Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser, können Sie die Temperatur von Wasser erfühlen? Schwer ist es ja nicht. Man hält den Finger rein und weiß sofort, ob es eiskalt, lauwarm oder arg heiß ist. Man erinnert sich an die zu warme Badewanne oder die zu kalte Nordsee und vielleicht sogar an eine Gradzahl, die dazu passt. Das Ergebnis ist nicht perfekt, aber wenigstens grob weiß man Bescheid. Etwas anders stellt sich die Lage dar, wenn Ihnen jemand das Wasser aus einem Gartenschlauch mit Hochdruck ins Gesicht spritzt. Dann versuchen Sie, sich vor dem Schwall wegzuducken und einen klaren Gedanken zu fassen – doch in dem Moment kippt Ihnen jemand auch noch einen vollen Wassereimer über den Kopf. Während Sie jetzt klatschnass zur anderen Seite hechten, teilen Sie mir bitte per Zuruf Ihre Einschätzung zur Temperatur mit. Wie bitte, die Präzision hat gelitten? Sie wollen sich erst einen Moment beruhigen und sortieren? Tut mir leid, das geht nicht. So ungefähr gestaltete sich die Woche, die nun zu Ende geht, für jeden, der mit den drei Buchstaben U, S und A in Berührung gekommen ist. Die fliegen uns zurzeit nämlich genauso um die Ohren wie die Lettern T, R, U, M und P aus der einen Richtung sowie E, L, O, N aus der anderen – und irgendwo dazwischen auch noch C, H, A, O sowie ein kurviger Buchstabe, der zu schnell vorbeischießt, um ihn richtig zu erkennen. Auf ruhigere Zeiten zu hoffen lohnt sich nicht, denn der Wasserfall, den die freidrehende US-Regierung auf uns niedergehen lässt, wird so bald nicht wieder versiegen. Erfühlen wir also rasch die Temperatur, bevor noch mehr auf uns einprasselt. Ich möchte den geballten Irrsinn hier nicht rekapitulieren, sondern mich auf einige Stichworte beschränken, falls Sie im Stakkato etwas verpasst haben: Ein paar Kids aus Elon Musks Firmenimperium, die jetzt im Auftrag des Herrn (Trump) unterwegs sind, sind in US-Behörden vorgedrungen, haben Mitarbeiter vor die Tür gesetzt, sich Zugang zu den Datenbeständen und – unter zum Teil dramatischen Umständen – zu Staatsgeheimnissen verschafft. Teile der Bundesbehörden sind handlungsunfähig. Musk will im Auftrag des Präsidenten den bürokratischen Apparat zerschlagen. Das Hauptangriffsziel seiner Handlanger in dieser ersten Welle, die Behörde für Entwicklungshilfe USAID, ist nun faktisch nicht mehr existent. Sie wurde binnen Stunden zerschlagen. Aber halten wir uns damit nicht zu lange auf. Der US-Präsident hat angekündigt, Amerika den Gaza-Streifen einverleiben zu wollen, zwecks Wiederaufbau in Form von Luxusimmobilien, während die zwei Millionen Palästinenser bitte in Zukunft irgendwo anders bleiben sollen, wo es aber bestimmt total toll sein wird . Des Weiteren hat Mister Trump einen Handelskrieg mit Mexiko und Kanada begonnen, aber auch schon wieder pausiert und für einen Monat vertagt. Vor wenigen Stunden hat er dann Sanktionen gegen den Internationalen Strafgerichtshof angeordnet. Habe ich etwas ausgelassen? Oh ja, da war noch mehr. Aber wir wollten ja nur die Temperatur fühlen, nicht Inventur machen. Das ursprüngliche Vorhaben kann man leicht vergessen, während man mit Ereignissen überschüttet wird. Genau darauf setzt es der Skandalgenerator im Weißen Haus an. Das verbale Dauerbombardement verschafft ihm Handlungs- und Narrenfreiheit. Wenn man als Beobachter nicht zu sehr den Kopf schüttelt, dann kratzt man ihn sich. Es gibt verschiedene Theorien, was das Chaos bezwecken soll, aber ich verrate Ihnen schon jetzt: Sicher weiß das niemand. Verschaffen wir uns einen kurzen Überblick über die gängigen Erklärungen: Der Brutalo: Dieser Theorie zufolge setzt Trump auf Angst, Einschüchterung und Erpressung, in bester Mafia-Manier. Nachdem seine Opfer die schlimmsten Forderungen abgewehrt haben, sind sie über "Kompromisse" froh, die ihnen zuvor indiskutabel erschienen wären. Der Zocker: Trump lässt es darauf ankommen und geht mit maximaler Nervenstärke ein ebenso maximales Risiko ein. Er rast auf Kollisionskurs auf die Gegenseite zu, und wer zuerst einknickt, verliert. Oder es kommt zum Crash. Als Erster bremsen will er nicht. Der Showman: Hauptsache, die Leute reden über mich und ich kann hinterher behaupten, was für großartige Erfolge ich eingefahren habe. Substanz? Ist egal. Der Eindruck zählt! Die Luftnummer: Behaupten kann man viel, wenn der Tag lang ist. Trump blufft sich zum Erfolg. Grönland und Gaza als US-Kolonien? Das glaubt er doch selbst nicht. Große Klappe, nichts dahinter. Wer darauf reinfällt, zahlt den Preis. Der Größenwahnsinnige: Auch ein irrer Plan ist ein Plan. Trump kennt keine Grenzen mehr und ist von seiner eigenen Großartigkeit überzeugt – deshalb macht er, was er will. Die Ankündigungen sind ernst gemeint. Gerade das macht sie so gefährlich. Der Taktiker: Was durchgeknallt klingt, erfüllt eine Funktion. Es lenkt ab, es täuscht, es führt zum eigentlichen Ziel. Ein Beispiel zeigt, wie das geht: Seit Trump von einem Gaza ohne Palästinenser fantasiert, hat es sein Alliierter, Israels Premier Netanjahu, leichter, seine Regierung zusammenzuhalten. Denn dort sitzen Rechtsextreme am Kabinettstisch, die von einer ethnischen Säuberung in Gaza träumen. Im Gegenzug für seine helfende Hand bekommt Trump zweierlei: erstens einen willfährigen "Bibi", zweitens dessen Unterstützung für einen großen Nahost-Deal, den Trump schon in seiner vorigen Amtszeit anstrebte. Ruchlos? Gewiss. Taktisch brillant? Durchaus. Ist es wirklich so? Wissen wir nicht. Sie sehen: Der Versuch, die Betriebstemperatur zu messen, ist bisher nur mäßig erfolgreich verlaufen. Es könnte heiß sein. Vielleicht ist es auch kalt. Es gibt zahlreiche Theorien, um Trumps Handlungen zu erklären, jede mit eigenem Thermometer. Ich habe allerdings Zweifel, ob die feinsinnige Unterscheidung der vielen Rollen – vom Zocker bis zum Taktiker – angemessen ist. Denn Donald Trump vereint sie alle in seiner Person. Vor seiner politischen Karriere, während seiner Zeit als Hallodri und Geschäftsmann, wechselte er die Rollen nach Bedarf: Mal war er eiskalter Investor, mal Casino-König, hier gründete er eine windige Fake-Universität, dort lancierte er ein millionenschweres Großprojekt, er hatte eine große Show im Reality-TV und echtes Geld auf der Bank (meistens). Was Plan, was Bluff, was Improvisation und was Strategie ist, war bei Trump noch nie klar unterschieden. Auch das echte übergroße Ego und die täuschende übergroße Fassade klebten immer aneinander. Was als Projekt startet, endet als Strohfeuer. Ein kurzlebiger Testballon wiederum steigt zum Leuchtturmprojekt auf. Es entscheidet sich unterwegs. Das zerrt bei Politikern, Diplomaten, Wirtschaftsbossen, selbst bei Normalbürgern an den Nerven. Aber es ist auch eine Chance. Denn Trump hat zwar seinen Gartenschlauch, mit dem er uns nun jeden Tag nassmacht. Aber woher der Wind weht, der den Testballon treibt, das können wir mitentscheiden. Wir Journalisten haben es in der Hand, seine Logorrhö entweder eins zu eins wiederzugeben oder aber einzuordnen und zu hinterfragen. Und wir Normalbürger können uns von ihm entweder verrückt machen oder ihn abtropfen lassen und uns entschlossener als bisher für eine solidarische, regelbasierte Welt einsetzen. Das ist es nämlich, was es jetzt dringend braucht. Lassen wir uns also nicht einseifen! Ohrenschmaus Wohin steuert Trump? Es sieht nicht nach einer ruhigen Fahrt aus. Die Insel bebt Zwei Millionen Besucher ziehen die pittoresken Häuser Theras jedes Jahr an. Nun jedoch verlassen viele Menschen Santorini: Die griechische Insel wird seit zwei Wochen von einer Erdbebenserie heimgesucht. Der bisher stärkste Stoß wurde am Mittwochabend registriert: Er hatte eine Magnitude von 5,2 und war auch auf Kreta sowie in höheren Stockwerken im 230 Kilometer entfernten Athen zu spüren. Gut zwei Drittel der rund 16.000 Inselbewohner sind aufs Festland geflohen, und Seismologen sehen keine Anhaltspunkte für eine Beruhigung – im Gegenteil. Im schlimmsten Fall könnte das womöglich bald folgende Hauptbeben eine Stärke von 7 erreichen und einen Tsunami auslösen, der auch andere Ägäis-Inseln in Mitleidenschaft zöge. Andere Experten glauben, der "Erdbebenschwarm" werde noch längere Zeit so weitergehen und dann langsam abflauen. Sorgen bereitet außerdem der 40 Kilometer nordöstlich von Santorini gelegene Unterwasservulkan Kolumbos. Dort wurde eine Bodenhebung festgestellt, die auf Magmaaktivitäten hindeuten könnte. Vulkanologen halten einen Ausbruch für möglich. Als wahrscheinlich gilt, dass die gegenwärtigen Beben auf ein Zusammenspiel aus tektonischen Verschiebungen und vulkanischer Aktivität zurückzuführen sind. Die letzten großen Beben in der Region ereigneten sich 1956 und lösten einen Tsunami von 20 Metern Höhe aus. Meine Kollegin Ellen Ivits erklärt Ihnen das unheimliche Geschehen unter der Erdkruste. Warmlaufen fürs Duell Mit zwei Townhall-Veranstaltungen in Ludwigsburg und Calw läuft sich Olaf Scholz heute fürs erste TV-Duell mit Friedrich Merz am Sonntagabend warm. Dass der Noch-Kanzler auf den letzten Metern eine spektakuläre Aufholjagd hinlegt, ist so wahrscheinlich wie eine Mittsommernacht im Februar. Während seine SPD stagniert, haben CDU und CSU dem ARD-Deutschlandtrend zufolge nach der heftigen Debatte über die gemeinsamen Migrationsabstimmungen mit der AfD sogar an Zustimmung gewonnen. Friedrich Merz wird sich seinen Koalitionspartner womöglich aussuchen können. Ist mehr als einer nötig, wird es trotzdem heikel. Lesetipps Geschieht in den USA ein Staatsstreich? Die Gerichte scheinen die letzte Hoffnung der Opposition zu sein, berichtet unser USA-Korrespondent Bastian Brauns. Das wichtigste Thema spielt im Bundestagswahlkampf kaum eine Rolle. Das ist ein Fehler mit schwerwiegenden Folgen, meint unser Kolumnist Bob Blume. Altkanzlerin Angela Merkel hat sich schon wieder zur Politik von CDU-Chef Friedrich Merz geäußert – und wird dafür kritisiert. Zu Recht? Meine Kollegen Patrick Diekmann und Mauritius Kloft sagen es Ihnen. Das Antarktis-Eis hat sich stark ausgedehnt. Endlich gute Klimanachrichten? Leider nicht, weiß unsere Kolumnistin Sara Schurmann. Zum Schluss Der Donaldismus hat Folgen. Ich wünsche Ihnen einen unaufgeregten Wochenausklang. Herzliche Grüße und bis morgen Ihr Florian Harms Chefredakteur t-online E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de Gefällt Ihnen der Tagesanbruch? Dann leiten Sie diesen Newsletter an Ihre Freunde weiter. Haben Sie diesen Newsletter von einem Freund erhalten? Hier können Sie ihn kostenlos abonnieren. Alle bisherigen Tagesanbruch-Ausgaben finden Sie hier . Alle Nachrichten von t-online lesen Sie hier . Mit Material von dpa.