XC World Cup 2021 – Lenzerheide: Rennbericht von Theresia Schwenk
Wer gedacht hat, dass die Aufregung vor dem fünften World Cup der Saison geringer ist als beim ersten, der liegt falsch. Als der World Cup in Lenzerheide immer näherrückt, steigt meine Aufregung auch zunehmend. Dieses Mal aber nicht nur positiv, da ich mir über eine technische Passage schon im Vorfeld Gedanken gemacht habe: der große Stein mit der schwierigen Anfahrt. Vor zwei Jahren hat sich diese Passage im Training nicht so sicher und gut angefühlt, weshalb ich gehofft habe, dass es dieses Jahr besser wird.
Training
Am ersten Trainingstag macht mir die Strecke direkt richtig viel Spaß. Mit vielen Wurzelpassagen, Drops, Anliegern und vielen kurzen Anstiegen gehört Lenzerheide zu den technisch anspruchsvollen und im Trockenen sehr schnellen Strecken. Am besagten Stein angekommen, checke ich zunächst die Linien aus und schaue einigen Fahrerinnen zu, um die verschiedenen Linien zu sehen. Im Anschluss fahre ich zweimal auf den Stein zu, um zu checken, wie viel Schwung ich brauche. Dann ist es so weit: jetzt oder nie. Ich peile die Steinspitze an und auf Anhieb funktioniert es sehr gut. „So schwer ist es doch gar nicht“, sage ich mir direkt. Na gut, direkt noch mal. Ich fahre die Passage direkt dreimal, sodass ich abspeichern kann, dass ich es sicher und gut fahren kann. Auch das hat geklappt und mein Trainingstag hat auch durch dieses Erfolgserlebnis besonders viel Spaß gemacht.
Rennen
Sonntag. 07:30. Der Wecker klingelt. Na ja, um ehrlich zu sein, bin ich schon vor dem Wecker wach. Oft schlafe ich in der Nacht vor dem Rennen wegen der Aufregung nicht so gut, dieses Mal aber zum Glück schon. Ausgeschlafen frühstücke ich meine selbst gemachten Pancakes. Jetzt noch die finalen Rennvorbereitungen: Flaschen befüllen, Startnummer am Rennanzug befestigen, Tasche für nach dem Rennen mit Regi-Getränk, Bekleidung, Handtuch, etc. packen. Und los geht’s zur Rennstrecke. Am Eventgelände ist ungewohnt viel los, da wieder Zuschauer erlaubt sind. Transponder holen, Warm-up und da stehe ich schon in der Startbox. Ich rufe mir mein Ziel noch mal in den Kopf: „Du möchtest das Rennen auf der Zielgeraden beenden und nicht wegen der 80 % Regel früher herausgenommen werden“.
„The Start takes place within the next 15 Seconds, watch the lights”, dröhnt es aus den Lautsprechern. Die Musik ist erloschen und es ist still. Grün, es geht los. Das Gute am Start aus der letzten Reihe ist, dass man ihn nicht verschlafen kann. Zirka zwei bis drei Sekunden nachdem die ersten Fahrerinnen gestartet sind, geht es dann auch für mich los. Der erste Anstieg hat es auch direkt in sich, ist aber nicht lang genug, dass sich das Feld auseinanderziehen könnte. So entsteht in der ersten Abfahrt direkt Stau und ich ordne mich im Mittelfeld ein.
Ich fühle mich gut und habe nicht das Gefühl, überzogen zu haben. So bin ich in den technischen Passagen sehr konzentriert. Nach dem Startloop ordne ich mich auf Platz 45 ein, womit ich sehr zufrieden bin in dem Moment. Ich kann meine Position gut halten und sowohl bergauf als auch bergab sauber meine Linien und meinen Rhythmus fahren. Gegen Ende der zweiten Runde passiert dann allerdings etwas, das mich sehr aus meinem Rhythmus wirft. Es gibt eine Kollision mit einer anderen Fahrerin und ich stürze auf den Schotter.
Direkt denke ich: „Hoffentlich ist am Fahrrad nichts kaputt und ich kann weiterfahren“. So ist es zum Glück auch, allerdings fühlt sich mein Schuh ziemlich lose an. Beim Blick runter an meinem Bein sehe ich dann auch noch eine Schürfwunde am Knie. Nicht schon wieder! An meinem Schuh ist eine Schnalle abgebrochen und deshalb kann ich nicht mehr rund treten. Einige Fahrerinnen überholten mich auf meinem Weg in die Feed-/Techzone. Dort angekommen wechsle ich dann schnell meinen defekten Schuh – dort habe ich ein Ersatzpaar. Während des Schuhwechsels spreche ich zu mir selbst: „So Theresia, und jetzt startest du noch mal neu ins Rennen.“
Ich bin motiviert, sehr motiviert sogar und aufgeben ist in so einer Situation keine Option für mich. Direkt kann ich ein paar Plätze gut machen. Ich weiß, dass es knapp werden könnte mit der 80 % Regel, wenn ich nicht „all in“ gehe. Die technisch anspruchsvolle Strecke verlangt einem aber auch alles ab. Ich kann konstante Rundenzeiten fahren und deshalb gelingt es mir, mich im Feld langsam wieder etwas nach vorne zu arbeiten, sodass ich ab der fünften Runde zurück in den Top50 bin. In der letzten Runde gibt es dann nur noch zwei Positionswechsel und ich freue mich im letzten technischen Stück der Strecke schon sehr auf die Zielgrade.
Dort angekommen begreife ich schnell, dass ich trotz des ungewollten Zwischenfalls und meinem Stopp in der Techzone mein Ziel erreicht habe. Die Zielgerade kann ich dann richtig genießen, weil hinter mir eine Lücke zur nächsten Konkurrentin ist. Mir bleibt sogar Zeit, mit den Zuschauern am Streckenrand einzuschlagen. Was für ein Gefühl – ich habe das wirklich sehr vermisst! Nach dem Rennen bin ich etwas überwältigt von meiner Leistung und gleichzeitig einfach komplett erschöpft. Das Gefühl ist unbeschreiblich schön und zufriedenstellend.
Du fragst dich jetzt vielleicht: Und was ist mit dem Stein, vor dem du so Respekt hattest? Im Rennen war er überhaupt kein Problem. Ich hatte immer genügend Schwung und konnte ihn jede Runde sicher fahren. Auch das ist ein kleines Erfolgserlebnis und gibt mir definitiv Selbstbewusstsein, was meine Fahrtechnik angeht.
Jetzt steht nur noch ein Rennwochenende an und dann gehe ich in meine, wie ich finde, wohlverdiente, Fahrrad-freie Offseason! ????
Was sagst du zu Theresias Kampfgeist trotz Sturz und Defekt?
Alle Artikel zum XC World Cup in Lenzerheide 2021:
- XC World Cup 2021 – Lenzerheide: Rennbericht von Theresia Schwenk
- XC World Cup 2021 – Lenzerheide: Die Video-Highlights
- XC World Cup 2021 – Lenzerheide: Sommer, Sonne, Spannung pur! Fotostory vom Finale
- XC World Cup 2021 – Lenzerheide: Ergebnisse und Rennberichte der XC-Rennen
- XC World Cup 2021 – Lenzerheide: Die XC-Rennen im Livestream ab 12 Uhr & 14:30 Uhr
- XC World Cup 2021 – Lenzerheide: Ergebnisse und Rennberichte der Short Track-Rennen
- XC World Cup 2021 – Lenzerheide: Short Track-Livestream ab 17:20 Uhr
- XC World Cup 2021 – Lenzerheide: Almöhis & Heidis Home-Run? Der Favoritencheck