Mindestens ein schwerwiegender Belästigungsvorwurf im Fall Gelbhaar ist offenbar erfunden. Die Grüne Jugend wünscht sich von ihrer Partei, weiterhin den Betroffenen zu glauben. Die Grüne Jugend hat die Grünen dazu aufgefordert, sich im Fall Gelbhaar vor die Betroffenen zu stellen. "Wir glauben Betroffenen und wir erwarten auch, dass die grüne Partei sich vor Betroffene stellt und sie nicht zum Spielball von irgendwelchen öffentlichen Debatten macht, wenn sie egal in welcher Art auch immer Teil von Vorwürfen sind", sagte Jette Nietzard, Chefin der Jugendorganisation, am Mittwoch auf einer Pressekonferenz in Berlin . Nietzard erwähnte nicht, dass in dem Fall mindestens eine schwere Beschuldigung gegen den Grünen-Bundestagsabgeordneten Stefan Gelbhaar offenkundig erfunden und unter falschem Namen vorgebracht worden ist . Stattdessen sagte sie, sie freue sich "ganz persönlich, dass Julia Schneider jetzt Direktkandidatin in Pankow ist und diese feministische Partei dort würdig vertreten kann". Schneider tritt in dem Berliner Bezirk bei der Bundestagswahl für Gelbhaar an, der nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen ihn seine Kandidatur zurückgezogen hatte. Gegen Gelbhaar stehen seit Mitte Dezember Belästigungsvorwürfe im Raum. Der ARD-Sender rbb berichtete nach eigenen Angaben auf Grundlage von eidesstattlichen Versicherungen von Frauen über konkrete Vorwürfe. Am Freitag zog der Sender aber weite Teile seiner Berichterstattung zurück. Offenbar hatte eine Grünen-Bezirkspolitikerin weitreichende Vorwürfe unter falschem Namen erhoben. Die Grünen-Bundesspitze will nun eine neue Kommission mit dem Fall Gelbhaar befassen, weil nach wie vor sieben Personen an ihren Vorwürfen gegen Gelbhaar festhalten . Der hatte die Vorwürfe wiederholt zurückgewiesen. "Wir sind kein Gericht als Grüne" Grüne-Jugend-Chefin Jette Nietzard sagte zu Beginn ihrer Ausführungen zum Fall Gelbhaar, man werde sich nicht zu konkreten Vorwürfen und dem laufenden Verfahren äußern. "Aber ich würde gerne trotzdem sagen, ich bin gerne Mitglied in einer feministischen Partei und es ist mir wichtig, dass sie eine feministische ist, auch jetzt noch." Wo Macht existiere, werde Macht missbraucht, das sei auch in einer feministischen Partei so. "Was es aber bedeutet, in einer feministischen Partei zu sein, ist, dass Betroffenen geglaubt wird." Aus Nietzards Sicht können für die Aufarbeitung solcher Vorwürfe in einer Partei andere Regeln gelten als in juristischen Verfahren. "Die Unschuldsvermutung gilt immer vor Gericht", sagte Nietzard. "Aber wir sind eine Organisation und wir sind kein Gericht als Grüne." Sie erinnerte an die Fälle des Comedians Luke Mockridge und Thilo Mischke. "Da wurden den Männern Sendungen weggenommen", weil sich eine moralische Bewertung von einer juristischen Bewertung unterscheiden könne. Nietzard sagte: "Es gibt einen Unterschied zwischen einer juristischen und einer moralischen Einschätzung. Diese sollte eine feministische Partei treffen". Und: "Welche Prioritäten wir setzen, ist als Partei unsere Entscheidung." Dunkelfeldstudien zeigten, "dass die meisten sexuellen Übergriffe jeglicher Art nie vor Gericht landen und nie von den Betroffenen überhaupt öffentlich gemacht werden". Deshalb sei es zu begrüßen, wenn sich Betroffene trauten, darüber zu sprechen, sagte Nietzard. Ein Ombudsverfahren sei nie dafür da, "juristische Klarheit oder eine Aufklärung von Geschehnissen" zu bringen. Es sei ein "Gesprächsangebot", zum "weiteren Umgang damit innerhalb einer Partei". Nietzard begrüßt Reform der Meldestruktur Nietzard begrüßte, dass die Grünen-Spitze eine neue Kommission einsetzt, um den Fall Gelbhaar weiter aufzuarbeiten. Sie sei "sehr froh, dass die Grünen sich jetzt entschieden haben, den Schritt zu gehen, die Ombudsstelle extern anzusiedeln. Das ist höchste Zeit". Sonst würden Verfahren möglicherweise von "Parteidynamiken" beeinflusst, begründete Nietzard, weil Personen aus der Mitte der Partei in der Ombudsstelle säßen. Gerade in Berlin herrscht bei den Grünen ein Machtkampf zwischen dem linken Parteiflügel und den Realos. Es sei bei der Reform der Struktur auch wichtig, sagte Nietzard, dass die Stelle bei Mehrfachmeldungen gegen eine Person "die Möglichkeit besitzt, diese zu bündeln und beispielsweise an den Parteivorstand zu geben", um "politische Konsequenzen aus unterschiedlichen Fällen zu ziehen". Das sei bisher nicht möglich gewesen. Die Grünen betonen stets, die Ombudsstelle arbeite völlig unabhängig und ohne, dass die Parteispitze einbezogen würde. Nietzard sagte: "Auch ich selber habe mich schon aus diesen strukturellen Gründen dagegen entschieden, einmal zu einer Ombudsstelle zu gehen, als ich selbst betroffen war." Sie werde nicht die Einzige sein, für die das gelte in der Partei. "Und deshalb ist es immer eine Priorität, den Schutz von Betroffenen nach vorn zu stellen. Ich bin froh, wenn die Partei daraus auch weiter lernt." Änderungen bei Rente, Bezahlkarte und Klimaschutz Abseits des Falls Gelbhaar hat die Grüne Jugend angekündigt, auf dem Parteitag der Grünen an diesem Sonntag auf Änderungen am Wahlprogramm zu drängen. Dabei geht es ihnen um Änderungen bei der Rente , der Bezahlkarte für Geflüchtete und dem Klimaschutz. Man sei zwar "superzufrieden" mit den Inhalten, die man auf dem vergangenen Parteitag und in den letzten Wochen ins Programm verhandelt habe, sagte Grüne-Jugend-Chef Jakob Blasel. Er nannte unter anderem die Ablehnung der Wehrpflicht, den Mindestlohn auch für Minderjährige, die Anhebung der Ausbildungsvergütung, ein höheres Bafög sowie Sanktionen für Vermieter beim Verstoß gegen die Mietpreisbremse und den Erhalt des 49-Euro-Tickets. Gleichzeitig gebe es aber "noch ein paar Punkte, die offen sind". So sei die Grüne Jugend mit der Antragskommission noch in Verhandlungen bei der Rente. "Wir finden es falsch, dass unsere Rente an den Kapitalmarkt gehen soll, weil es in der Größe auch gar keine Fonds gibt, die grünen Grundwerten irgendwie gerecht werden können", sagte Jette Nietzard. Es könne nicht sein, wenn die Rente mit Gewinnen erzielt würde, die nicht den grünen Grundwerten entsprächen. Zudem wolle man klarmachen, dass es nicht darum gehe, die Renten der Babyboomer gegen die der jungen Generation auszuspielen, sondern dass es eine Frage der Verteilungsgerechtigkeit sei. Bei der Bezahlkarte für Geflüchtete will die Grüne Jugend Bargeldobergrenzen verhindern. "Wir finden, keine einzige Bargeldobergrenze kann angemessen sein", sagte Nietzard. Es sei eine Frage der Gerechtigkeit, dass nicht Geflüchtete eine Bargeldobergrenze hätten und alle anderen, die von den Sozialsystemen profitierten, nicht. Beim Klimaschutz setzt sich die Grüne Jugend für eine deutlichere Abkehr von fossilen Energien ein. Es brauche einen klaren Ausstieg aus fossilem Gas und einen Ausstieg aus fossiler Infrastruktur. LNG-Terminals wolle man eine Absage erteilen. Beim Klimaschutz habe es in der Ampel Fortschritte gegeben. Aber: "Es reicht nicht, einfach nur Rückschritte zu verhindern, sondern wir müssen beim Klimaschutz auch weiter nach vorne kommen."