Berlin: Nach massiver Kritik doch erst mal keine Präsenzpflicht an Schulen
Eltern in Berlin dürfen für die kommende Woche erneut umplanen. Die soeben erst verkündeten Pläne zur schrittweisen Öffnung der Berliner Schulen trotz Corona-Lockdowns sind teilweise vom Tisch. Nach massiver Kritik und internen Diskussionen machte Berlin einen Rückzieher von dem Vorhaben, ab kommendem Montag für Abschlussklassen wieder Wechselunterricht anzubieten, also eine Kombination aus Lernen zu Hause und in den Schulen in kleinen Gruppen.
Eine Woche später sollten Grundschüler folgen. Auch in Niedersachsen und Baden-Württemberg gibt es Pläne, ab Mitte Januar zumindest Grundschüler wieder in die Schulen zu lassen.
Doch am Freitag hieß es aus Berlin, das schulisch angeleitete Lernen zu Hause für Schüler der ersten bis neunten Klasse sowie für einige höhere Klassenstufen werde bis 25. Januar verlängert. Für die Abschlussklassen 10, 12 und 13 an Gymnasien und Sekundarschulen sollen indes ab kommender Woche Präsenzangebote in kleinen Gruppen möglich sein. Ob Wechselunterricht mit Lernen zu Hause und in der Schule angeboten wird, sollen die jeweiligen Schulen und Elternvertreter selbst entscheiden. Bisher war der Plan, ab 11. Januar für abschlussrelevante Jahrgänge generell wieder Wechselunterricht in kleinen Gruppen anzubieten. Bereits eine Woche später – am 18. Januar – sollten Grundschüler der ersten drei Klassenstufen folgen.
Die Bundesregierung hatte dazu aufgerufen, die mit den Bundesländern gemeinsam getroffenen Corona-Beschlüsse zur Verschärfung und Verlängerung des Lockdowns auch umzusetzen. "In der derzeitigen Situation ist aus unserer Sicht eine konsequente Umsetzung der Bund-Länder-Beschlüsse auch mit Blick auf die noch ansteckendere Virusvariante (...) unerlässlich und das gilt auch für die Beschlüsse zu den Schulen", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin.
Seibert antwortete auf Nachfragen zum Vorgehen in den Ländern bei den Schulen. Auch in mehreren anderen Ländern kehren Abschlussklassen wieder zurück in die Schulen.
In Berlin hatten die Pläne zur baldigen Öffnung in den vergangenen Tagen Kritik etwa bei der Lehrergewerkschaft GEW, einigen Schulleitern, Eltern- und Schülervertretern hervorgerufen, die sich auch unter dem zeitweise trendenden Hashtag "Lasst die Schulen und Kitas zu!" zeigte. Der Bildungsdirektor der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), Andreas Schleicher, hält sie hingegen für richtig. "Es sind immer schwierige Abwägungen. Aber gerade in den ersten Schul- und Lebensjahren ist der Präsenzunterricht einfach nicht ersetzbar", sagte der Bildungsforscher am Freitag dem rbb-Inforadio.
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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder hatten am Dienstag vereinbart, dass die im Dezember in den Ländern getroffenen Maßnahmen an Schulen und Kitas bis Ende Januar verlängert werden. Im Prinzip bedeutet das geschlossene Schulen oder ausgesetzte Anwesenheitspflicht und geschlossene Kitas oder nur Kita-Notbetrieb mit der Bitte an Eltern, ihre Kinder möglichst nicht zu bringen.
Für Abschlussklassen an Schulen dürfen ausdrücklich Ausnahmen gemacht werden, für Grundschulen ist das nicht vorgesehen. Grundsätzlich können aber die Bundesländer immer selbst regeln, wie sie in der Pandemie vorgehen, da sie für Schulen und Kitas auch selbst zuständig sind.
Wirklich geschlossen sind Schulen und Kitas vielerorts nicht: Eltern, die keine andere Möglichkeit haben, können ihre Kinder bringen. So waren beispielsweise in Hamburg zum Schulbeginn nach den Weihnachtsferien an diesem Dienstag nach Angaben der Behörden rund ein Drittel der Kinder in der Kita und jedes fünfte Kind in der Grundschule.
Nach der Vorgabe des #Berlin|er Senats die #Schulen ab Montag teilweise wieder zu öffnen, fordert Ralf Treptow, der Vorsitzende der Berliner Oberstudiendirektoren, dass jede Schule selbst entscheiden können sollte, ob und wie sie wieder öffnen kann. https://t.co/zjPZEJplv0
— inforadio (@rbbinforadio) January 8, 2021
Regierungssprecher Seibert sagte: "Es sollte nach Ansicht der Bundesregierung jetzt eben nicht um eine möglichst weite, extensive Auslegung der Beschlüsse gehen, sondern darum, dass wir alles tun, um diese Beschlüsse durchzuhalten und ihren Zweck damit zu erreichen."
Die Themen Schule und Kita gehören zu den umstrittensten in dieser Pandemie, weil dabei viele verschiedene Interessen von Eltern, Kindern, Bildungsgewerkschaften und Lehrerverbänden aufeinandertreffen. GEW-Chefin Marlis Tepe hatte das Dilemma vor Weihnachten so beschrieben: "Alle versuchen, die Quadratur des Kreises zu schaffen, zwischen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, dem Rechtsanspruch auf Bildung und dem Gesundheitsschutz."
Als problematisch gilt zudem, dass während des Sommers kaum nützliche Vorbereitungen für die nun nicht ganz überraschende Situation getroffen wurden.
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