MAZ: Der Kampf gegen den eigenen Körper
Füchse-Jungprofi Marc Walter: Erst Kreuzbandriss, dann Knorpelschaden
Der Potsdamer Handballer Marc Walter (19) führt gerade einen Kampf gegen den eigenen Körper. Seit dieser Saison steht er zwar bei den Füchse-Profis unter Vertrag – doch das Bundesliga-Debüt muss erst einmal warten.
Für Marc Walter läuft es derzeit nicht rund, und das ist in seinem Fall keine Handballphrase. Auf zwei Krücken kommt der 19-Jährige angehumpelt, in weißen modischen Sportschuhen, Größe 49, schleppt sich Walter auf die Holzbank des „Buena Vida Coffee Club“ am Potsdamer Bassinplatz. Der Name des hippen Cafés ist derzeit nicht Programm für den Kreisläufer der Füchse Berlin. Walter laboriert an einem Knorpelschaden im linken Knie, so sehr, dass er bis Januar ausfallen wird, vielleicht sogar länger. Der junge Mann, der eigentlich ein künftiger Hoffnungsträger beim Berliner Bundesligisten sein will, trägt gerade viel Pech mit sich herum. Statt mit den Kollegen um Einsatzzeiten zu kämpfen, kämpft Walter gegen seinen Körper. Es ist ein harter Kampf.
Vor vier Wochen sei es passiert, im Training, „nach einem Kontakt habe ich mir das Knie verdreht, es war direkt klar, dass da was ist“, sagt Walter mit bedächtiger Stimme und nippt an seinem Cappuccino. Vor dem einstündigen Gespräch hat er sich noch schnell die blonden Haare schneiden lassen, in seinen Jeans und dem dunkelblauen Pullover wirkt Walter noch bodenständiger als er ohnehin zu sein scheint. Fabian Wiede und Paul Drux, seine beiden etablierten Mitspieler bei den Füchsen nennt er „Vorbilder“, vom erfahreneren Kreisläufer-Konkurrenten Mijajlo Marsenic könne er noch viel lernen.
"Das ist komplett frustrierend gewesen, ich hatte mir große Ziele gesetzt"
Frisch schaut Walter aus, lebensfroh, und wenn an diesem Donnerstag (19.05 Uhr) die Füchse zum Bundesliga-Auftakt die HSG Wetzlar empfangen, würde man ihn gerne Tore werfen sehen. Aber das muss erstmal warten. „Das ist komplett frustrierend gewesen, ich hatte mir große Ziele gesetzt“, sagt Walter, der das Handballspielen von der Pike auf beim VfL Potsdam gelernt hat. Mit Kumpel Ole Machner, der jetzt bei den Füchsen II spielt, bildete er über viele Jahre hinweg ein kongeniales Duo, „ich habe ihm meistens die Bälle zugepasst“, sagt Walter, „Ole war prägend für mich.“ää
2018 holte Füchse-Chef Bob Hanning den 2,04 Meter großen Walter – auf der Internetseite der Füchse steht irrtümlicherweise 2,10 Meter – zum Berliner Nachwuchs, im Februar stattete er ihn mit einem Vertrag bis 2024 aus. Nun hätten die ersten Einsätze in der Bundesliga folgen sollen. „Bei ihm habe ich eine Menge Fantasie und traue ihm den Sprung zu“, sagt Förderer Hanning – „wenn er fit wird.“
Nichts anderes ist Walters derzeitige Aufgabe, die er mit Geduld, Ruhe und viel Kraft anzugehen versucht. „Es ist wichtig, dass das Ganze optimal verheilt“, erklärt Walter, der sich trotz der Januar-Prognose kein Zeitlimit für seine Rückkehr auf die Platte setzen will. Er steigt derzeit viel in den Wasserkanal, macht Rehaübungen, sucht die Hände der Physios. „Der Körper ist mein Kapital“, sagt Walter – es ist ein Satz, den man des Öfteren hört, meist aber von erfahreneren Profis.
Marc Walters Erfahrungen, was Verletzungen betrifft, sind allerdings auch schon recht umfangreich. In der Jugend beim VfL und den Füchsen brach er sich Finger, zog sich Kapsel- und Bänderrisse zu und einen sogenannten Labrumriss in der Schulter. Wenn Walter diesen August nicht damit begonnen hätte, Wirtschaftspsychologie an der Fernuni zu studieren, hätte er wahrscheinlich bequem ein Medizinstudium aufnehmen können. Praxiserfahrung hat er reichlich, erst recht seit September 2020: Da riss Walter in einem Testspiel mit der Füchse-Jugend das Kreuzband – ebenfalls im linken Knie. Die Füchse vermittelten ihm den Knieexperten Dr. Ralf Doyscher, Mannschaftsarzt von Borussia Mönchengladbach, der früher an der Charité gearbeitet hatte. „Er hat mir nochmal einen anderen Input gegeben“, erklärt Walter, „andere Übungen, andere Belastungsformen.“
Hanning imponierte Walters Arbeit während der Kreuzbandriss-Reha, „er ist sehr, sehr zielstrebig und hat die Zeit genutzt, an sich zu arbeiten.“ Auch deshalb legte Hanning dem Talent im Februar einen Profivertrag vor. Trotz der Verletzung habe nichts anderes zur Debatte gestanden, erklärt Hanning. Nun will Walter das Vertrauen zurückzahlen – aber erstmal muss er den Kampf gegen seinen Körper gewinnen. Wieder einmal.
Quelle: Märkische Allgemeine Zeitung, Joram, David. 2021 (https://www.sportbuzzer.de/artikel/fuchse-jungprofi-marc-walter-erst-kreuzbandriss-dann-knorpelschaden/) [29.08.2021]