Heidelberg: "Metropolink" hat "nach wie vor ein Riesenpotenzial"
Von Philipp Neumayr
Heidelberg. Es hat sich herumgesprochen, dass etwas entsteht in Heidelberg. Spätestens seit die "Tagesschau" Ende Juli darüber berichtete, ist das "Metropolink"-Festival bundesweit bekannt. Was 2015 als kleine Bühne für urbane Kunst begonnen hatte, brachte in den letzten Jahren mehr als 100 Wandgemälde hervor, die meisten davon in Heidelberg. Die siebte Ausgabe von "Metropolink" zog diesen Sommer wieder Tausende Menschen auf das Festivalgelände im Patrick-Henry-Village. Ein Bilanzgespräch mit Kurator Pascal Baumgärtner – auch darüber, was da jetzt eigentlich noch kommen soll.
Herr Baumgärtner, mit ein wenig Abstand betrachtet – wie fällt Ihre Festivalbilanz aus?
Wir sind hoch zufrieden. Wir hatten eine sehr gute Auslastung mit rund 8500 Gästen insgesamt. Allgemein betrachtet haben wir das geschafft, was wir uns davor vorgenommen hatten: nach dieser langen kulturlosen Zeit Menschen wieder zusammenzubringen.
Das Festival dauerte in diesem Jahr eineinhalb Wochen länger als sonst, fast den kompletten August hindurch fanden Zusatzveranstaltungen statt. Was waren ihre persönlichen Höhepunkte?
Es gab viele Höhepunkte. Die neu hinzu gekommenen Wandbilder in der Stadt waren natürlich der gestalterische Höhepunkt. Aber auch die Konzerte kamen gut an – so haben uns das unsere Gäste gespiegelt. Der Auftritt der Brassband Moop Mama zum Beispiel war sehr speziell, genauso wie das Konzert von Erobique oder auch die "Classic Night" am letzten Abend.
"Metropolink" ist mittlerweile deutlich musikalischer als in seinen Anfängen. 2020 trat Samy Deluxe auf, und auch in diesem Jahr standen bekannte Bandnamen auf dem Programm. Wird aus dem Festival für urbane Kunst dauerhaft ein Musikfestival?
Unser Festival stützt sich ja auf drei Säulen. Zum Ersten die Kunst im öffentlichen Raum, die an 365 Tagen im Jahr zugänglich ist. Zum Zweiten das Festival in Patrick-Henry-Village, wozu auch Musik und Konzerte gehören. Und zum Dritten unser neues Headquarter, die Commissary, die wir jetzt eröffnet haben und auf die wir sehr stolz sind. Diese drei Säulen bilden auch in Zukunft das Grundgerüst von "Metropo-link". Das Zusammenspiel von Kunst und Musik nimmt da natürlich eine wichtige Rolle ein. Wir wollen auch in den nächsten Jahren große Namen aus den Bereichen Kunst und Musik nach Heidelberg holen.
Sie haben die Commissary angesprochen, den alten US-Supermarkt im Süden von Patrick-Henry-Village, der das neue Festivalzentrum sein soll. Was kann man sich darunter vorstellen?
Es war unser großes Ziel, eine öffentliche Galerie zu schaffen. Wir haben jetzt endlich einen Raum, der eine dauerhafte Anlaufstelle ist, wo man Kunst erklären kann, und wo sich die Menschen, die hinter der Kunst stehen, erklären können. Der Raum verfügt über eine 65 mal sieben Meter große Wand, die für Kunst offensteht. Dieser Ort schafft es, dass Streetart und Galerie zusammenfinden. Eine Kombination, die in der Kunstwelt nicht unumstritten ist, findet hier also einen nahezu optimalen Raum. Außerdem haben wir nun die Möglichkeit, auch außerhalb des Festivalzeitraums Veranstaltungen zu organisieren.
Was genau wird in der Commissary künftig stattfinden?
Ab Montag, 20. September, kann man immer montags zwischen 16 und 19 Uhr und freitags zwischen 19 und 22 Uhr vorbeikommen, sich informieren und die dort entstandenen Kunstwerke anschauen. Zusätzlich werden wir verschiedene Events organisieren, zum Beispiel in Kooperation mit dem Festival "Enjoy Jazz". Am 22. Oktober feiern wir noch einmal eine offizielle Großeröffnung mit einer Talkveranstaltung, wie es sie auch schon bei diesem Festival gab, mit Oberbürgermeister Würzner und Ministerin Bauer. Wir wollen, wenn möglich, einmal im Monat solche Talkrunden mit unterschiedlichen Gästen veranstalten.
Worum soll es darin gehen?
Es sollen spontane Gespräche ohne große Vorgaben sein. Wie ein Gespräch, das morgens um vier Uhr auf einer Party stattfindet. Wie eine Mischung aus einer Late-Night-Show von David Letterman und der Sendung "Zimmer frei!" (WDR-Fernsehsendung, die von 1996 bis 2016 ausgestrahlt wurde, d. Red.). Natürlich wird es vor allem um Themen wie Kultur, Kreativität und Stadtentwicklung gehen, aber vor allem soll das Format dazu beitragen, mehr Diskurs in der Gesellschaft, im demokratischen Prozess zu haben. Wir haben in den letzten eineinhalb Jahren gemerkt, dass der Bedarf an Kunst und Kultur sehr groß ist. Aber abgesehen davon gibt es eben auch einen großen Gesprächsbedarf.
Sie formulieren immer wieder den Anspruch, nicht nur Kunst schaffen zu wollen, sondern darüber hinaus zur Entwicklung von Stadt und Stadtgesellschaft beitragen zu wollen. Warum?
Ich finde, wir müssen uns die Frage stellen, in welcher Stadt wir künftig leben wollen. Die Dinge verändern sich permanent, genauso wie Städte sich verändern. Daher ist es wichtig, Plattformen und Orte zu schaffen, die für Veränderung stehen, die vielleicht auch einmal mit den klassischen Blickwinkeln brechen. Kunst bringt Menschen zusammen, die sonst nicht so leicht zusammenkommen. "Metropolink" schafft diese Begegnungen – und damit die Möglichkeit, Dinge zu verändern.
Im Vergleich zu 2015, als "Metropolink" an den Start ging, ist die Stadt heute deutlich bunter, der südliche Teil der "South Gettysburg Avenue" in Patrick-Henry-Village – seit 2019 das Festivalzentrum – quillt fast über vor Wandkunst. Wie viel Entwicklungspotenzial gibt es in dieser Stadt noch für Sie und Ihr Team?
Es gibt hier nach wie vor ein Riesenpotenzial, das wir ausschöpfen wollen. Die Stadt hat 15, bald 16 Stadtteile. Jeden Tag, wenn ich durch Heidelberg fahre, sehe ich deutlich mehr weiße, graue und unverputzte als bemalte Fassaden. Und das wird auch noch eine Weile so bleiben. Selbst wenn wir im Rahmen von "Metropolink" in den nächsten 20 Jahren jedes Jahr fünf Wände im Stadtgebiet künstlerisch gestalten, wird der Großteil der Fassaden weiterhin unbemalt sein. Aber es geht auch nicht darum, nur Quantität zu schaffen, sondern vor allem Qualität – das war unser Anspruch, als wir 2015 angefangen haben, und das wird auch in Zukunft unser Anspruch bleiben.