Der FC Bayern kassiert in Birmingham seine erste Saisonniederlage. Eine Entscheidung von Kompany rückt dabei besonders in den Fokus. João Palhinha musste sich bis zur 76. Spielminute gedulden, bis ihn Bayerns Cheftrainer Vincent Kompany beim Champions-League-Spiel bei Aston Villa endlich einwechselte. Das Unheil, das mit dem Gegentreffer zum 0:1-Endstand keine drei Minuten später auf die Bayern zukam, konnte aber auch der Abräumer nicht verhindern. Nach einem Freistoß der Münchner war die Mannschaft noch unsortiert. Mit einem langen Ball aus der Abwehr heraus war das gesamte Mittelfeld schnell überspielt und Torhüter Manuel Neuer zu weit nach vorn geeilt. So schlug der Schuss von Jhon Durán, der ebenfalls erst neun Minuten zuvor eingewechselt worden war, im verwaisten Bayern-Tor ein (79.). Palhinha konnte da nur komplett unbeteiligt hinterherschauen. Der physisch starke Sechser stemmte sich in den verbleibenden Minuten anschließend noch vehement und mit vollem Körpereinsatz gegen die drohende Niederlage. Gleich mehrmals warf der Portugiese sich seinen Gegenspielern mit eingesprungenen Tacklings entgegen und eroberte so gleich zweimal den Ball zurück (83., 90.). Abwenden konnte er die erste Niederlage unter Bayerns neuem Cheftrainer Vincent Kompany nach zuvor sechs Siegen und dem 1:1 gegen Leverkusen nicht mehr. Kompany: "Palhinha hat mit seiner Stärke das Spiel beeinflusst" Eindruck machte Palhinha bei seinem Kurzeinsatz aber trotzdem – und zwar auch bei seinem Trainer. Als Kompany bei DAZN gefragt wurde, wie er den Auftritt des Portugiesen gesehen habe, antwortete er: "Gut. Wir wissen, dass das auch unsere Stärke ist: Wir haben viele Spieler, die Konkurrenz reinbringen." Kompany erklärte: "Wir haben Spieler mit extremer Qualität. Und alle sind anders." Leroy Sané etwa habe seine Stärke in Eins-gegen-Eins-Situationen. "João gewinnt die Zweikämpfe, aber er kann auch die Bälle spielen", sagte Kompany. "Er hat mit seiner Stärke das Spiel beeinflusst. Deshalb haben wir den Wechsel gemacht." Aber hätte er das nicht auch von Beginn an tun können? Diese zentrale Frage stellten sich am Mittwochabend zum wiederholten Mal viele Beobachter. Mit dem 50-Millionen-Euro-Neuzugang vom FC Fulham hat Kompany schließlich jene schon von seinem Vorgänger Thomas Tuchel so vehement geforderte "Holding Six", also einen defensiv denkenden Sechser, bekommen. Bei Kompany ist der aber weiterhin "on hold", also im Wartestand. Palhinha muss sich hinter dem 20 Jahre alten Aleksandar Pavlović anstellen. Joshua Kimmich ist als Mittelfeldchef unter Kompany ohnehin gesetzt. Palhinha stand so bislang nur einmal (beim 6:1 in Kiel) in der Startelf und spielte gerade einmal 153 Minuten. Die Erwartungen nach seinem Transfer nach München waren zweifellos andere. Ballack: "In so einem Spiel musst ihn eigentlich bringen" "Wir sprechen hier über absoluten Topspieler. In so einem Champions-League-Spiel musst du so einen Spieler eigentlich bringen", sagte der frühere Nationalmannschafts-Kapitän Michael Ballack bei DAZN. Gerade die Partie in Birmingham, bei dem die Bayern auf einen physisch sehr starken Gegner trafen, wäre nahezu prädestiniert für Palhinha gewesen. In den zwei Jahren, die er in der Premier League spielte, gelangen schließlich laut dem Datenanbieter Opta keinem Spieler so viele erfolgreiche Tacklings (159) wie ihm. Mit 29 Jahren ist er bereits erfahren und kennt auch das hitzige Stadion bei Aston Villa. "Er ist unaufgeregt. Das zeichnet einen Sechser aus, dass er Verlässlichkeit und Routine mitbringt. Und das macht er auch", sagte Ballack. Palhinha sei kein Spieler, der noch einmal eine großartige Veränderung in der Offensive mitbringe. Auf seine Art könne er aber trotzdem ein entscheidender sein. Trotzdem erlebte Palhinha seine England-Rückkehr zunächst wieder von der Ersatzbank aus. Kompany "will mit Tradition brechen" Kompany brachte das schon vor dem Spiel etwas in Erklärungsnot. Er wolle mit einer vermeintlichen "Tradition brechen" und nicht im Detail über die Spieler reden, die gerade nicht in seiner Startelf stehen würden, sagte der Belgier da. "Weil ich weiß, dass sie in Zukunft spielen werden. Sie werden wichtig sein." Zu Palhinha ergänzte er: "Der kann bestimmt eine Rolle spielen und er wird bestimmt eine ganz große Rolle spielen in dieser Saison." Palhinha war möglicherweise bei Aston Villa genau der Spieler, der Kompany gefehlt hat. Gut möglich, dass er ihn nach den kräftezehrenden Duellen mit Leverkusen und Villa inklusive der ersten Niederlage genau jetzt braucht. Bereits am Sonntag wartet bei Eintracht Frankfurt (ab 17:30 Uhr im Liveticker bei t-online) schließlich gleich die nächste anspruchsvolle Auswärtsaufgabe. Ballack: "Du holst so einen Spieler nicht für die zweite Reihe" "Du holst so einen Spieler nicht für die zweite Reihe", sagte Ballack. "Wenn du in dieses Regal von der Ablöse her gehst, sprichst du über die Startelf." Wie lange geht das also noch gut mit Palhinha als Edelreservisten? Oder hat Bayern etwa schon jetzt ein Palhinha-Problem? Darauf angesprochen, sagte Freund schon nach dem Leverkusen-Spiel zu t-online: "Wir sind sehr, sehr froh, dass wir Palhinha hier haben. Wir werden ihn brauchen. Wir haben noch ganz viele Spiele. Wenn man sieht, wie intensiv wir spielen, dann braucht man einen richtig guten Kader." Und weiter: "Er bleibt positiv, trainiert gut. Es ist eine neue Sprache, ein neues Land, sein erster richtig großer Verein. Alles gut." Sportvorstand Max Eberl hatte sich vor dem Spiel in Birmingham ebenfalls zu Palhinhas Situation geäußert. "Wir spielen gerade sehr gut und erfolgreich. Dann willst du das Zentrum nicht aufreißen", sagte er. "João wird seine Spiele machen, wird extrem wichtig werden für uns. Es kommen Formkrisen, vielleicht Sperren." Die erste Niederlage dieser Saison ist für Bayern jetzt bereits gekommen. Für Palhinha könnte sie eine große Chance bieten, auf die er bereits lange warten musste.