TV-Duell Merz gegen Scholz: Wem bringt das was? | Bundestagswahl
TV-Duelle sind in Deutschland aus Wahlkämpfen nicht mehr wegzudenken. Doch was bringen sie Wählern und Wahlkämpfern? Das erklärt Prof. Thorsten Faas im Gastbeitrag. An diesem Sonntag um 20.15 Uhr erreicht der Wahlkampf seinen ersten institutionellen Höhepunkt: das TV-Duell zwischen Kanzler Olaf Scholz (SPD) und seinem aussichtsreichsten Herausforderer Friedrich Merz (CDU). Solche TV-Duelle im Wahlkampf gibt es in Deutschland seit 2002. Damals haben sich Bundeskanzler Gerhard Schröder und sein Herausforderer Edmund Stoiber zwei Mal duelliert. Zwischenzeitlich sind sie zu einem festen Bestandteil von Bundestagswahlkämpfen geworden. Angela Merkel empfing sukzessive Gerhard Schröder (2005), Frank-Walter Steinmeier (2009), Peer Steinbrück (2013) und Martin Schulz (2017) zum Duell. 2021 gab es drei Trielle zwischen Olaf Scholz, Annalena Baerbock und Armin Laschet – dazu unten mehr. Innerhalb von 20 Jahren sind TV-Duelle zu den mit Abstand wichtigsten Einzelereignissen in Wahlkämpfen geworden. Als Wahlkämpfe im Miniaturformat ziehen sie ein Millionenpublikum an – 2005 waren über 20 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer dabei, als Schröder und Merkel sich zum Duell trafen. Aber es sind nicht nur diese hohen Zuschauerzahlen, die das Format besonders machen. Es ist auch die Struktur der Zuschauerschaft: Fernsehduelle schauen auch viele Menschen an, die ansonsten nicht allzu viel Wahlkampf verfolgen. Aber diese Mini-Wahlkämpfe wertschätzen auch Menschen mit geringerem Interesse aufgrund der Möglichkeiten, die sie bieten, nämlich die wichtigsten Personen zu den wichtigsten Themen 90 Minuten und direkt miteinander vergleichen zu können. Studien zeigen Effekte im Wahlkampf Vor dem Hintergrund überrascht es nicht, dass Studien immer wieder zeigen konnten, dass Fernsehduelle Effekte haben, gerade auch bei politisch weniger interessierten Menschen. Sie lernen in diesen Duellen etwas über die Personen und die Positionen, die diese vertreten, und werden so zum Wählen motiviert. Sie wertschätzen das Format und die Hilfestellung, die es ihnen offenkundig bietet. Kurzum: Sie mögen Duelle. Ganz anders das mediale Echo: Medial werden TV-Duelle regelmäßig als langweilig, wenig hilf- und lehrreich und letztlich überflüssig abgetan. Auch im Vorfeld der Duelle 2025 waren solche Stimmen schon zu hören. Das ist schade und letztlich sehr borniert. Wenn professionelle politische Beobachter in Fernsehduellen etwas lernen würden, wäre wohl irgendwo ein Fehler versteckt. Das sollten die Beobachter im Kopf behalten. Der Wahl-O-Mat wurde in dieser Woche sehr gefeiert für seine Reichweite und seine Niedrigschwelligkeit; diese Maßstäbe sollte man auch an Fernsehduelle anlegen. Sie sind quasi live und in Farbe dargebotene Wahl-O-Maten, die ebenfalls einfache und hilfreiche Vergleichsangebote schaffen. Ihr Ursprung liegt in den USA Das bedeutet nicht, dass das Duell-Format in diesen Tagen nicht aus guten Gründen unter Druck geraten ist. Passt es in die Zeit und diesen Wahlkampf? Nun könnte man rückfragen: Hat es jemals in bundesdeutsche Wahlkämpfe gepasst? Immerhin kommt das Format aus präsidentiellen Systemen, allen voran den USA , wo der Präsident eben direkt gewählt wird. Dort übrigens läuft das Format unter dem Label "Presidential Debates", aber das sei nur am Rande erwähnt. Wir dagegen wählen ja Parteien. Was bedeutet da eigentlich "Kanzlerduell"? Schon 2021 ruckelte es im System: An die Stelle der Duelle traten drei Trielle. Und im Rückblick muss man wohl sagen: Das hat dem Format nicht gutgetan. Obwohl die drei Trielle durchaus verschieden waren, kamen Umfragen im Nachgang zu allen drei Triellen zu sehr ähnlichen Ergebnissen: Scholz hatte klar gewonnen. Aber spiegelte das wirklich Reaktionen auf die Ereignisse wider? Man konnte vielmehr den Eindruck gewinnen, dass die Triell-Nachbefragungen die Ergebnisse anderer, duell-unabhängiger Umfragen zur "K-Frage" widerspiegelten. Die Trielle selbst, so ist zu befürchten, konnten weniger direkte Wirkung entfalten. Ihnen fehlte die Klarheit und Einfachheit der simplen Duelllogik. Der Zielkonflikt ist offenkundig: Die Zahl der Kanzlerkandidaten wächst, aber damit geht der Reiz des einfachen Formats verloren. Dieses Mal wurden fünf Personen zu Kanzlerkandidaten ihrer Parteien gewählt. Am morgigen Sonntag dürfen sich zwei davon duellieren. Am Sonntag danach vier. Was besser ist, den Kandidaten und Kandidatinnen gegenüber gerechter ist, für Wählerinnen und Wähler nützlicher ist? Wir werden sehen. Aber die Sorge, dass sowohl die Einschaltquoten als auch die Effekte zurückgehen, muss man haben. Das Wichtigste aber natürlich zum Schluss: Wie heißt eigentlich ein Duell mit vier Leuten? Meines Erachtens ist "Tetraell" die einzig akzeptable Antwort darauf.