Schriesheim: Rat will das alte "Blättchen" wieder (Update)
Von Micha Hörnle
Schriesheim. Das war eindeutig: Die Gruppierungen im Gemeinderat wollten am Mittwoch ausdrücklich nicht die neuen Richtlinien für Mitteilungsblatt beschließen. Sie wollen erst noch die Informationsveranstaltung am Mittwoch, 29. September, abwarten. Und mehr noch: Alle wünschten sich das alte "Blättchen" zurück.
Zuvor hatte Bürgermeister Hansjörg Höfer noch versucht zu erklären, wieso es überhaupt neue Richtlinien geben sollte: Man sei durch Gerichtsurteile ("keine Konkurrenz zur Presse") gezwungen, die bisher liberalen Veröffentlichungsmaßgaben zu verschärfen – auch wenn ihm das, wie er mehrfach betonte, selbst nicht gefalle. Aber: "Wir sind verpflichtet, nach Recht und Gesetz zu handeln." Allerdings versuchten die Hauptamtsmitarbeiter, die neuen Regelungen "mit Fingerspitzengefühl" umzusetzen. Höfer berichtete auch von persönlichen Angriffen auf diese Mitarbeiter, "dabei sind sie nur Ausführende".
Mehr noch als die Rechtsprechung waren die Artikel des AfD-nahen "Schriesheimer Demokratie- und Kulturverein" für Höfer der Auslöser für den strengen Kurs (RNZ vom Mittwoch). Mehrfach erklärte Höfer, dass nicht nur er sich, sondern auch viele Leser an deren Beiträgen gestoßen haben. Und es gab wohl auch vom Nussbaum-Verlag Anmerkungen, dass manche Beiträge hart an der Grenze des rechtlich Vertretbaren seien. Außerdem tarne sich, so Höfer, quasi eine Partei (also die AfD) als Verein und stelle sich so nicht der politischen Auseinandersetzung. Er jedenfalls könne und wolle nicht als Bürgermeister für ein Mitteilungsblatt mit solch rechtsnationalistischen Artikeln verantwortlich sein. Er verstehe auch den Unmut unter den Vereinen, aber: "Ich konnte nicht bis Oktober warten, lieber ertrage ich die Kritik."
Bei den Fraktionen erhielt Höfer keinen Rückhalt. Für Robert Hasenkopf-Konrad (Grüne Liste) "hat dieses Thema die Bürger wie kaum ein anderes bewegt": Und dass der neue strenge Kurs "von heute auf morgen kam", habe die Situation noch verschärft. Denn das Mitteilungsblatt sei gerade für die Vereine "ein wichtiges Medium" – und im Übrigen keine Konkurrenz zur Presse: "Die Inhalte des Mitteilungsblatts können die Zeitungen gar nicht leisten." Die Artikel des AfD-Vereins seien zwar kritisch, aber wenn darunter nun alle anderen Vereine leiden müssten, wolle er lieber dessen Beiträge ertragen. Seine Forderung: "Zurück zur alten Linie, das ,Blättel’ soll wieder so sein wie vorher." Auch Andrea Diehl (CDU) kann "das Vorgehen der Verwaltung nicht nachvollziehen", das kam "plötzlich und ohne Vorwarnung" und sei "zu hart". Vor allem müsse jetzt das Rathaus mit den Vereinen reden, denn die seien "die Seele unserer Stadt, gerade jetzt". Zudem sehe sie die Gefahr, dass jetzt viele das Mitteilungsblatt kündigen – was in der Bürgerfragestunde auch Kurt Büchler angedroht hat, denn das "neue" Mitteilungsblatt sei "nicht das, was ich will". Tatsächlich hat es beim Nussbaum-Verlag etliche Abbestellungen gegeben, aber genaue Zahlen gebe es noch nicht, hieß es auf RNZ-Anfrage von der Vertriebsfirma.
Auch Matthias Meffert (Freie Wähler) sah ein "großes Versäumnis der Verwaltung in der Kommunikation und Transparenz", auch wenn er manche Punkte durchaus verstehen konnte. Sebastian Cuny (SPD) bekannte: "Mich haben die Veränderungen kalt erwischt." Er hält es fast für unmöglich zu entscheiden, wie die neuen Kriterien "Keine Meinungsbildung" und "Örtlicher Bezug" anzuwenden seien – und ein Verzicht auf Meinungsbeiträge würde "die Qualität des Mitteilungsblatts einschränken". Er tendiert dazu, "die alten Richtlinien beizubehalten". Zudem bestehe in Schriesheim nicht die Gefahr, dass die Tageszeitungen wegen des "Blättchens" nun die Stadt verklagen würden: "Wo kein Kläger, da kein Richter." Auch Wolfgang Renkenberger (FDP) fand, dass man die Beiträge des AfD-nahen Vereins aushalten müsse, sonst werde "die brave Mehrheit eingeschränkt und bestraft". Und Liselore Breitenreicher (Bürgergemeinschaft) befürchtet, dass gerade ältere Mitbürger vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen werden könnten. Thomas Kröber (AfD), der zugleich auch Vorsitzender des umstrittenen "Demokratie- und Kulturvereins" ist, sah bei den neuen Richtlinien generell die Meinungsbildung in Gefahr.
Und so wurde beschlossen, die Verabschiedung der Richtlinien auf die Zeit nach dem Treffen mit den Vereinsvertretern zu vertagen. Am Schluss war Höfer fast resigniert: "Wenn wir jetzt wieder zu den alten Richtlinien zurückkehren, kann ich nur sagen: Mein Kampf war ein anderer."
Info: Am Mittwoch, 29. September, informiert die Stadtverwaltung zu den neuen Mitteilungsblatt-Richtlinien (18 Uhr, Mehrzweckhalle). Die Veranstaltung ist nur für Vertreter der Vereine, Kirchen und Parteien gedacht, pandemiebedingt aber nicht für alle Bürger.
Mitteilungsblatt: So halten es die Nachbarn
Wenn es grundlegende Urteile in Sachen Mitteilungsblatt gibt, müssten die auch in den Nachbarorten Schriesheims ihre Auswirkung haben. Aber eine RNZ-Umfrage zeigt: Hirschberg, Wilhelmsfeld und Dossenheim sind weitgehend unbeeindruckt.
> Wer alles ein Mitteilungsblatt hat: Die Kommunen Schriesheim, Hirschberg, Dossenheim und Wilhelmsfeld (in diesem Fall für den Gemeindeverwaltungsverband Schönau mit Heiligkreuzsteinach und Heddesbach) geben ein Mitteilungsblatt heraus. Fast alle werden vom Nussbaum-Verlag vertrieben, nur das für Wilhelmsfeld & Co. nicht, das macht der Schlecht-Verlag. In diesen Gemeinden muss man das "Blättchen" abonniert haben. Die Auflage liegt in Schriesheim bei 3250, in Hirschberg bei 2200, in Dossenheim bei 2250, in Wilhelmsfeld/Schönau/Heiligkreuzsteinach bei 3100. In Weinheim wiederum gibt es kein Mitteilungsblatt, Amtsanzeiger sind die "Weinheimer Nachrichten". Dafür gibt es ein redaktionell gestaltetes, durch Anzeigen finanziertes (und von Nussbaum herausgegebenes) Lokalmagazin "Weinheim aktuell", das kostenlos an alle Haushalte verteilt wird, eigentlich ist es eher eine Wochenzeitung (Auflage: 23.500). Ähnlich ist es in Ladenburg mit seiner "Ladenburger Zeitung", die allerdings auch, im Gegensatz zu "Weinheim aktuell", die amtlichen Bekanntmachungen enthält. Die gibt es seit 151 Jahren, produziert ebenfalls eigene redaktionelle Beiträge und finanziert sich durch Anzeigen und Abonnements (Auflage: 2300). In Heidelberg und Mannheim gibt es auch Amtsblätter, die ebenfalls kostenlos an alle Haushalte gehen (sie werden einem anzeigenfinanzierten "Trägermedium" wie dem "Wochenblatt" in Mannheim und dem "Wochenkurier" in Heidelberg beigelegt). Diese werden von einer speziellen Redaktion in den Stadtverwaltungen gestaltet und sind in der Optik "richtigen" Zeitungen nicht unähnlich. Vereinsnachrichten wie in kleineren Kommunen spielen kaum Rolle, es geht hier fast ausschließlich um Nachrichten aus der Stadtverwaltung, von städtischen Gesellschaften und den Theatern. Die Auflage liegt bei 154.000 in Mannheim und 60.000 in Heidelberg.
> Haben sich die Richtlinien in den Mitteilungsblättern geändert? Im Gemeindeverband (GVV) Schönau wurde nichts geändert. Und es gibt auch momentan keine Diskussion oder Handlungsbedarf. "Wir haben den Sachverhalt mit Bürgermeisterin Sieglinde Pfahl (Heiligkreuzsteinach) sowie den Bürgermeistern Matthias Frick (Schönau), Christoph Oeldorf (Wilhelmsfeld) und Volker Reibold (Heddesbach) besprochen und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass wir die Richtlinien unverändert belassen wollen", sagt GVV-Geschäftsführer Werner Fischer. Auch aus Hirschberg heißt es: "Eine Änderung der Richtlinien ist derzeit nicht geplant", so Hauptamtsleiterin Anna Dorothea Richter. Dossenheim wiederum hat seine "Blättchen"-Richtlinien im Mai 2020 verändert: "Wir haben innerhalb der Verwaltung die neue Rechtsprechung selbstverständlich berücksichtigt und bei der Ausformulierung der Richtlinien einen Medienanwalt hinzugezogen", erklärt Rathaussprecherin Mareike de Raaf. Liest man sich diese neuen Richtlinien durch, sind diese deutlich "liberaler" als die für Schriesheim geplanten. So ist nirgendwo die Rede davon, dass die Beiträge "sachlich und neutral" sein müssen. So heißt es beispielsweise: "Die Beiträge müssen einen örtlichen Bezug haben. Themen aus der landes- und bundespolitischen Ebene ohne örtlichen Bezug werden nicht veröffentlicht. Die Beiträge sind knapp und sachlich zu fassen und müssen sich auf die Darstellung der eigenen Ziele beschränken. Sie dürfen keine Angriffe auf Dritte enthalten." Eine ähnliche Regelung gibt es auch in Hirschberg und beim GVV Schönau – vor allem, was den örtlichen Bezug der Artikel angeht. Vergleicht man die drei Mitteilungsblätter aus Hirschberg, Dossenheim und vom GVV Schönau miteinander, gibt es keine allzu großen Unterschiede. Am "strengsten" sind da noch die Richtlinien in Dossenheim. Die in Hirschberg, obwohl erst in diesem Mai neu gefasst, sind recht "liberal".
> Wie oft werden Beiträge fürs Mitteilungsblatt zurückgewiesen? Auch hier sind sich die Nachbarkommunen einig: so gut wie nie, am allerwenigsten von den Vereinen. Es gebe immer mal wieder Einzelfälle, die aber zahlenmäßig nicht ins Gewicht fallen, heißt es aus den Rathäusern. Und Auseinandersetzungen wie in Schriesheim mit dem Ärger um den AfD-nahen Verein sind hier unbekannt.
Update: Donnerstag, 23. September 2021, 19.42 Uhr
Wird der strenge Kurs beim Mitteilungsblatt gelockert?
Schriesheim. (hö) Das war der Sommerloch-Aufreger: der seit Anfang August geltende neue strenge Kurs im Mitteilungsblatt. Der hatte dazu geführt, dass immer mehr Berichte von Vereinen oder Kirchen zurückgewiesen wurden, die dem Hauptamt nicht sachlich und neutral genug erschienen. Möglicherweise werden aber die Zügel etwas gelockert. Grund dafür sind einerseits die anhaltenden Proteste der Vereine, aber auch eine gewisse Neubewertung der juristischen Lage, denn nicht alle Gerichte fordern derartig strenge Maßstäbe für Artikel im "Blättchen".
Abgesehen von einer standardisierten Ablehnungs-E-Mail des Hauptamtes fehlten bisher eindeutige Richtlinien für die Veröffentlichung im Mitteilungsblatt. Die soll am heutigen Mittwoch der Gemeinderat beschließen (18 Uhr, Mehrzweckhalle). Allerdings bleibt es bei dem sechsseitigen Regelwerk im Großen und Ganzen bei der Regelung, dass alle Artikel einen örtlichen Bezug haben müssen und nicht zur Meinungsbildung beitragen dürfen, denn laut Rechtsprechung darf das "Blättchen" kein Konkurrenzprodukt zur Presse sein. Daher müssen die Ankündigungen und Berichte weiterhin sachlich und neutral gehalten sein. Einzige Ausnahme sind die Parteien oder Gruppierungen, die im Gemeinderat vertreten sind. Die dürfen weiterhin zu "Angelegenheiten der Gemeinde" Stellung nehmen. Allerdings gilt für diese eine Karenzzeit vor Wahlen (drei Monate vor Landtags-, Bundestags- und Europawahlen und sechs Monate vor Kommunal- und Bürgermeisterwahlen).
Jede Institution, seien es Vereine, Kirchen, Organisationen oder Jahrgangstreffen, hat nur noch 2700 Zeichen und maximal ein Bild zur Verfügung, allerdings dürfen die Abteilungen (maximal zehn pro Verein) ihre eigenen Berichte abliefern.
Mit diesen neuen Richtlinien erhärtet sich der Verdacht, dass sie vor allem wegen des im Februar gegründeten AfD-nahen "Schriesheimer Demokratie- und Kulturverein" eingeführt worden waren. Dessen Beiträge hatten erkennbar keinen Bezug zu Schriesheim, sondern beschäftigten sich mit gesamtgesellschaftlichen Themen, wenn auch im "völkischen" Duktus – und führten zu massiven Beschwerden der Mitteilungsblatt-Leser, worauf das Rathaus mit strengen Maßgaben für eingereichte Artikel reagierte. Der letzte dieses Vereins stammt vom 1. September. Darin beklagt der Vorsitzende, der AfD-Stadtrat Thomas Kröber, dass das Rathaus mehrere Berichte abgelehnt habe, und auch der zur Jahreshauptversammlung am 14. August erschien nur "stark gekürzt". Darin wird angekündigt, die Bevölkerung mit einem Flugblatt zu informieren, das bisher offenbar nur in Teilen Altenbachs ausgeteilt wurde. Außerdem kündigte Kröber "eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Bürgermeister und eventuell gegen Mitarbeiter der Verwaltung" an. Denn: "Sollte der Verein weiter benachteiligt werden, ist ein juristisches Vorgehen nicht ausgeschlossen."
Update: Mittwoch, 22. September 2021, 6 Uhr
"Raubritter" kritisieren Stadt wegen Mitteilungsblatt
Von Micha Hörnle
Schriesheim. Man kann beim besten Willen nicht sagen, dass der Ärger über die neuen scharfen Richtlinien des "Blättchens" nachlässt: Täglich melden sich bei der RNZ Vereine, weil das Hauptamt der Stadt ihre Berichte zur Veröffentlichung nicht freigegeben hat. Und zwar mit der Begründung, sie seien nicht "kurz und sachlich-neutral" genug und erfüllten damit nicht die "Zulassungsvoraussetzung für das Mitteilungsblatt".
Neu ist hingegen, dass ein Verein, in diesem Fall der Baseballclub Raubritter, öffentlich dazu Stellung bezieht und das allgemeine Verhalten der Stadt und insbesondere von Bürgermeister Hansjörg Höfer den Vereinen gegenüber kritisiert. Unter dem Titel "Weiterer Tiefpunkt der Stadt Schriesheim bei der Kommunikation mit den Vereinen" hat Zweiter Vorsitzender Tobias Heising eine geharnischte Abrechnung auf die Homepage und die Facebook-Seite des Vereins gestellt, aus der viel Verbitterung herauszulesen ist: "Immer, wenn man denkt, schlimmer geht es nicht mehr, setzt unsere Stadtverwaltung noch einen drauf. Die willkürliche Zensur bei den Berichten im Schriesheimer Mitteilungsblatt ist das letzte Highlight in einer Reihe von unverständlichen Aussetzern."
So seien beispielsweise zwei der letzten drei Berichte, die direkt mit dem Vereinsleben zu tun hatten, "der Zensur zum Opfer gefallen". In dem einen ging es um die Teilnahme des Freizeitteams bei einem Benefizturnier in Aschaffenburg, bei dem Geld für eine Stiftung gesammelt wird, die junge Leute vor Mobbing schützen will (wobei insgesamt 4500 Euro zusammenkamen). In dem anderen informierte Heising über den 17-jährigen Schriesheimer Yannic Walther, der bei den Raubrittern das Baseball-Spielen gelernt hat und auf dem besten Weg zu einer Profikarriere und außerdem im Herren-Nationalkader ist.
Direkt an die finanzielle Grundlage des Vereins würde es gehen, so sagt Heising im Gespräch mit der RNZ, wenn man nicht mehr per "Blättchen" den Sponsoren danken könne. Dafür seien die Homepage oder Facebook nicht geeignet, da zu wenig "außenwirksam". Er findet: "Wenn man das nicht mehr veröffentlichen darf, hat das Mitteilungsblatt aus meiner Sicht keine Daseinsberechtigung mehr." Er habe bereits mehrfach gehört, dass immer mehr Schriesheimer das "Blättchen" abbestellen wollen.
Heising resümiert in seiner Web-Erklärung bitter: "Uns fehlen die Worte." Und dann geht er direkt zu Höfer über: "Dass unser Bürgermeister auch nach 16 Jahren im Amt noch kein guter Kommunikator ist, ist das eine. Dass nach vielen Terminen mit den Vereinen aber immer noch nicht ansatzweise eine Besserung in Sicht ist und immer wieder dieselben Fehler gemacht werden, ist unverzeihlich." Die Vereine in Schriesheim seien "es mittlerweile gewohnt, dass wir nur das absolut Notwendigste an Unterstützung bekommen", aber sie verstünden auch, "dass die finanziellen Mittel begrenzt sind".
Jedoch: "Ein bisschen Anerkennung, Toleranz, Fingerspitzengefühl und Kommunikation kosten keinen Cent, und es wäre so einfach. Man muss es nur wollen. Wir sind lange davon ausgegangen, dass man einfach nicht in der Lage ist, es besser zu machen. Mittlerweile muss man leider davon ausgehen, dass man es einfach nur nicht will."
Heising ist beileibe nicht allein mit seiner Klage. Auch der Bericht des Verkehrsvereinsvorsitzenden Joachim Müller über den von seinem Verein organisierten Auftritt von "Bluesgosch" Dieter Reinberger beim "Ersatz-Straßenfest" am Samstag (samt Vorankündigung der Mitgliederversammlung am 29. September) wurde zur Veröffentlichung im aktuellen Mitteilungsblatt nicht zugelassen. Auch hier wieder die Begründung mit der Standard-E-Mail aus dem Hauptamt: nicht "kurz und neutral-sachlich" genug. Heising sagt resigniert: "Es ist einfach nur traurig."
Update: Mittwoch, 8. September 2021, 6 Uhr
Immer mehr Unmut bei Vereinen über das Mitteilungsblatt
Von Micha Hörnle
Schriesheim. Die Stadt hat ihr Sommerlochthema gefunden: Bei Vereinen, Parteien und Einrichtungen geht es momentan fast nur um das eine: die neuen Richtlinien für das Mitteilungsblatt. Denn seit gut drei Wochen werden immer mehr Beiträge zurückgewiesen. Der Umfang des "Blättchens" (ohne den Anzeigenteil) verringerte sich von 44 Seiten (4. August) auf seither 33. Auch in der Kommunalpolitik herrscht Unmut: Das Thema soll bei der nächsten Gemeinderatssitzung am 22. September behandelt werden.
Immer mehr Vereine melden sich nun bei der RNZ, weil sie außer knapp-sachlichen Ankündigungen und Nachberichten nichts mehr unterbekommen. Wie beispielsweise Bernhard Wachter, der Schriftführer der Jagdhornbläser: Der hatte einen launigen Artikel mit der Überschrift "4,7 % – 40 % – 100 %" eingereicht, eine recht vergnügliche (und auch falsche) Statistik über die Proben. Der wurde vom Hauptamt mit der Begründung zurückgewiesen, dieser Bericht sei nicht "sachlich und kurz", und so wurde nur ein kleiner Hinweis auf die Übungsstunde samt Foto veröffentlicht. Wachter, der für seine gelegentlich saloppen Artikel im Mitteilungsblatt bekannt ist, nimmt das "aber ganz sportlich". Er "überlege schon, was ich dann kommende Woche ,kurz über Veranstaltungen’ berichten kann, wenn ich durch die Zensur komme".
Ähnliches kann Monika Stärker-Weineck berichten: Sie bietet bereits seit 2002 Führungen über den jüdischen Friedhof an – wie jedes Jahr zum "Tag des offenen Denkmals". Stärker-Weineck und Maren Fahmi, die am Sonntag, 12. September, um 11 Uhr vor Ort über den Friedhof berichten wollen, tun das als Mitglieder des Arbeitskreises Schriesheimer Senioren (ASS), aber der eigentliche Veranstalter ist die Volkshochschule (VHS). In einem Artikel fürs Mitteilungsblatt hatte Erika Neuser vom ASS noch einige Fakten über den Friedhof untergebracht, aber das war offenbar nicht statthaft: "Der von Ihnen eingestellte Artikel bezog sich zum einen auf eine Veranstaltung der VHS und nicht des ASS und enthielt zum anderen einige Ausführungen über den jüdischen Friedhof, die über einen kurzen, sachlichen Veranstaltungshinweis hinausgehen", hieß es aus dem Hauptamt.
Das empörte Stärker-Weineck derart, dass sie sich erst an Bürgermeister Hansjörg Höfer wandte und dann an die RNZ: "Das geht zu weit!", findet sie. Sie verstehe ja, wenn es bei besonders "meinungsstarken" Beiträgen eine Debatte gibt, ob man die wirklich abdrucken müsse: Das war so vor zehn Jahren, als Ingo Kuntermann (FDP) nach der Fukushima-Katastrophe zu verharmlosende Worte zur Kernkraft fand, wie manche meinten; oder eben erst neulich, als der neue AfD-nahe "Verein für Kultur und Demokratie" mit Artikeln provozierte. Aber Stärker-Weineck findet: "Wir können doch alle selber denken." Sie erkennt zudem schwere Defizite in der Kommunikation des Rathauses: "Diese neuen Richtlinien kann man doch nicht nur den Vereinsvorsitzenden schicken!"
Wenn jetzt das "Blättchen" schon nichts mehr zu einer Friedhofsführung abdrucke, dann sei das Maß überschritten – und es stelle sich die Frage, wer es noch lesen will: "Ich jedenfalls habe es nicht abonniert, um Gemeinderatsprotokolle zu lesen."