Walldorfer Zeltspektakel: So war das Doppelkonzert von "Zucchini Sistaz" und "Wildes Holz"
Von Sebastian Lerche
Walldorf. "Ich schwitze!", verkündete Tina Werzinger gegen Ende einer mehr als zweistündigen Konzertekstase. Und darauf hat ein "echtes Premiumpublikum", zu dem die Zuschauerschar im Walldorfer Spektakelzelt erhoben worden war, auch einen Anspruch: Dass die Künstlerinnen und Künstler singen, musizieren, tanzen, scherzen und schwitzen, bis ihnen die Luft ausgeht. Und diesen Anspruch haben die "Zucchini Sistaz" im "gemischten Doppel" mit "Wildes Holz" übererfüllt. Sie machten klar, dass es für sie nichts Schöneres gibt, als durch eine Manege zu toben und ihren Fans – sowie jenen, die bestimmt schon nach dem ersten schwungvollen Stück dazu wurden – eine gute Zeit zu bereiten.
Die "Zucchinis", das sind neben Tina Werzinger an Gitarre und Ukulele die Kontrabassistin Jule Balandat, die trommelt und die Singende Säge spielt, sowie Sinje Schnittker, die eine Vielzahl an Instrumenten beherrscht, darunter Trompete, Posaune, Ziehharmonika und Xylophon.
Vom zucchinigrünen Kleid mit passendem Kopfschmuck über Gestik und Mimik bis hin natürlich zur mitreißenden Musik: Die "Sistaz" gehen voll in ihrer Rolle als Stars der goldenen Swing-Ära auf, bieten Unterhaltungsmusik im Stil der 1920er bis 1950er Jahre, streuen bekannte Popmelodien ein oder covern beliebte Hits. Mit zum Beispiel Kitty Hoffs "Leichtmatrose", Caterina Valentes poetischem Lied "Die Sprache des Regens" oder "Kleines rotes Cabriolet" von den "Strandjungs" fesselten sie die Zuhörerinnen und Zuhörer sofort. Prompt wurde mitgeklatscht, und das gekonnt: "Sie sind sehr Fortgeschrittene", lobten die "Sistaz" ihr Publikum.
Tobias Reisige hatte es als Kind nicht leicht: Schon früh hat er die Liebe zur Blockflöte entdeckt, musste sich von den Eltern aber die Frage gefallen lassen "Wieso spielst du nicht was Cooles, wie Hackbrett?" Was das für ein Verlust für die Welt gewesen wäre, bewies er gemeinsam mit Markus Conrads an Kontrabass und Mandoline sowie Gitarrist Johannes Behr. Reisige beherrscht von der Piccolo-Flöte bis hin zur mannshohen "Subgroßbassblockflöte" alle Angehörigen dieser Instrumentenfamilie und bietet mit seinen "Holz"-Kameraden Rock oder Pop ebenso wie klassische Musik. Rein instrumental erklangen beispielsweise "Apache" von den Shadows, Mozarts Klaviersonate in A-Dur oder der fröhliche "Moretti Swing", geschrieben vom 2018 verstorbenen Bandmitglied Anto Karaula und Hit bei sommerlichen Straßenkonzerten in Italien.
Was das Publikum so begeisterte: dass die sechs sich selbst alles andere als ernst nehmen, ihre Musik dafür aber absolut. Als die beiden Bands zusammen auftraten, wurde schon die Klangexplosion zum Erlebnis, dazu aber wurde eine umwerfende Show geboten. Tobias Reisige und Sinje Schnittker trafen sich zum Flöten-Trompeten-Duett, Jule Balandat und Markus Conrads duellierten sich per Bass, während Tina Werzinger und Johannes Behr mit ihren Gitarren umeinander tanzten.
Sie stachelten einander zu Höchstleistungen auf, dass es eine wahre Freude war, improvisierten auf Teufel komm raus und entlockten ihren Instrumenten gekonnt die schönsten, schrägsten oder ganz unerwartete Töne . Verblüffend waren Einfallsreichtum und Kunstfertigkeit, mit denen sie mit vergleichsweise knappen Mitteln derart prächtige Klanglandschaften schufen.
Lustvoll und wie entfesselt stürzten sich die "Zucchini Sistaz" in jede neue Darbietung, auch Stücke, die eigentlich nicht ihre Domäne sind. "Wildes Holz" wiederum wurde aus der Komfortzone gelockt: Nach dem Motto "Die Zucchinetten suchen das Superholz" mussten sie nämlich singen – jedoch, das betonte Tobias Reisige, "sind wir nicht ohne Grund eine Instrumentalband". Dem charmanten Drängen der "Sistaz" konnten sie sich aber nicht entziehen.
Reisige versuchte sich also am süßen Liebeslied "Sugartime" von den McGuire Sisters – und "das lief besser als erwartet", da gab das Publikum den "Sistaz" kräftig applaudierend Recht. Markus Conrads glänzte beim heiter-romantischen "Eventuell, eventuell" und baute einen Partymucke-Rhythmus ein, der nicht ganz passte, der Zuhörerschaft aber sehr gut gefiel. Anfangs verschüchtert, ging Johannes Behr schließlich bei "Venus" von Bananarama ganz aus sich raus. Die "Zucchinis" tanzten dabei ausgelassen durch die Manege, die sich, umringt vom Publikum, einmal mehr als idealer Ort für so eine Gaudi erwies.
Wer das "Superholz" ist? Glücklicherweise musste keine Entscheidung getroffen werden, so Jule Balandat: "Für jede von uns einer."
Die "Zucchini Sistaz" freuten sich "wie Bolle", nach der Corona-Zwangspause wieder auftreten zu dürfen und baten, weil sie so lange darben mussten, um einen Nachschlag beim Applaus, ein "Nachklatschen". Das machte das entzückte Publikum gerne, auch bei "Wildes Holz": das sei "ein sehr schönes Geräusch, das wir lange nicht mehr gehört haben", und "Balsam auf unseren Künstlerseelen", hieß es. Immer wieder wurden beide Bands mit kräftigem Beifall belohnt, am Ende, nach drei Zugaben, sogar mit Standing Ovations.