt wird er in der Öffentlichkeit als Krawallmacher dargestellt, als "Buhmann der Nation" bezeichnet, die "Bild"-Zeitung nennt ihn einen "Größen-Bahnsinnigen". Die Bahn wirft ihm immer wieder vor, "egoistische Machtinteressen" durchsetzen zu wollen. Denn die kleine GDL steht im Wettbewerb mit der größeren EVG und die Lokführergewerkschaft bangt, dass ihr Einfluss im Konzern im Rahmen des Tarifeinheitsgesetzes kleiner werden könnte. Sein letzter Erfolg: die 35-Stunden-Woche "Die Geschichte der GDL und des Claus Weselsky ist eine Geschichte des Existenzkampfes", gesteht Weselsky dieser Tage im Gespräch mit dem "Tagesspiegel" ein. Doch er macht auch stets klar, dass er vor allem für die Eisenbahnerinnen und Eisenbahner kämpft. Und für die setzt er im Frühjahr nach einem monatelangen harten Tarifkampf mit langen Streiks mehr Geld und eine schrittweise Absenkung der Wochenarbeitszeit auf 35 Stunden durch. "Die GDL hat ihre Arbeit gemacht, und der Vorsitzende setzt sich jetzt ein bisschen zur Ruhe", bemerkt Weselsky dazu im "Tagesspiegel"-Interview. Und macht zugleich klar, dass die Nation noch von ihm hören wird. "Ich werde mich in jedem Fall weiter zur Deutschen Bahn und dem Versagen des Vorstands äußern."