Hirschberg: Demografie, Digitalisierung und Dekarbonisierung
Hirschberg. (max) Nur noch wenige Tage sind es bis zur Bundestagswahl, und viele Wähler sind noch unschlüssig. Um noch einige Stimmen auf sich zu vereinen, luden die Hirschberger FDP und Bundestagskandidat Dennis Tim Nusser zu einer "Liberalen Runde" im Gasthaus "Zur Bergstraße" ein. Als prominenten Gast konnte die Ortsgruppe unter Vorsitz von Andreas Maier den haushaltspolitischen Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion und Mitglied des Haushaltsausschusses im Bundestag, Otto Fricke, gewinnen.
Der Andrang bei der Veranstaltung war mit nur drei Besuchern gering. Es war schon der zweite Besuch des Politikers in Hirschberg, der 2008 bei einer Veranstaltung des Ortsvereins aufgetreten war.
Haushalt war auch das Thema der Stunde, denn diskutiert werden sollte die Frage: "Wie kann man die aktuelle Haushaltssituation mit steuersenkenden Maßnahmen verbinden?". Aber nicht nur das Geld war ein Thema, denn in der Fragerunde nach Frickes Vortrag wurden auch mögliche Koalitionen für eine kommende Regierung diskutiert, sollte die FDP denn das Zünglein an der Waage sein. Fricke sagte, dass es bei Sondierungsgesprächen am wichtigsten sei zu sehen, mit wem man die meisten liberalen Interessen umsetzen könne.
Eine Regierungsbeteiligung um jeden Preis lehnte er ab, habe das doch in der Vergangenheit nur dazu geführt, dass die FDP Stimmen verloren habe. Obwohl er mit einer "Jamaikakoalition" mit CDU und Grünen die besten Möglichkeiten sehe, wäre unter Umständen auch eine "Ampel-Koalition" mit Grünen und SPD oder sogar eine "Deutschland-Koalition" mit CDU und SPD für ihn vorstellbar. Für eine Zusammenarbeit mit der SPD müsse Olaf Scholz allerdings bereit sein, keine Steuererhöhungen zu fordern, vom Solidaritätszuschlag abzurücken und mit einem gelb geführten Finanzministerium einverstanden sein. Altgemeinderat Hartmut Kowalinski befürchtete den aktuell von konservativer Seite heraufbeschworenen "Linksrutsch" nicht nur bei einer Koalition mit SPD und Grünen, denn auch in der CDU seien "zu viele linksgedreht."
Der Klimawandel war ein weiterer Punkt der Fragerunde. Ein Besucher wollte wissen, wie ein haushaltspolitischer Ansatz in Bezug auf den Klimaschutz aussehen müsste. Fricke sagte deutlich: "Das Pariser Abkommen gilt." Somit müssten alle notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, um ein Ansteigen der globalen Erwärmung auf maximal 1,5 Grad bis 2100 zu erreichen. Dabei gelte es auch, dem Weltklimarat (IPCC) zu folgen. Danach müsste allerdings auch das umstrittene Lagern von CO2 in der Erde erlaubt werden. Man hätte im Zuge der Dekarbonisierung zuerst die Kohleverstromung abschaffen müssen, bevor der Atomausstieg erfolgte. Fricke betonte allerdings, dass es nicht seine Position sei, Atomstrom länger aufrechtzuerhalten. Um Treibhausgase zu reduzieren, sei zum einen der Handel mit Emissionspapieren am sinnvollsten, zum anderen seien es Innovationen und ambitionierte Ziele bei einzelnen Projekten.
Der Vortrag des Bundestagsabgeordneten konzentrierte sich auf die "drei D", wie er es nannte. Diese waren Demografie, Digitalisierung und die schon erwähnte Dekarbonisierung. Diese Themen seien für jede zukünftige Haushaltspolitik richtungsweisend. Würden Investitionen in diese Felder getätigt, sei auch eine gewisse Verschuldung angemessen, da sie sich in der Zukunft auszahlen würde. Eine Schuldenbremse sei dabei unerlässlich, die "Schwarze Null" habe sich allerdings als "ökonomischer Quatsch" erwiesen.
Der demografische Wandel mache ein Umdenken beim Rentensystem nötig. Das Alter beim Eintritt in die Rente müsse jedem selbst überlassen werden. Seine Mutter sei 83 und würde nach wie vor als Rechtsanwältin arbeiten. Diejenigen, die später in Rente gingen, müssten steuerlich belohnt werden. Bei der Finanzierung der Renten wünsche er sich eine Mischung aus staatlichen und kapitalgedeckelten Zuschüssen. Diese sollten ähnlich dem schwedischen Rentensystem in einem zentralen, staatlichen Fonds gesammelt werden. Die Mütterrente sei wegen ihrer komplizierten Verrechnung nicht tragfähig. Ziel müsse es sein, Altersarmut nachhaltig zu bekämpfen. Auch die Skepsis vor einer aktiengestützten Altersvorsorge gelte es abzubauen.
Bei der Digitalisierung sei in Deutschland zu lange zu wenig passiert. Der Staat müsse die Rahmenbedingungen schaffen und investieren. Allerdings seien vor allem private Unternehmen die treibende Kraft beim digitalen Ausbau.
Nusser sagte eingangs, dass es eine starke FDP als Korrektiv im Bundestag brauche. "Bei allem Respekt für Merkel" sei in den letzten Jahren viel liegen geblieben. Auch er hält eine Reformierung der Rente für notwendig, um auch diejenigen, die in den nächsten Jahrzehnten in Rente gehen, vor Altersarmut zu schützen. Die Digitalisierung brenne ihm unter den Nägeln. Er führte exemplarisch an, dass man in Schlierbach, wo er wohnt, immer noch keinen Handyempfang habe. Ohne den digitalen Wandel sei auch ein zukunftsfähiges Bildungssystem nicht möglich.
