Jamal Musiala und Florian Wirtz begeistern in der DFB-Elf – aus einem bestimmten Grund, meint Stefan Effenberg. Für zwei andere werde es nun ganz schwer – und auch der FC Bayern steht vor einer wichtigen Aufgabe. Gleich mehrere ganz entscheidende Eindrücke haben sich bei mir in den beiden Spielen zum Auftakt in die Nations League sowohl festgesetzt als auch bestätigt. Erstens – und das sollte mittlerweile jeder Beobachter endgültig erkannt haben: Jamal Musiala und Florian Wirtz sind einfach die kreativsten Spieler, die wir aktuell in Deutschland haben. Sie sind etwas Besonderes. Wir können sehr, sehr froh sein, dass wir die beiden in unseren Reihen haben. Beide haben wieder gezeigt, dass sie Unterschiedsspieler sind – was sie auch schon im Verein beim FC Bayern und Bayer Leverkusen unter Beweis gestellt haben. Sie versprühen Spielfreude, Überraschendes, Unerwartetes. Beide sagen es ja auch immer wieder selbst: Sie wollen einfach zocken – wichtig ist dabei aber, dass sie sich damit nicht ver zocken. Denn während gegen Ungarn noch einfach alles gepasst hatte, beide glänzen konnten und das deutsche Spiel beim 5:0 bereichert und geschmückt haben, war das gegen die Niederlande anders. Beim Spiel in Amsterdam gab es deutlich mehr Widerstand von einem qualitativ hochwertigeren Gegner. Da führte Musialas leichtsinniger Ballverlust am eigenen Strafraum dann direkt zum 2:2. In der Nations League kann so ein Fehler noch kaschiert werden, aber bei einer Welt- oder Europameisterschaft wird das sofort bestraft. Beide sind aber selbstkritisch genug, das auch zu erkennen, und solche Unkonzentriertheiten künftig nach Möglichkeit zu vermeiden. Jetzt sind Sané und Gnabry gefragt Und warum? Weil ein Musiala bei Bayern München groß geworden ist. Und dort werden nicht nur die erfahreneren Spieler, sondern auch die Verantwortlich immer wieder mal den einen oder anderen Ratschlag für ihn haben. Das war bei mir früher nicht anders: Wenn ein Franz Beckenbauer , ein Ottmar Hitzfeld oder ein Uli Hoeneß mit mir sprachen, ihr Wissen mit mir teilten, dann nahm ich mir das zu Herzen. Dasselbe bei Wirtz in Leverkusen, dem Xabi Alonso , Simon Rolfes oder Rudi Völler unfassbar wichtige Dinge mitgeben. Das ist Gold wert für die Entwicklung beider Spieler – und auch deshalb lernen beide so schnell, auch deshalb stagnieren sie nicht, sondern machen stetig weitere Schritte nach vorn. Und das ist offensichtlich: Beide glänzen nämlich nicht nur in der Offensive, sondern arbeiten auch für das Team mit in der Defensive gegen den Ball. Mich erinnert das an Arjen Robben und Franck Ribéry bei den Bayern, die maßgeblich für das Spiel nach vorne verantwortlich waren, aber es später auch verstanden haben, dass die Arbeit nach hinten mindestens genauso wichtig ist. Und das hat sie dann wirklich in die Weltspitze gebracht. Dass Musiala und Wirtz das aber bereits mit gerade einmal 21 Jahren so verinnerlicht haben, spricht für sie. Zweitens: Für einige Spieler, die vor ein, zwei Jahren noch gesetzt waren, wird es jetzt ganz schwer. Ich glaube zwar nicht, dass ein Leroy Sané oder ein Serge Gnabry es überhaupt nicht mehr zurückschaffen, aber der Weg ist auf jeden Fall schwieriger geworden – weil dieses neue, junge Duo uns nun schon seit geraumer Zeit begeistert, nicht nur beim Turnier im eigenen Land. Ich erwarte aber von Spielern wie Sané oder Gnabry, dass sie diese Herausforderung annehmen. Sie sind jetzt gefragt, und wir werden das mitverfolgen: Bringt Sané konstant gute Leistungen? Bleibt Gnabry verletzungsfrei? Dann wird Nagelsmann die Entscheidung leicht gemacht. Aber natürlich haben Musiala und Wirtz aktuell klar die Nase weit vorn. Weltmeister? Das muss Nagelsmanns Anspruch sein Drittens: Die DFB-Elf hat durch junge Spieler wie Aleksandar Pavlović und Angelo Stiller nun endlich wieder, was ihr in den vergangenen Jahren so dramatisch gefehlt hat: Druck in den eigenen Reihen. Lange schien alles gesetzt, das Leistungsprinzip wurde teilweise ausgesetzt, einige Spieler konnten sich ihrer Position sicher sein, ganz gleich, ob die Leistung im Verein stimmte oder nicht. Das ist jetzt anders, eine ganz neue Situation – und das ist auch gut so. Daher sind auch die Rücktritte von Toni Kroos , İlkay Gündoğan, Thomas Müller und Manuel Neuer – ungeachtet ihrer großen Erfolge – gar nicht schlecht für die DFB-Elf. Bundestrainer Julian Nagelsmann muss eine neue Hierarchie aufbauen, und das kann die Entwicklung eines neuen Mannschaftsgefüges nur fördern. Das Ziel muss jetzt ganz klar sein, die Nations League zu gewinnen – und dann eine erfolgreiche WM-Qualifikation zu spielen. Und dann zählen wir auch zu den Favoriten bei der Weltmeisterschaft 2026. Bundestrainer Julian Nagelsmann hatte auf der Pressekonferenz vor dem Ungarn-Spiel sein Unverständnis darüber geäußert , dass er für seine Zielsetzung "Wir wollen in zwei Jahren Weltmeister werden" kritisiert wurde. Und damit hat er absolut recht. Das muss doch der Anspruch sein. Drei, vier andere Länder haben diese Erwartung ja auch und kommunizieren das offensiv – und dazu sollten wir auch zählen. Coman und Goretzka werden die Antwort bekommen Ähnlich offensiv hat ja auch der FC Bayern seine Ziele für diese Saison formuliert – und schon jetzt kann es in ganz entscheidende Wochen gehen. Der September ist extrem wichtig für die Bayern – um erste Ausrufezeichen zu setzen. Denn jetzt startet die Champions League , in gut zwei Wochen steht dazu das Duell mit Leverkusen an. Die Chance, den amtierenden Meister im ersten Aufeinandertreffen direkt zu distanzieren, werden sie sich nicht entgehen lassen wollen. Ich glaube übrigens, dass die Bayern auf dem Transfermarkt das Bestmögliche getan haben für den Kader. Wenn ein Spieler nicht gehen möchte, gibt es aus München nie böse Worte, das war schon immer so. Ein Kingsley Coman , dessen Transfer in letzter Sekunde gescheitert war, muss sich jetzt eben dem Konkurrenzkampf in der Mannschaft stellen, ebenso ein Leon Goretzka . Es spricht für ihn, dass er angekündigt hat, sich bei den Bayern durchsetzen zu wollen. Beide werden in den nächsten Monaten die Antwort bekommen, ob es richtig war, in München zu bleiben. Wenn nicht, gibt es im Januar die nächste Möglichkeit zu wechseln. Es kann aber nicht sein, dass beide bis in den Dezember hinein nur auf drei, vier Startelfeinsätze kommen – das wäre viel zu wenig für ihre Ansprüche. Das darf nicht sein, und dann müssten beide ihre Entscheidung sofort überdenken. Darauf müssen sich Neuer und Müller einstellen Es wartet aber eine große Frage auf die Bayern, die sie unbedingt beantworten müssen: Was ist mit Joshua Kimmich (Vertrag bis 2025) und Jamal Musiala (2026), die langfristig die Gesichter des Klubs sein und seine Zukunft prägen sollen? Und dazu: Was passiert mit Manuel Neuer und Thomas Müller, deren Verträge wie Kimmichs 2025 auslaufen? Das sind enorm wichtige Personalien, die Bayern-Sportvorstand Max Eberl jetzt bevorstehen – und seine größte Aufgabe. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Müller noch ein Jahr dranhängt, und wenn Neuer stabil bleibt und konstant seine Leistung bringt, kann ich mir das auch bei ihm vorstellen. Natürlich werden der 38-jährige Neuer und der 34-jährige Müller nicht mehr mit längerfristigen Verträgen ausgestattet werden. Darauf müssen sich beide einstellen. Es wäre sowohl von Spieler- als auch von Vereinsseite ganz logisch, nun von Jahr zu Jahr zu denken. Ich bin übrigens überzeugt: Die Bayern schauen sich jetzt schon nach Spielern um, die beide irgendwann einmal ersetzen könnten. Eberl und die Führungsetage werden sich die wichtigsten Fragen stellen: Wer? Wie? Wann? Gerade die Torwartposition ist eine ganz, ganz entscheidende – und das wissen sie in München auch. Über viele Jahre hatten die Bayern erst Oliver Kahn, dann Neuer, Zwischenlösungen wie Michael Rensing hatten sich als Fehlgriffe erwiesen. Kahn und Neuer haben jeweils eine Ära geprägt, und die Aufgabe, einen geeigneten, würdigen, auch langjährigen Nachfolger für Neuer zu finden, ist in den nächsten Monaten nun die entscheidendste – und spannendste. Denn davon hängt auch die Zukunft des FC Bayern ab.