RNZ-Corona-Podcast - Folge 61: "Für das dänische Modell ist das Risiko zu groß"
Von Klaus Welzel
Heidelberg. Nach einer kurzen Sommerpause geht der RNZ-Corona-Podcast wieder weiter. Hans-Georg Kräusslich geht von weiteren Infektionen – gerade unter Schülern – aus. Und er appelliert vor allem an jüngere Menschen, sich impfen zu lassen.
Prof. Kräusslich, die Intensivstationen sind wieder stärker von Corona-Infizierten belegt. Folgt auf den verregneten Sommer jetzt ein Herbst des Missvergnügens?
Wir werden im Herbst mit steigenden Coronazahlen rechnen müssen. Mit dem Schulbeginn wird es auch Infektionen an Schulen geben. Aber, wie es insgesamt weitergeht, hängt in erster Linie von unserem Verhalten ab. Also: Wer noch nicht geimpft ist, sollte sich impfen lassen. Und die Regeln – Abstand, Maske – sollten wir in Innenräumen weiter einhalten, auch für Geimpfte. Ich glaube, dass wir mit diesen Maßnahmen einigermaßen, gut durch den Winter kommen können, auch wenn die Infektionszahlen steigen.
Derzeit liegt die Belegungsquote der Intensivstationen durch Covid-Patienten bei 7,4 Prozent – ab welchem Wert wird es denn kritisch?
Deutschlandweit haben wir derzeit etwas über 1300 Covid-Patienten auf den Intensivstationen. Im letzten Winter waren es über 5000. Das wären viel zu viele, und um das zu vermeiden, führt Baden-Württemberg Stufen ein, ab denen es zu Einschränkungen kommt. Bei einer stärker geimpften Bevölkerung ist es richtig und wichtig, die Intensivbelegung neben der Inzidenz als wichtigen Steuerungsfaktor zu nutzen.
Wie sieht es am Uniklinikum in diesen Tagen aus?
Wir liegen in der Region ungefähr im Bundesdurchschnitt. In den Kliniken im Rhein-Neckar-Kreis haben wir aktuell zwölf Patienten mit Covid auf den Intensivstationen, zehn davon beatmet; davon liegen sieben am Uniklinikum Heidelberg. Das sind zwar viel geringere Zahlen als im Winter, aber deutlich mehr als noch im Juli.
Kann man schon verlässlich sagen, in welchem Ausmaß Jüngere schwer an Covid erkranken?
Sie erkranken selten schwer an Covid. Und wenn, dann gab es meist Vorerkrankungen oder die Personen sind stark übergewichtig. Von den rund 92.000 Menschen, die in Deutschland an oder mit Corona verstorben sind, waren 87.000, also über 90 Prozent, über 60 Jahre alt und nur 340 unter 40. Aber es gibt auch den seltenen Fall eines jungen gesunden Menschen ohne bekanntes Risiko, der dennoch eine Beatmung benötigt. Das ist selten, aber selten heißt eben nicht, dass es den Einzelnen nicht treffen kann. Deshalb sagen wir auch den jungen Menschen: Lassen Sie sich impfen.
In Dänemark sind 96 Prozent aller über 60-Jährigen geimpft, weshalb das Leben wieder vollkommen normal verläuft. Wäre das nicht auch der richtige Ansatz für Deutschland, diese Gruppe noch besser zu schützen?
Ja, wenn wir diese Impfquote erreichen könnten. In Dänemark sind auch 73 Prozent über alle Altersgruppen komplett geimpft, in Deutschland unter 63 Prozent. Die Antwort ist deshalb ganz klar: Die Lage sähe völlig anders aus, wenn die Impfbereitschaft so hoch wie in Dänemark wäre. Aber mit vier Millionen älterer Personen, die nicht geimpft sind und einem Drittel der Bevölkerung ohne Impfschutz ist das Risiko bei uns meines Erachtens zu groß. Ich sehe aktuell aber leider nicht, dass die Impfbereitschaft bei uns noch wesentlich steigt – vielleicht dann, wenn es zu weiteren Restriktionen für Nicht-Geimpfte kommt.
Warum müssen Geimpfte bei uns Masken tragen?
Weil auch Geimpfte sich infizieren können. Sie sind teilweise geschützt, aber nicht vollständig. Der Schutz vor schwerer Erkrankung ist dagegen auch für die Delta-Variante sehr gut, er liegt bei 85 bis 90 Prozent. Aber Geimpfte können sich infizieren und das Virus weitergeben. Ihre Eingangsfrage lautete ja, wie wir durch den Winter kommen. Da sage ich, gut, wenn sich möglichst viele Menschen durch Impfung schützen und wir die Ausbreitung des Virus so gut wie möglich eindämmen. Und da gehören Masken dazu, auch für Geimpfte.
Für wie gefährlich erachten Sie die Mu-Variante, die in Kolumbien aufgetreten ist? Sie soll ja resistent gegen einige Vakzine sein.
Aktuell haben wir nicht genug Daten, um das sicher beurteilen zu können. Es geht sowohl darum, wie gut sich eine Variante ausbreiten kann, als auch wie gut sie durch die Impfstoffe kontrolliert wird. Ich warne aber davor, immer vor der nächsten Variante Angst zu haben oder Angst zu machen.
Im Oktober laufen die kostenlosen Tests aus. Halten Sie das nicht für leichtfertig, weil sich dadurch weniger Menschen werden testen lassen?
Die Gefahr besteht, andererseits lassen sich dann vielleicht mehr Menschen impfen.
Man hört gar nichts mehr von Curevac: Kommt dieses Vakzin einfach zu spät auf den Markt? Und wie gut wirkt es überhaupt? Haben Sie dazu neuere Daten?
Veröffentlichte Daten zeigen, dass die Schutzwirkung unter 50 Prozent liegt, damit würde die von der Europäischen Arzneimittelbehörde vorgegebene Mindestwirkung für eine Zulassung nicht erreicht. Und es gibt aktuell ausreichend andere Impfstoffe mit besserer Wirksamkeit. Curevac arbeitet an der Weiterentwicklung mit verbesserter Wirksamkeit auch gegen Varianten und das kann zukünftig durchaus noch eine Rolle spielen, in näherer Zukunft aber sicher nicht.