Der Bund will seine Anteile an der Commerzbank verkaufen. Warum? Und was heißt das für Anleger? Der Absturz kam plötzlich, und er war heftig: Im Zuge der Weltfinanzkrise geriet die Commerzbank so sehr ins Straucheln, dass sie kurz vor dem Kollaps stand. Doch die Bundesregierung sprang ein – und rettete Deutschlands zweitgrößtes Geldinstitut mit Kapitalhilfen von insgesamt 18,2 Milliarden. Seitdem hält der Bund ein großes Paket an Commerzbank-Aktien. Auch wenn den Angaben zufolge bereits 13,15 Milliarden Euro zurückgeführt wurden, ist damit der Steuerzahler noch immer an dem Geldhaus beteiligt. Jetzt, rund 16 Jahre später, soll sich das ändern. Wie die zuständige Finanzagentur des Bundes und das Finanzministerium am Dienstagabend erklärten, will sich die Regierung "sukzessive" wieder von ihren Anteilen trennen. Warum erfolgt dieser Schritt gerade jetzt? Und welche Folgen hat das – für die Märkte und den einzelnen Anleger? t-online beantwortet die wichtigsten Fragen. Warum will die Regierung ihre Anteile jetzt verkaufen? Weil sich die Commerzbank wirtschaftlich inzwischen weitgehend stabilisiert und eine gute Perspektive hat. Die Regierung kann es deshalb verantworten, ihr Engagement zur einstigen Rettung des Instituts zurückzufahren. So jedenfalls erklärt es Florian Toncar, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen und Vorsitzender des zuständigen interministeriellen Lenkungsausschusses: Die Commerzbank sei wieder ein stabiles und ertragsstarkes Institut. "Daher ist es geboten, dass sich der Bund von den Anteilen des erfolgreich stabilisierten Instituts sukzessive wieder trennt." Wie viele Aktien sollen auf den Markt kommen – und wann? Das ist beides derzeit noch offen. Auf Nachfrage äußerten sich weder das Finanzministerium noch die für den Verkauf zuständige Finanzagentur dazu. Aus dem Ministerium hieß es lediglich, bei dem angekündigten Verkauf handle es sich um einen "begrenzten ersten Schritt", weitere Details wurden nicht bekannt. Hintergrund dieser Schmallippigkeit dürfte sein, dass die Regierung mit jeder weiteren Konkretisierung schlimmstenfalls Verwerfungen an den Märkten hervorrufen könnte. Der Verkauf des betreffenden Aktienpakets solle "transparent und marktschonend" erfolgen, hieß es in einer Mitteilung der Finanzagentur. In einer ersten Reaktion fielen die Aktien der Commerzbank am Mittwoch um zwischenzeitlich mehr als 2 Prozent, am Nachmittag notierte sie jedoch nur noch 1,6 Prozent niedriger als am Vortag. Derzeit hält der Bund über den Finanzmarktstabilisierungsfonds (FMS) noch 16,49 Prozent der Commerzbank-Aktien. Eine Börsenmitteilung, die über einen etwaig erfolgten Verkauf von Anteilsscheinen informiert, muss erst wieder verschickt werden, sobald der Bund die Beteiligungsschwelle von 15 Prozent unterschreitet. Was passiert mit dem Geld, das der Staat einnimmt? Die Einnahmen, die der Bund mit dem geplanten Verkauf erzielt, fließen gemäß den Regeln des Spezialfonds FMS zurück ins Fondsvermögen. Eine Verwendung im Rahmen des Bundeshaushalts ist demnach nicht vorgesehen oder möglich. Damit verringert der Verkauf auch nicht die noch großen Finanzlöcher im Bundeshaushalt 2025, ebenso wenig ist eine Verwendung des Geldes für Investitionen möglich, wie sie der Ökonom Martin Werding fordert. Auf dem aktuellen Kursniveau hat die verbliebene Staatsbeteiligung an dem Geldhaus einen Wert von rund 2,5 Milliarden Euro. Seinerzeit hatte das Aktienpaket rund fünf Milliarden Euro gekostet. Um einen Gewinn zu erzielen, müsste ein Aktienkurs von knapp 26 Euro erreicht werden – zuletzt notierten Commerzbank-Anteile bei knapp 13 Euro. Anders als bei der Rettung der Lufthansa, der der Staat in der Corona-Pandemie unter die Arme griff, dürfte das Commerzbank-Engagement den Milliarden-Fehlbetrag im FMS damit noch vergrößern. Die Aktien werden voraussichtlich mit einem Verlust verkauft, auf dem am Ende der Steuerzahler sitzen bleibt. Wie steht es wirtschaftlich um die Commerzbank? Die Commerzbank verzeichnete unlängst den größten Erfolg in ihrer 150-jährigen Geschichte. Im jüngsten Quartal erzielte das Institut das beste Ergebnis seit 13 Jahren. Die Zahlen für das zweite Quartal erfüllten die Erwartungen der Analysten und übertrafen sie teilweise, was auch an den höheren Zinsen liegt, die es Banken wieder leichter erlauben, gute Geschäfte zu machen. Der Umsatz stieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 5,3 auf 5,4 Milliarden Euro. Das operative Ergebnis stieg von 1,8 auf 2,0 Milliarden Euro, das Nettoergebnis von 1,1 auf 1,3 Milliarden Euro. Zugleich wurde der Ausblick für das Gesamtjahr bestätigt: 2024 soll der Rekordgewinn aus dem Jahr 2023 "nochmals deutlich übertroffen" werden. Laut Vorstandschef Manfred Knof wolle die Bank beweisen, dass sie auch in einem weniger günstigen Zinsumfeld profitabel wachsen könne. "Das wird allerdings kein Selbstläufer werden", sagte Knof. Das Management sieht den Rückgang der Einmalbelastungen bei der polnischen Tochter mBank als Wachstumstreiber. Im Jahr 2023 hatten Sonderbelastungen, unter anderem aus Schweizer-Franken-Krediten in Höhe von umgerechnet fast 1,1 Milliarden Euro, das Konzernergebnis beeinträchtigt. Zudem wird ein starkes Kundengeschäft erwartet, unterstützt durch fortgesetzte Kostensenkungsprogramme. Sollte ich als Anleger jetzt zuschlagen? Diese Entscheidung muss jeder Anleger individuell treffen. Klar ist: Der wirtschaftliche Erfolg spiegelt sich auch im Aktienkurs wider. Seit dem Corona-Tief bei 2,55 Euro hat sich der Wert der Commerzbank-Aktie auf 12,80 Euro mehr als vervierfacht. Allein in diesem Jahr konnte die Aktie rund 40 Prozent hinzugewinnen. Sie steht so hoch wie seit 2012 nicht mehr. Zudem dürfen sich Aktionäre angesichts steigender Gewinne über höhere Dividendenausschüttungen freuen. Insgesamt will die Bank rund 1 Milliarde Euro an ihre Anteilseigner zurückgeben – bestehend aus einer Dividendenausschüttung in Höhe von 0,35 Euro je Aktie und dem bereits abgeschlossenen Aktienrückkaufprogramm im Volumen von 600 Millionen Euro. Geplant sind weitere Dividendenerhöhungen in den Jahren 2024 bis 2027. Auch die Einschätzung der Analysten zur Commerzbank-Aktie ist überwiegend positiv. 58 Prozent empfehlen die Aktie zum Kauf, 32 Prozent raten zum Halten und nur 11 Prozent zum Verkauf. Das durchschnittliche Kursziel der Analysten liegt bei 16,47 Euro, was einem Kurspotenzial von rund 23 Prozent gegenüber dem aktuellen Kurs entspricht. Das höchste Kursziel vergibt die DZ Bank mit 17,80 Euro. Die Privatbank Berenberg hingegen belässt die Einstufung auf Halten mit einem Kursziel von 13,60 Euro. Dennoch sollten Anleger vorsichtig agieren. Denn mit den von Experten erwarteten zwei bis drei Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank (EZB) in diesem Jahr trüben sich auch die Ertragsaussichten im Bankensektor ein. Zinssenkungen führen in der Regel dazu, dass die Zinsmargen der Kreditinstitute schrumpfen, weil die Differenz zwischen den Zinsen, die sie für Kredite verlangen, und den Zinsen, die sie für Einlagen bei der EZB zahlen, geringer wird. Natürlich erhofft sich die Commerzbank durch die Zinssenkung eine Belebung der Kreditvergabe an Privat- und Firmenkunden, da Kredite wieder günstiger werden. Noch halten sich viele Verbraucherinnen und Verbraucher beim Konsum zurück. Und auch die Unternehmen sparen, weil sie derzeit weniger verdienen.