Bernhard Vogel prägte als Ministerpräsident sowohl den Westen als auch den Osten Deutschlands. Nun ist der CDU-Politiker mit 92 Jahren verstorben. Bernhard Vogel war ein Rekord-Regent: Der CDU-Politiker war der einzige Ministerpräsident, der jeweils ein Land in West- und in Ostdeutschland regierte. So lange wie er stand kein anderer in Deutschland an der Spitze von Landesregierungen. Bereits die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte ihm einst "historische Einmaligkeit" bescheinigt. Jetzt ist der gebürtige Göttinger im Alter von 92 Jahren gestorben. Der frühere Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und später von Thüringen hatte ursprünglich andere Pläne. "Auf die Idee, Politiker zu werden, war ich nie gekommen", sagte Vogel anlässlich seines 90. Geburtstags im Dezember 2022 in einer Art Lebensbilanz. Er studierte Politische Wissenschaft, Geschichte und Volkswirtschaft in Heidelberg , als ihn Betriebsräte des BASF-Konzerns baten, für den Bundestag zu kandidieren. "Ich war allenfalls auf eine Periode angelegt." Nachfolger Kohls Sein Bruder Hans-Jochen (1926-2020) war da längst politisch aktiv – allerdings in der SPD : erst als Oberbürgermeister von München , später als Bundesjustizminister, Kanzlerkandidat und Parteivorsitzender. Der damalige rheinland-pfälzische Ministerpräsident Helmut Kohl holte Bernhard Vogel dann nach Mainz – zunächst als Kultusminister, 1976 folgte er Kohl als Regierungschef. Mit einem bitteren "Gott schütze Rheinland-Pfalz" verabschiedete sich Vogel 1988 schweren Herzens von seinem Bundesland, nachdem er in der Landes-CDU einen Machtkampf verloren hatte. Rund zwölf Jahre hatte er an Rhein und Mosel regiert. Seine Partei profitierte nicht von Vogels Abgang, nach weiteren drei Jahren übernahmen die Sozialdemokraten die Macht – und halten sie bis heute. "Das größte Abenteuer meines Lebens" Vogel dagegen gelang nur wenige Jahre später ein politisches Comeback. 1992 wurde der Katholik nach dem Rücktritt des damaligen Thüringer Ministerpräsidenten Josef Duchac (CDU) in den Osten geschickt und startete dort eine zweite politische Karriere. "Die Idee, in einem anderen deutschen Land Ministerpräsident zu werden, war so abwegig, dass sie lange niemand hatte. Es war auch nicht mein Verdienst, sondern entsprach einer ungewöhnlichen historischen Situation." Das Amt sei eine echte Herausforderung gewesen. "Mit der Wahl zum Ministerpräsidenten begann für mich das größte Abenteuer meines Lebens. Und das hatte ich mir nicht so schwierig vorgestellt." Die Beseitigung der Schäden von 40 Jahren DDR habe sich als kompliziert erwiesen. "Sie ist bis heute nicht in allen Bereichen abgeschlossen." Vogel führte die Konrad-Adenauer-Stiftung Sein Rückzug aus der aktiven Landespolitik erfolgte auf Raten. Ende 2000 übergab Vogel den Vorsitz der Thüringer CDU an Dieter Althaus. Er gebe "das Ruder nicht leichten Herzens aus der Hand", bekannte der Politikprofi damals. Dennoch leitete Vogel frühzeitig auch den Wechsel an der Regierungsspitze ein. Althaus löste ihn 2003 auch als Ministerpräsident ab. Dass mit Bodo Ramelow im Jahr 2014 in Thüringen erstmals ein Linkspolitiker zum Ministerpräsidenten eines Bundeslands gewählt wurde und die CDU dort eine ziemliche Talfahrt hinlegte, dürfte Vogel besonders geschmerzt haben. Niemand war länger Ministerpräsiedent Nach dem "Abenteuer Thüringen" übernahm Vogel bis 2009 den Chefposten der Adenauer-Stiftung, den er zuvor schon einmal innegehabt hatte. An welchem Ort war ein so Weitgereister glücklich? "Im Dom in Speyer , im Dom in Erfurt, in Weimar, Jena, Heidelberg... ein einziger Ort allein passt nicht in meinen Lebenslauf", sagte der ewige Junggeselle dazu. Unter Politikern war der am 19. Dezember 1932 geborene Vogel ein Unikat. Er hat deutsche Schlüsselmomente nicht nur erlebt, sondern mitgestaltet. Siebenmal legte er in Mainz und Erfurt den Amtseid als Regierungschef ab. Damit ist er der deutsche Nachkriegspolitiker mit der längsten Amtszeit als Ministerpräsident. Er führte mehr als 23 Jahre CDU-Alleinregierungen oder Koalitionen mit FDP und SPD. Schwimmer und Klassik-Liebhaber An seinem Wohnort im pfälzischen Speyer standen politische Biografien und Werke etwa von Thomas Mann ("Ich habe seit langem eine besondere Sympathie zu ihm") auf dem Bücherregal. Wenn Vogel Musik hörte, dann Klassik – oft Mozart ("Man hört ihn sofort heraus. Einen bestimmten Ton hat nur Mozart"). Pop und Rock seien "nicht so sehr" seine Welt. Als Lieblingsmaler bezeichnete er den Niederländer Vincent van Gogh. In seiner Freizeit war er bis ins hohe Alter ein leidenschaftlicher Schwimmer. "Das geht noch", sagte er an seinem 90. Geburtstag, "im Gegensatz zum Bergsteigen: Da schaue ich mir die Gipfel heute von unten an." Gut entspannen konnte Vogel in einem Dorf im Ötztal. Wegbegleiter betonen, der promovierte Politologe habe stets das Verbindende gesucht und sei ein echter Diplomat gewesen. Bis zuletzt war er auf vielen Terminen zu sehen. Vogel meldete sich auch immer noch zu Wort. So warnte er die CDU vor einer Zusammenarbeit mit der AfD , riet seiner Partei aber, sich um deren Wähler zu kümmern. "Man sollte sich nicht zu wichtig nehmen" Das Verhältnis zu Helmut Kohl nannte er stets vertraulich. "Kohl war nie ein Rivale. Wir sind über Jahrzehnte befreundet gewesen." Dass die letzten Jahre des Ex-Kanzlers von einer Spendenaffäre und einer Krankheit überschattet gewesen seien, habe "einen Hauch von Tragik". Vogel erhielt eine Vielzahl von Auszeichnungen - vom Bambi bis zum Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland. Bei der Ehrung mit dem Thüringer Point-Alpha-Preis für seine Verdienste um die Einheit Deutschlands und Europas 2021 sagte der damalige hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) in seiner Laudatio, Vogels eigenes Erleben, angefangen vom Nationalsozialismus über die Nachkriegszeit und die deutsche Teilung bis hin zur Wiedervereinigung, hätten ihn zu einem "homo politicus" sondergleichen gemacht. Auch ins politische Tagesgeschäft mischte sich das politische Urgestein in den letzten Jahren hin und wieder ein. Er mahnte die etablierten Parteien, AfD-Wähler zurückzugewinnen. Zugleich bezeichnete er den inzwischen abgewählten Ministerpräsidenten Ramelow aber auch gefährlicher als die AfD. Gleichwohl würdigte der Linkspolitiker am Montag wie viele andere Vogels Verdienste. Dessen Satz "zuerst das Land, dann die Partei" werde alles überdauern, schrieb Ramelow. Zu Lebzeiten auf seine Verdienste angesprochen, tat Vogel diesw oft schmunzelnd ab. "Mancher hat den Eindruck, es handele sich bei meinem Bruder und mir um Persönlichkeiten, die auch später noch erinnert würden", sagte er einmal der Deutschen Presse-Agentur. Sicherlich habe man sich bemüht und engagiert. "Aber wir waren nicht die einzigen, und wir werden wahrscheinlich in Vergessenheit geraten. Das ist ein realistischer Gedanke. Man sollte sich nicht zu wichtig nehmen."